USA „erwägen Luftangriffe“

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Die Terrormiliz Islamischer Staat setzt die Angriffe auf religiöse Minderheiten im Nordirak fort. Nun sind Hunderttausend Christen auf der Flucht. Die US-Regierung prüft einen begrenzten Einsatz der Luftwaffe.

Die USA erwägen Medienberichten zufolge Luftangriffe und den Abwurf von Hilfsgütern im Nordirak, um den von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verfolgten Jesiden und Christen zu helfen. US-Präsident Barack Obama habe dazu mehrere Optionen prüfen lassen, berichtete die „New York Times“ am Donnerstag. Das US-Militär stimme sich derzeit mit irakischen Sicherheitskräften ab, sagte Regierungssprecher Josh Earnest, nannte aber keine Details über mögliche Pläne oder taktische Optionen eines Einsatzes. Der Vormarsch der Dschihadisten in eine Christenregion hat im Irak eine neue Massenflucht ausgelöst.

Hunderttausend Menschen flohen nach Angaben des Patriarchen der chaldäisch-katholischen Kirche, Louis Raphael I. Sako, am Donnerstag zum Teil zu Fuß aus ihren Heimatdörfern im Norden. Papst Franziskus rief die internationale Gemeinschaft in einem flammenden Appell zu einem verstärkten Einsatz für die von Gewalt und Vertreibung betroffenen Menschen in der Region auf. In New York berief der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eilig eine Sondersitzung ein.

„Andere militärische Optionen“

In Washington seien jetzt „andere militärische Optionen“ im Gespräch, berichtete der US-Sender CNN. «Jede Handlung wäre in ihrem Umfang sehr begrenzt», sagte Regierungssprecher Earnest. US-Kampftruppen auf irakischem Boden seien aber ausgeschlossen. Es gebe zudem keine von den USA gesteuerte militärische Lösung für den Irak. „Wir können die Probleme nicht für sie lösen“, sagte Earnest.

Im Sindschar-Gebirge sind nach UN-Angaben 200.000 Menschen vor IS auf der Flucht, die dringend Wasser, Essen und Medizin benötigen. „Dies ist eine schreckliche humanitäre Situation und eine, die den Vereinigten Staaten große Sorge bereitet“, sagte Earnest. Bei den meisten Flüchtlingen handelt es sich um Jesiden, die von IS als „Teufelsanbeter“ verunglimpft werden.

Hinter verschlossenen Türen

Die französische und die britische UN-Mission bestätigten ein Treffen für 17.30 Uhr Ortszeit (23.30 Uhr MESZ). Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen sollte hinter verschlossenen Türen tagen. Die internationale Gemeinschaft solle mobilisiert werden, um der terroristischen Entwicklung in dem Land entgegenzuwirken, sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius.

Erst am Wochenende hatten die sunnitischen Extremisten das Hauptsiedlungsgebiet der kurdischen Minderheit der Jesiden überfallen und laut Augenzeugen viele von ihnen getötet. Die Türkei kündigte nun an, Hilfspakete von irakischen Helikoptern über dem Zufluchtsgebiet der Jesiden abwerfen zu lassen. Außenminister Ahmet Davutoglu nannte die IS-Angriffe auf die religiöse Minderheit eine „humanitäre Tragödie“.

Christliche Regionen

In der Nacht zum Donnerstag brachten IS-Kämpfer wichtige christliche Regionen unter ihre Kontrolle, darunter die historischen assyrischen Orte Karakosch und Tal Kaif, wie geflohene Bewohner berichteten. Die meisten Familien seien daraufhin in die kurdischen Autonomiegebiete geflohen. Aus Karakosch waren bereits Ende Juni bis zu 15.000 Christen nach Mörserangriffen geflohen, eine Woche später jedoch zum großen Teil wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.

Patriarch Louis Raphael I. Sako beschrieb die Lage der nun geflüchteten Christen in einem Appell an das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“: „Wie bei einem Exodus oder vergleichbar mit einem Kreuzweg flüchten Christen zu Fuß in der sengenden Sommerhitze des Irak in die kurdischen Städte Erbil, Duhok und Sulaymaniya, unter ihnen auch kranke und alte Menschen, Kinder und Schwangere.“ Das sei nicht nur eine humanitäre Katastrophe, es drohe vielmehr ein Völkermord. „Die Menschen benötigen Wasser, Essen und Obdach.“

Aufruf vom Papst

In einem von Vatikan-Sprecher Federico Lombardi verlesenen Aufruf von Papst Franziskus heißt es, dem humanitären Drama in der Region müsse ein Ende bereitet werden. Von dem Konflikt seien eine wehrlose Bevölkerung und dabei vor allem christliche Gemeinschaften betroffen, ein Volk fliehe aus seinen Dörfern.

Vor 2003 lebten noch rund 1,2 Millionen Christen im Irak – viele von ihnen im Norden. Zuletzt wurde deren Zahl auf 500.000 geschätzt, sie dürfte nun weiter sinken. Auch die meisten der schätzungsweise 800.000 Jesiden weltweit lebten in der Region.