Mexikanische Pendler verzweifeln

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Seit 22 Jahren überquert Mayra Rodríguez Tag für Tag die Grenze auf dem Weg von ihrer mexikanischen Heimatstadt zu ihrem Job in den USA.

Jeden Morgen gegen fünf Uhr findet sich die alleinerziehende Mutter am Grenzübergang Otay zwischen Tijuana und dem kalifornischen San Diego ein, wo sie für ein US-Unternehmen tiefgekühlte mexikanische Nahrungsmittel verpackt.

Rodríguez, eine dünne Frau mit langen blondgefärbten Haaren, braucht im Durchschnitt täglich zweieinhalb Stunden hin und zurück zu ihrer Arbeit. Zu den öffentlichen Bussen kommt noch die Wartezeit am Übergang Otay hinzu. Die 42-Jährige befürchtet, dass die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump geplante Mauer zwischen USA und Mexiko die Zeit der Warterei noch erhöhen wird. Bei einer Verschärfung der Kontrollen käme sie möglicherweise verspätet zu ihrer Firma und würde entlassen.

Abwertung des Peso

Nach Angaben des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto passieren wie Rodríguez derzeit jeden Tag mehr als eine Million Menschen und 400.000 Fahrzeuge legal die 3200 Kilometer lange Grenze zu den USA. Trumps protektionistische Maßnahmen und die Abwertung des Peso haben Rodríguez paradoxerweise genutzt – so wie vielen, die in Mexiko wohnen, aber in den USA arbeiten.

Die von ihr verdienten Dollar sind in Mexiko jetzt mehr wert. Rodríguez finanziert mit ihrem Lohn vor allem die Ausbildung ihres Sohnes zum Piloten und die private Oberschule ihrer Tochter. „Im Augenblick sind wir privilegiert, Gott sei Dank“, sagt Rodríguez. „Ich habe gemischte Gefühle. Meine Kinder leben hier dank meiner Dollar gut“, fügt sie hinzu. „Ständig in den USA leben“ wolle sie nicht. Andererseits habe sie Angst, künftig nicht mehr wie bisher hin- und herpendeln zu können.

Im Schneckentempo zur Grenze

Unterdessen wälzen sich die Fahrzeuge am Übergang Otay im Schneckentempo in Richtung USA vorwärts. Straßenverkäufer bieten Snacks und Statuen der Jungfrau Maria an. Viele Autos sind alt und schmutzig, die meisten haben kalifornische Nummernschilder. „Ich bin mir sicher, dass wir viel Zeit verlieren werden. Einige werden deswegen ihre Arbeit verlieren“, sagt der an seinem Steuer wartende Julián Tamayo. Und die Schikanen durch die US-Grenzbeamten würden noch zunehmen.

Trump gebe ihnen durch seine Reden einen „Blankoscheck“ dafür, ergänzt der 49-Jährige. Mexikanische Lastwagenfahrer benötigen nach eigenen Angaben Jahre, um die für die Einreise in die USA erforderlichen Dokumente zu bekommen. Nun treibt sie die Furcht um, diese wieder zu verlieren. „Wenn Trump alles umsetzt, was er sagt, kommen wir hier nicht mehr rüber“, sagt der 45-jährige Lkw-Fahrer Román Díaz. „Dieser Job wird verschwinden. Die Unsicherheit ist unerträglich.“ Diaz‘ mit Fernsehern beladener Lastwagen bewegt sich im Stop-and-Go-Modus. Die Fahrzeugschlange am Übergang Otay ist zwei Kilometer lang.

Den größten Teil der Grenze zwischen Tijuana und San Diego nimmt ein kilometerlanger rostiger Metallzaun ein. Ihn klettern plötzlich vier Männer hoch. Minuten später rennen sie auf die mexikanische Seite zurück – verfolgt von einem Fahrzeug der United States Border Patrol. Mayra Rodríquez‘ Arbeitstag ist vorbei. Sie kehrt durch das staubige Wüstengebiet zurück nach Tijuana in ihre bescheidene Behausung. Der Grenzabschnitt ist abends und nachts taghell beleuchtet – zur besseren Sicht der US-Beamten, die mit ihren Geländefahrzeugen auf den Sperrstreifen patrouillieren. Hinter der Grenzanlage kauern die vier Latinos und warten auf eine neue Gelegenheit.