„Nationalismus bedeutet Krieg“

„Nationalismus bedeutet Krieg“
(Reuters)

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Die Frage eines möglichen EU-Austritts polarisiert den französischen Präsidentenwahlkampf. Neben der Rechtspopulistin Marine Le Pen griffen bei einer TV-Debatte am Dienstagabend weitere Bewerber von links und rechts die EU scharf an.

In einer teils hitzig geführten TV-Debatte haben Frankreichs Präsidentschaftskandidaten über Europa und eine Reihe innenpolitischer Themen gestritten. So griff der parteilose Mitte-Kandidat Emmanuel Macron am Dienstagabend die Rechtspopulistin Marine Le Pen für ihre Pläne an, die EU zu verlassen und zu einer nationalen Währung zurückzukehren.

An der Mammut-Diskussionsrunde weniger als drei Wochen vor der Wahl nahmen alle elf Kandidaten teil – ein Novum in Frankreich. Der Pro-Europäer Macron warb in der von den Nachrichtensendern BFMTV und CNews ausgetragenen TV-Debatte erneut für eine Vertiefung der Europäischen Union – und attackierte seine Rivalin Le Pen, die Frankreich über ein Referendum aus der EU führen will. „Was Sie vorschlagen, ist der Nationalismus“, sagte der Präsidentschaftsfavorit. „Nationalismus bedeutet Krieg.“

„50 Jahre alte Kamellen“

Die Front-National-Chefin entgegnete, Macron packe „mindestens 50 Jahre alte Kamellen“ aus. Der frühere Wirtschaftsminister warf der Rechtspopulistin zudem vor, mit ihren Vorschlägen für einen Austritt aus der Eurozone und für Protektionismus einen „Wirtschaftskrieg“ anzuzetteln. Außerdem würde eine Abkehr vom Euro die Kaufkraft der Franzosen schwächen. Auch der konservative Kandidat François Fillon griff Le Pen für ihre Europapolitik an.

Neben Le Pen vertrat aber eine ganze Reihe anderer Kandidaten sehr europakritische Positionen, unter ihnen der Gaullist Nicolas Dupont-Aignan und der Rechtsnationalist François Asselineau. Linkspartei-Gründer Jean-Luc Mélenchon warb erneut dafür, die EU-Verträge neu zu verhandeln oder aufzukündigen. In der vierstündigen Debatte wurde auch über Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsreformen, Sicherheit und Staatsausgaben diskutiert. Dabei ging es teilweise heftig hin und her, immer wieder fielen sich die Kandidaten gegenseitig ins Wort.

TV-Debatte als Bühne

Bei der ersten TV-Debatte vor zwei Wochen waren nur die fünf wichtigsten Kandidaten eingeladen worden: Macron und Le Pen, die sich laut Umfragen für den ersten Wahlgang am 23. April ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern werden, der Drittplatzierte Fillon sowie Mélenchon und der Sozialist Benoît Hamon. Nun waren auch die sechs anderen Kandidaten dabei, die in Umfragen bei höchstens fünf Prozent landen: Dupont-Aignan, Asselineau, Nathalie Arthaud von Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf), Philippe Poutou von der Neuen Antikapitalistischen Partei, der zentrumsliberale Abgeordnete Jean Lassalle und der Unabhängige Jacques Cheminade.

Sie nutzen die TV-Debatte besonders als Bühne: So attackierte der Trotzkist Poutou, der in einem einfachen Pullover auf der Bühne stand, die in Scheinbeschäftigungsaffären verstrickten Kandidaten Fillon und Le Pen: „Je tiefer man bei François Fillon wühlt, desto mehr riecht es nach Korruption und Schummelei.“ Der Konservative „klaut aus öffentlichen Kassen“. Le Pen „klaut aus den Kassen Europas“, fuhr Poutou fort. Außerdem nutze die Rechtspopulistin ihre parlamentarische Immunität, um Vorladungen der Polizei zu ignorieren. Le Pen und anderen EU-Abgeordneten wird Scheinbeschäftigung im Europaparlament vorgeworfen, Fillon eine unrechtmäßige Beschäftigung seiner Ehefrau und zwei seiner Kinder.

Viele Wähler noch unentschieden

Wie bereits in der ersten TV-Debatte am 20. März war auch Mélenchon gewohnt angriffslustig. Fillon blieb lange zurückhaltend, wurde in der Diskussion dann aber präsenter. Die Fernsehdebatten sind auch deswegen für die Kandidaten sehr wichtig, weil viele Franzosen noch nicht entschieden haben, wem sie bei der Wahl ihre Stimme geben werden. Meinungsforscher sagen zudem eine vergleichsweise hohe Wahlenthaltung von rund 35 Prozent voraus. Bis zur Präsidentschaftswahl ist noch eine dritte TV-Debatte am 20. April geplant. Allerdings ist dieser Termin umstritten: Einige Kandidaten argumentieren, er liege zu kurz vor der ersten Wahlrunde.