Per Heirat an die Macht

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Die ADR hat große Pläne. Sie will die Regierungsbeteiligung innerhalb einer Koalition. Und setzt als ehemalige Rentnerpartei plötzlich auf die Jugend. Denn diese laufe ihr gerade nur so zu.

„Was macht man, wenn man 30 wird?“, fragt Jean Schoos, Präsident der ADR, während seiner Rede in die Runde. Die Frage war eigentlich rhetorisch. Seine Antwort: „Man heiratet. Und wir heiraten vielleicht schon nächstes Jahr.“

Die ADR macht in letzter Zeit keinen Hehl daraus, dass sie vorhat, nächstes Jahr nach den Parlamentswahlen in die Regierung einzuziehen. Über die letzten 30 Jahre hat sie sich von einem Aktionskomitee zu einer etablierten Partei in der luxemburgischen Polit-Landschaft entwickelt. „Wir sind von einer strikten Ein-Punkt-Bewegung zu einer Partei geworden, die zu allem eine Meinung hat“, so Jean Schoos im Gespräch mit dem Tageblatt.
Dieser eine Punkt war damals die Rentenfrage.

Mehrere Vereinigungen schlossen sich 1987 zu einem Aktionskomitee zusammen, um sich für Rentengerechtigkeit in Luxemburg einzusetzen. Ihr Ziel: ein gleiches Rentensystem für den privaten und den öffentlichen Sektor in Luxemburg.

Als die ADR den Kompass verlor

„Als wir zwei Jahre später vier Abgeordnete im Parlament hatten, mussten wir anfangen, zu anderen Themen Stellung zu beziehen“, erinnert sich Robert Mehler, einer der Gründer der Partei. „Die Frage unserer Positionierung war allerdings nie eine einfache“, fügt er hinzu. Auch wenn sich die „konservative“ Richtung relativ schnell herausgeschält habe.

Tatsächlich hat die Partei in den letzten 30 Jahren viele Richtungskämpfe durchgemacht. Parteigrößen wie Jacques-Yves Henckes und Jean Colombera sind ausgetreten, während andere die Ränge wieder aufgefüllt haben. Immer wieder gab es Diskussionen um die politische Ausrichtung.

Nach 1999 verlor die Partei kurzzeitig komplett ihren Kompass. Ein Jahr davor wurde eine Rentenreform gestimmt. Der eine Punkt, der die Partei über all die Jahre zusammengehalten hatte, fiel weg. Und das, obwohl die Partei nie einen größeren Erfolg hatte: Sie durfte damals sieben Abgeordnete ins Parlament schicken. Ab dann ging es bergab.

Immer weniger Abgeordnete

In der darauffolgenden Legislaturperiode waren es nur noch fünf, dann vier und heute sind es nur noch drei Abgeordnete. Spricht man die ältere Generation auf diese Entwicklung an, kommt immer die gleiche Antwort: ein ungerechtes Wahlsystem. Man habe bei elf Prozent sieben Abgeordnete stellen können. Die Legislaturperiode darauf mit zehn Prozent aber nur noch fünf.

Doch die ADR will diese Zeiten hinter sich lassen. Wenn das eine Ziel Regierungsbeteiligung ist, ist das andere, wieder verstärkt im Parlament vertreten zu sein. Für Jean Schoos ist Fraktionsstärke, also fünf Abgeordnete, nach den nächsten Wahlen durchaus realistisch. Er will den Osten und den Norden zurückerobern.

„Seit ein paar Jahren gibt es bei uns keine Spannungen mehr“, so Gast Gibéryen, Abgeordneter und Mitgründer der Partei. Die Richtungskämpfe seien geschlichtet und die Richtung der Partei sei klar. Dass Joe Thein vor Kurzem wegen rechtsextremen Äußerungen in den sozialen Medien gehen musste, sehen die Anwesenden nicht wirklich als Richtungskampf. Thein war wegen seiner wiederholten Ausrutscher medienwirksam und wurde mit der Zeit zu einem bekannten Gesicht der Partei.

„Das war eine Joe-Thein-Affäre“

„Das war eine Joe-Thein-Affäre, nicht eine ADR-Affäre“, erklärt Jean Schoos. Wenn man ihn fragt, ob Theins neu gegründete Partei „déi Konservativ“ zur Gefahr für die ADR werden könne, lächelt Schoos nur und erwidert: „Welche Partei?“
Sogar der Abgeordnete Fernand Kartheiser, der lange eine schützende Hand über Thein hielt, glaubt, dass seine Partei noch vor ihrem ersten Auftritt dem Untergang geweiht ist. Zu ähnlich sei das Programm mit dem der ADR. Es steche nicht heraus.

Ein anderer Punkt, der Schoos, Gibéryen und Co. Mut macht, ist der Zuwachs an Mitgliedern. Tatsächlich konnte die Partei in den letzten Jahren bekannte Gesichter rekrutieren, wie beispielsweise Sprachenpetitionär Lucien Welter, der übrigens bei der Feier auch durch den Saal huschte, oder der frühere SREL-Mitarbeiter André Kemmer, der damals in die Geheimdienst-Affäre verwickelt war, die schlussendlich Jean-Claude Juncker seinen Posten kostete.

Erfolg bei den jungen Luxemburgern

Doch es sind nicht nur die bekannten Gesichter, die die älteren Herren der Partei so zuversichtlich machen. „Es kamen noch nie so viele junge Menschen zu uns wie jetzt“, so Parteigründer Robert Mehlen. „Wir haben Themen, die vielen jungen Wählern zu gefallen scheinen“, beobachtet er und nennt Wachstum, Sprache und Identität als Beispiele. Kartheiser sieht auch ein neues Profil bei den jungen neuen Mitgliedern: „Die kommen aus Überzeugung für unsere konservative Politik.“

Diese Überzeugung verkörpert wohl keiner besser als der Präsident der Jugendabteilung der ADR, Michel Lemaire. Er hatte beim Nationalkongress der Partei mit einer Rundumschlag-Rede mit sehr rechten Positionen für viele Diskussionen im Netz gesorgt. Er könnte zum neuen „Rising Star“ der Partei werden.

„Ich sehe die Zukunft sehr positiv“, so Lemaire dem Tageblatt gegenüber. „Wir machen eine Politik aus dem Volk heraus und die Menschen suchen eine Alternative“, meint der junge Politiker. Er spürt jedenfalls eine Aufbruchstimmung. Genau wie seine älteren Mitstreiter. Ob die ADR mit ihrer Zuversicht recht behalten wird oder sich doch gerade überschätzt, „wird der Wähler entscheiden müssen“, um die Wörter von Kartheiser zu zitieren.