Nicht unterkühlt, fast herzlich

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Barack Obama macht das selten. Der US-Präsident ist kein Kumpeltyp. Wenn er mit Staatenlenkern zusammenkommt, geht es meistens geschäftsmäßig zu. Anders am Mittwoch in Berlin.

Zugewandt und fröhlich geht er im Kanzleramt auf Gastgeberin Angela Merkel zu, küsst die deutsche Bundeskanzlerin auf die Wangen, legt ihr wie einer Freundin seine Hand auf den Rücken. Nach einem unterkühlten Verhältnis, das den beiden seit dieser Geschichte mit dem Brandenburger Tor 2008 nachgesagt wird, sieht das nicht aus. Deutschland gehört zu den engsten Partnern der USA – das zeigt auch dieser Besuch des Präsidenten in Berlin, der weite Teile der Hauptstadt Kopf stehen lässt.

Obama, den Merkel vor 5 Jahren als Präsidentschaftskandidat nicht am Brandenburger Tor hatte reden lassen, sprach nun als US-Präsident auf dem Pariser Platz – auf der Seite, von der aus man die Quadriga von vorn sieht. Der Standort ist Symbol für die Wiedervereinigung, die Freiheit in Deutschland. Genau dort wollte Obama stehen.

„Ich bin ein Berliner“

Der Präsident sprach auch fast auf den Tag genau 50 Jahre nach seinem großen Vorbild John F. Kennedy, der mit dem Satz „Ich bin ein Berliner“ in die Geschichtsbücher einging.

Das „Brandenburg Gate“ ist vermutlich das einzige Monument in Berlin, mit dem auch ein Amerikaner in Kansas oder Montana etwas anzufangen weiß. Die Bilder vom Fall der Mauer 1989 gehören auch dort zum historischen Allgemeingut. Viele erinnern sich auch noch an die Szene zweieinhalb Jahre zuvor, als Ronald Reagan von der Westseite aus den sowjetischen Kollegen Michail Gorbatschow aufforderte: „Tear down this wall!“ („Reißen Sie diese Mauer nieder!“)

Bundestagswahl im Visier

Drei Monate vor der Bundestagswahl sind das nun für Merkel perfekte Bilder – zumal für den Kanzlerkandidaten der sozialdemokratischen Opposition, Peer Steinbrück, nur ein kurzer Termin mit Obama bleibt. Der Besuch beweist aber auch, dass die Deutschen Obama wieder wichtiger geworden sind.

Bevor es am Nachmittag auf dem Pariser Platz vor der US-Botschaft bei sengender Hitze losging, spielten Musikgruppen und der Stargeiger David Garrett. Mehr als 4000 Gäste waren geladen. 2008 hatten die Menschen freien Zugang zu Obama, da sprach er an der Siegessäule vor 200.000 Menschen.

Obama, ein enttäuschte Hoffnung

Unabhängig davon, dass Obama sichtbar grau geworden ist, hat sich seither viel verändert. Für viele Deutsche ist Obama nach viereinhalb Jahren im Amt eine enttäuschte Hoffnung. Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage sind zwar immer noch 60 Prozent der deutschen Bürger mit ihm zufrieden. Aber für viele ist aus dem vielversprechenden Kandidaten von einst ein doch sehr normaler US-Präsident geworden.

Dass er das US-Gefangenenlager auf Guantanámo noch nicht geschlossen hat, gehört zu den wichtigsten gebrochenen Versprechen. In der Pressekonferenz mit Merkel erklärte er die Schwierigkeiten, die er dabei mit dem US-Kongress hat, und dass er weiter an der Schließung arbeite. Zugleich wies er auf die Terrorgefahren in der Welt hin.

Spähprogramm „Prism“

Dabei ging Obama ausführlich auf das Spähprogramm „Prism“ des US-Geheimdienstes NSA ein, die weltweit und ganz massiv auch gerade die Daten deutscher Bürger sammelt. Obama war es wichtig, dass die Deutschen die Situation seines Landes nachvollziehen könnten und er nicht als ein Präsident dasteht, der einst Transparenz versprochen hat und nun die Menschen ausspionieren lässt.

Er versicherte auch, dass der E-Mail-Verkehr sozusagen normaler Bürger gar nicht überprüft werde. Es gehe um die Verbindungen, die Terroristen hätten. „Ich möchte allen in Deutschland und überall auf der Welt sagen, dass es sehr strikte Vorgehensweisen gibt“, sagte er zu den Hürden für eine Überwachung.

Dann war es Obama noch wichtig, zu versichern, dass die USA von Deutschland aus keinen Drohnenkrieg führten. Diese Botschaft ist für Merkel wichtig. Völkerrechtler halten das Töten per Knopfdruck aus der Ferne außerhalb eines bewaffneten Konflikts für Hinrichtung. Merkel betonte aber, dass die US-Militärbasen in Deutschland auch für Deutschland wichtig seien und solche Stützpunkte für den Nato-Partner selbstverständlich zur Verfügung stelle. Das passiere auf der Grundlage gemeinsamer Werte.