Überleben in den Bergen von Kruja

Überleben in den Bergen von Kruja
(AFP)

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Die internationale Gemeinschaft macht Druck auf Albanien. Kritiker schimpfen vom "Kolumbien Europas". Doch der EU-Anwärter tut sich schwer im Kampf gegen den Drogenanbau.

„Ich bin kein Krimineller, ich mache das aus Verzweiflung“, sagt Ilir und zeigt seine kleine Cannabisplantage hinter dem Haus. Der 50 Jahre alte Albaner ist einer von vielen Bauern in den Bergen von Kruja, die auf den Drogenanbau umgestiegen sind. „Es geht ums Überleben“, rechtfertigt sich Ilir. Zunächst hatte er sein Glück im benachbarten Griechenland versucht, doch als auch dort die Wirtschaft zusammenbrach, kehrte er in die Heimat zurück.

Vor knapp einem Jahr steckte er zum ersten Mal Hanfsamen in den steinigen Boden. llirs Rechnung ist simpel: Für zwei Kilo Marihuana bekommt er genauso viel wie für eine Tonne Weizen, 600 Euro. In Italien wird das Gras dann für das Zehnfache weiterverkauft. Das einst abgeschottete Albanien hat sich 26 Jahre nach dem Ende des Kommunismus zum größten Marihuanaproduzenten Europas entwickelt. Außerdem wird der größte Teil des südamerikanischen Kokains und des afghanischen Heroins für den europäischen Markt durch Albanien geschmuggelt. Klima und Geographie sind ideal für den Anbau von Cannabis.

Größter Marihuanaproduzent Europas

„Die Verzweiflung der Bauern“ trage ihren Teil zum Drogengeschäft bei, sagt ein westlicher Diplomat. Doch Albanien möchte in die EU und die macht der Regierung in Tirana Druck, den Drogenanbau zu bekämpfen. Es ist allerdings gar nicht so einfach, die Cannabisfelder in dem zerklüfteten Gebirge aufzuspüren, selbst von den Hubschraubern aus, mit denen Italien die albanischen Behörden unterstützt.

„Seit Januar gab es mehr als 1.250 Polizeieinsätze, bei denen mehr als 2,3 Millionen Cannabispflanzen zerstört wurden“, verkündet Sicherheitschef Altin Qato und bilanziert weiter: 250 Festnahmen, neun Tonnen Cannabis beschlagnahmt, 8.900 Polizisten im Einsatz. Hat die Polizei eine Pflanzung aus der Luft ausgemacht, machen sich die Polizisten zu Fuß auf den Weg. Oft wandern sie stundenlang über steile Pfade und halten Ausschau nach verräterischen Anzeichen.

Neue Sorte macht mehrere Ernten im Jahr möglich

In der Nähe von Kruja weist der in der Hast liegengelassene Proviant eines Bauern – ein Stück Brot und Käse – den Beamten den Weg. Dann verbrennen sie die Pflanzen und versuchen, den Besitzer der Pflanzung ausfindig zu machen. „Auf dem Papier gehört dieses Land niemandem“, sagt einer der Polizisten. Den Anbau einzudämmen wird auch deswegen schwieriger, weil die Bauern zunehmend eine Sorte Cannabis anpflanzen, die mehrere Ernten im Jahr möglich macht.

2014 stürmte die Polizei die Stadt Lazarat, bekannt als das „Königreich des Cannabis“ in Albanien. Laut einem italienischen Bericht wurden dort jedes Jahr 900 Tonnen Cannabis produziert mit einem Marktwert von 4,5 Milliarden Euro – das entspricht einem Drittel des albanischen Bruttoinlandsprodukts. Auch korrupte Polizisten profitieren vom Drogenhandel, und Politiker der verschiedenen Lager beschuldigen sich gegenseitig, involviert zu sein.

Die Rechte wirft der amtierenden sozialistischen Regierung vor, Albanien zum „Kolumbien Europas“ zu machen. Während die Rechte an der Macht war, sei das Drogengeschäft in Lazarat floriert, kontert Regierungschef Edi Rama. Unterdessen zählt Illir die Tage bis zur nächsten Ernte. Bald wird es so weit sein – wenn die Polizei dem Cannabisbauer nicht zuvor kommt.