Parlamentsgeschichte onlineKammer mit offenen Schränken

Parlamentsgeschichte online / Kammer mit offenen Schränken
Auch damals schon: Gesetzentwurf aus dem Jahr 1884 zur Ermächtigung der Regierung, die notwendigen Maßnahmen gegen die Verbreitung der Cholera zu ergreifen Foto: CdD/ANLux

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Die Abgeordnetenkammer und das Nationalarchiv haben die parlamentarische Vergangenheit und somit ein wichtiges Stück Luxemburger Geschichte digital aufgearbeitet. Neben den bereits zugänglichen Jahren ab 1945 steht nun auch der Zeitraum von 1848 bis 1940 jedem online zur Verfügung. Visiert sind Forscher, Medien sowie neugierige Bürger.

Bedroht eine schlimme Krankheit das Land, wird der Gesetzgeber aktiv. Das ist keine Erfindung unserer Zeit. Bereits 1884 ist in Luxemburg ein Gesetzesvorhaben zur Abwehr und Eindämmung der Cholera auf den Weg gebracht worden. Die hochansteckende und gefährliche Magen-Darm-Infektion hat das Großherzogtum im 19. Jahrhundert zweimal heimgesucht. Hohe Geldstrafen und bis zu zwei Jahre Haft standen damals auf der Nichtbefolgung der sanitären Maßnahmen.

Diese und andere interessante Begebenheiten aus unserer Geschichte finden sich in den Dossiers im Archiv des Parlaments. Bisher waren diese nur auf Papier und eher mühsam zugänglich. Um den Zugang zu solchen historischen Originalquellen zu erleichtern sowie die Arbeit des Parlaments insgesamt transparenter darzustellen, haben die Abgeordnetenkammer und das Nationalarchiv „die Schränke geöffnet“ und mehr als 184.000 Dokumente aus den Archiven digitalisiert und nun online gestellt. Das Ergebnis ihrer Arbeit haben die Verantwortlichen beider Häuser am Mittwoch vorgestellt – aus bekannten Gründen, hier aber durchaus passend, auch online!

30 Meter hoher Turm

Die umfangreiche Sammlung erstreckt sich von der Gründung des luxemburgischen Parlaments im Jahr 1848 bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Es handelt sich um insgesamt 3.200 Dossiers, die übereinandergestapelt einen Turm von rund 30 Metern Höhe ergeben würden. Die Dokumente bieten einen beispiellosen Überblick über fast das gesamte erste Jahrhundert der parlamentarischen Geschichte Luxemburgs und stellen somit eine wichtige Quelle für die Geschichte des Großherzogtums im Allgemeinen dar.

Die Sammlung deckt alle Aspekte des sozioökonomischen, kulturellen und gesundheitlichen Lebens ab. Neben Gesetzentwürfen und Anträgen für die Gesetzgebung und die parlamentarische Arbeit gibt es auch Dokumente unter anderen über die interne Funktionsweise des Parlaments, also die Geschäftsordnung, Buchhaltung, Personal oder die nationale und internationale Korrespondenz der Entscheidungsorgane und des Kammerpräsidenten sowie die Ergebnisse von Wahlen.

Dieses mit großem logistischen Aufwand verbundene Projekt zur Digitalisierung des Kulturerbes dauerte von Oktober 2018 bis Dezember 2020. Das Nationalarchiv hat das Inventar überarbeitet und die Dokumente für die Digitalisierung vorbereitet. Eine Herausforderung dabei waren unter anderem die verschiedenen Formate und Verschmutzung des Papiers. Das eigentliche Einscannen wurde dann von einem externen Dienstleister durchgeführt.

Quellenschutz

Mit diesem Projekt, das laut den Verantwortlichen rund 120.000 Euro gekostet hat, setzen das Nationalarchiv und die Abgeordnetenkammer ihre aktive Politik der Digitalisierung und Online-Bereitstellung der in ihren jeweiligen Sammlungen vorhandenen Archivdokumente fort. Auf diese Weise können die breite Öffentlichkeit, Medien und Forscher aus der ganzen Welt leichteren Zugang zum schriftlichen historischen Erbe erhalten, indem sie die Quellen aus der Ferne und in strukturierter Weise konsultieren können. Die Digitalisierung von Archivdokumenten soll auch dazu dienen, die Quellen im wahrsten Sinne des Wortes zu schützen, indem eine Abnutzung der Originaldokumente durch regelmäßigen physischen Kontakt vermieden wird.

Alle parlamentarischen Dokumente, die nach 1945 entstanden sind, wurden bereits digitalisiert und können im Archiv auf der Website des Parlaments eingesehen werden. Da die Abgeordnetenkammer einst vom deutschen Besatzer aufgelöst wurde, gibt es für die Kriegsjahre im Prinzip keine Einträge im Parlamentsarchiv.

Die Sammlung kann nun über die Suchmaschine des Nationalarchivs „Query“ konsultiert werden. Zugang gibt es über die Seiten www.anlux oder www.chd.lu

Dokument von 1848: In dem Jahr musste der Großherzog demokratischen Reformen in Luxemburg zustimmen und die Ständeversammlung durch eine frei gewählte Abgeordnetenkammer ersetzen 
Dokument von 1848: In dem Jahr musste der Großherzog demokratischen Reformen in Luxemburg zustimmen und die Ständeversammlung durch eine frei gewählte Abgeordnetenkammer ersetzen  Foto: CdD/ANLux