Netanjahu reklamiert „großen Sieg“

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Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht sich nach ersten Prognosen als Gewinner der Parlamentswahl.

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Israel zeichnet sich eine Pattsituation ab. Nachwahlbefragungen und ersten Hochrechnungen zufolge lagen am Dienstagabend die konservative Likud-Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und das Mitte-links-Bündnis Zionistische Union von Oppositionsführer Jizchak Herzog in etwa gleichauf. Netanjahus Partei schnitt damit besser ab als erwartet. Er reklamierte im Internetdienst Twitter einen „großen Sieg für den Likud“.

Herausforderer Herzog kündigte kurz nach Mitternacht (Ortszeit) vor seinen jubelnden Anhängern in Tel Aviv an, er werde alles unternehmen, um eine „wirklich soziale Regierung“ unter seiner Führung zu bilden. „Zunächst aber müssen wir das finale Ergebnis abwarten.“ In ersten Prognosen der Fernsehsender Kanal 1 und Kanal 10 kurz nach der Schließung der Wahllokale am Abend kamen beide Lager auf jeweils 27 Parlamentssitze.

Likud vor Zionistischer Union

In einer Nachwahlbefragung des Privatsenders Kanal 2 errang der Likud 28 Mandate und damit eines mehr als die Zionistische Union. Drittstärkste Fraktion in der 20. Knesset wird den ersten Prognosen zufolge die Vereinigte Liste der arabischen Parteien. Auf sie entfielen demnach zwölf oder 13 der insgesamt 120 Sitze in der Knesset.

Die wichtigsten politischen Strömungen der arabischen Minderheit in Israel waren erstmals gemeinsam angetreten, was nach ersten Schätzungen auch die Wahlbeteiligung dieser Bevölkerungsgruppe deutlich erhöhte. Die vorgezogene Parlamentswahl war die größte Herausforderung für Netanjahu seit seinem Amtsantritt 2009. Der 65-jährige rechtsgerichtete Politiker hatte die Abstimmung Anfang Dezember selbst ausgelöst, sah sich dann aber einer unerwartet starken Opposition gegenüber. Sollten sich die Prognosen bestätigen, scheint Netanjahu allerdings leicht bessere Chancen zu haben, Bündnispartner für eine dritte Amtszeit in Folge zu finden.

Dazu muss er die neugegründete Partei Kulanu des Likud-Abweichlers Mosche Kachlon in sein Lager holen, die laut ersten Hochrechnungen zehn Mandate holte. Dieser sprach nach Angaben seines Sprechers nach Veröffentlichung der Prognosen bereits mit Netanjahu und Herzog. Er habe ihnen gesagt, er werde seine Entscheidung „erst auf Basis des Endergebnisses treffen“. Im Kurznachrichtendienst Twitter erklärte sich der Ministerpräsident bereits zum Wahlsieger: „Entgegen allen Vorhersagen: Ein großer Sieg für den Likud! Ein großer Sieg für das israelische Volk!“, verkündete er.

Wählerwanderung im rechten Lager

Allerdings kam das gegenüber den Umfragen überraschend gute Abschneiden des Likud durch eine Wählerwanderung innerhalb des rechten Lagers zustande. So landete die nationalreligiöse Partei Jüdisches Heim laut den Hochrechnungen nur bei acht oder neun Sitzen, gegenüber bisher zwölf. Jüngste Manöver Netanjahus dürften diesen Trend verstärkt haben. Er hatte sich am Montag offen gegen einen Palästinenserstaat ausgesprochen und damit seine Haltung zu einer Zwei-Staaten-Lösung revidiert. Für den Fall seiner Wiederwahl kündigte er den weiteren Ausbau der Siedlungen an.

Der palästinensische Chefunterhändler im festgefahrenen Friedensprozess, Sajeb Erakat, erklärte unmittelbar nach den Prognosen, es sei „klar, dass Netanjahu die künftige Regierung bildet“. Die Palästinenser würden deshalb ihre Bemühungen auf dem internationalen Parkett verstärken, insbesondere was Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) betreffe. Knapp sechs Millionen Menschen waren zur Wahl aufgerufen.

Den ersten Ergebnissen zufolge gelang es zehn der 25 angetretenen Listen, die auf 3,25 Prozent angehobene Mindesthürde zu überspringen. Außer den genannten Parteien waren dies die liberale Zukunftspartei mit elf oder zwölf Mandaten, sowie die ultraorthodoxen Parteien Schas mit sieben und Tora-Judentum mit sechs oder sieben Abgeordneten. Der ultranationalen Partei Unser Haus Israel von Außenminister Avigdor Lieberman und der linksgerichteten Merez wurden in allen drei Prognosen jeweils fünf Sitze vorhergesagt.