BalkanSchwimmende Müllhalden verschandeln die Flüsse

Balkan / Schwimmende Müllhalden verschandeln die Flüsse
Die Drina, Grenzfluss zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina, galt als einer der schönsten Flüsse Europas – bis das Plastik kam  Foto: AFP/Elvis Barukcic

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Alljährlich im Winter spült Hochwasser den Unrat wilder Ufer-Deponien in die Balkan-Flüsse: Ein Mülldrama epischen Ausmaßes vergällt den Anwohnern am bosnisch-serbischen Grenzfluss Drina nun das orthodoxe Weihnachtsfest.

Es stinkt und schwimmt und scheint kein Ende zu nehmen: Nur mit dem Kameraauge von Flugdrohnen ist das Ausmaß der auf dem serbisch-bosnischen Grenzfluß Drina treibenden Müllmassen zu erfassen. Das verrottete Treibgut von Müllsäcken, Plastikflaschen, Fässern, Autoreifen und Baumstämmen hat die Sicht auf die grünen Fluten des Potpec-Stausees im bosnischen Visegrad völlig verdeckt: Auf mittlerweile sieben Hektar wird die Oberfläche der schwimmenden Deponie geschätzt, die sich gegen die Staumauer des Wasserkraftwerks „HE Visegrad“ drückt.

„Ökologische Katastrophe an der Drina“, titelt entsetzt das bosnische Webportal „klix.ba“: „Einer der schönsten Flüsse Europas ist zur Müllhalde geworden.“ Neu ist das Problem keineswegs: Alljährlich in den Wintermonaten spült Hochwasser den Unrat wilder oder schlecht sanierter Deponien in Ufernähe im Dreiländereck zwischen Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina in die Zuflüsse der Drina. 2019 vereinbarten die Umweltminister der Nachbarstaaten zwar ein Aktionsprogramm zur Sanierung der Uferdeponien. Doch bis auf die Einsetzung von Arbeitskommissionen ist nichts passiert.

Völlig überfordert

Zur Tatenlosigkeit der Anrainerstaaten gesellt sich das fehlende Umweltbewusstsein ihrer Bürger, die ihren Müll achtlos in wilden Deponien entsorgen. Alljährlich fischt das Kraftwerk in Visegrad zwar bis zu 8.000 Kubikmeter Unrat aus dem Stausee. Doch mit der Bewältigung der Folgen der derzeitigen Müllkatastrophe fühlt es sich völlig überfordert.

Pro Tag vermag das Kraftwerk bis zu 100 Kubikmeter Müll aus dem See zu entfernen und abzutransportieren. Doch allein die Müllmenge, die nun gegen die Staumauer drückt, wird auf 4.000 Kubikmeter geschätzt. Weitere zehntausend könnten folgen. „Die Lösung dieses Problem übersteigt unsere Kapazitäten“, klagt Darko Fraganja, Chef des Umweltdiensts im Kraftwerk: „Wir produzieren schließlich Strom und keinen Müll.“

Wir haben das Land zugemüllt. Und solange wir uns nicht endlich besinnen, sehe ich für uns keine bessere Zukunft.

Amela Dzafovic-Kesan, Umweltschutzorganisation Eko-Habit

Es ist eine alljährliche Katastrophe mit Ansage, deren Ausmaß sich bei jeder Wiederholung noch zu vergrößern scheint. Heftige Regenfälle hatten die Lim, den größten Nebenfluss der Drina, Ende Dezember bei der serbischen Stadt Priboj über die Ufer treten lassen. Die durch das Hochwasser in die Lim gespülten Müllmassen gelangten in die Drina – und durchbrachen die am Stausee zum Schutz des Kraftwerks gespannten Metallketten.

Alle Müllmassen, die nun an die Wehrmauer von Visegrad drücken, hätten Anwohner „ohne Bewusstsein und Gewissen“ an den Flussufern entsorgt, klagt Amela Dzafovic-Kesan von der Umweltschutzorganisation Eko-Habit im bosnischen Gorazde. Ohne eine veränderte Einstellung und konkrete Maßnahmen zur Sanierung der Uferdeponien sei kaum mit einer Änderung der Lage zu rechnen: „Wir haben das Land zugemüllt. Und solange wir uns nicht endlich besinnen, sehe ich für uns keine bessere Zukunft.“