Luxemburg hat Brexit-Bankern nichts zu bieten

Luxemburg hat Brexit-Bankern nichts zu bieten
(Tageblattarchiv)

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Eine Stadt ohne Atmosphäre, mit Staus und viel zu teuren Immobilien. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat einen etwas anderen Blick auf Luxemburg.

Die Briten verlassen die EU und Luxemburg wetteifert mit anderen Finanzplätzen der verbleibenden EU um umzugswillige Banken und Versicherungsgesellschaften.

Doch aufgepasst! Die Nachrichtenagentur Bloomberg warnt ihre Leser. Luxemburg ist nicht das mehrsprachige Paradies, für das viele es halten. Banker, die das schillernde kosmopolitische London gewohnt sind, könnten eine herbe Enttäuschung erleben, wenn sie nach Luxemburg ziehen.

Schon klar. Wieder einer dieser üblichen Luxemburg-Bashing-Artikel von jemandem, der noch nie in Luxemburg war! Nur: diesmal nicht. Journalistin Stephanie Bodoni ist eine ausgesprochen gute Luxemburg-Kennerin. Die Ex-Londonerin pendelt derzeit laut ihrem Twitter-Profil ( Link) „mit dem Bummelzug zwischen Luxemburg und Brüssel“. Und an ihren Argumenten, die sie mit viel Augenzwinkern aufschreibt, das muss man gestehen, ist etwas dran.

Expats, die nach Luxemburg kommen, sollen darauf vorbereitet sein, „viele Stunden auf verstopften Straßen zu verbringen“, schreibt sie. Jeder, der schon einmal probiert hat, unter der Woche morgens zu einer Konferenz auf dem Kirchberg zu fahren, kommt nicht umhin, ihr beizupflichten.

Bis unters Dach mit Banken vollgestopft

Luxemburg sei schon jetzt „vollgestopft bis unters Dach“ mit Banken, heißt es in dem Artikel. Nach dem Brexit, erzählte ein Taxifahrer der Journalistin, werde es „verrückt“. Und seit der Bau für die Tram begonnen habe und überall in der Stadt neue Gebäude aus dem Boden sprießen, sei der Verkehr „unerträglich“ geworden.

Die Versicherung AIG habe sich nach dem Brexit-Votum der Briten bereits entschieden, in Luxemburg eine Präsenz aufzubauen. Auch der US-Versicherer FM Global, die Versicherungssparte der Lloyd’s aus London – Hiscox – und die Finanzgesellschaft Blackstone hätten sich bereits für Luxemburg als ihre Heimatbasis innerhalb der EU entschieden.

Wenigstens kriegt man Tickets

Luxemburg sei der größte Investmentfondsstandort der Welt nach den USA, weiß die Journalistin. Zur Erinnerung: Wenn ein Investmentfonds bestimmte Kriterien erfüllt und in einem EU-Mitgliedsland registriert ist, kann er ohne größeren Aufwand auch in den anderen Mitgliedstaaten vertrieben werden. Die Rede geht vom Europäischen Passport. Wie es mit UK-Fonds nach dem Brexit aussieht …

Über das soziale und kulturelle Leben in Luxemburg weiß die Autorin zu berichten, dass „Luxemburg versucht hat, sich an die steigende Nachfrage seiner reichen Bevölkerung und des wahrscheinlichen Zustromes von Geld aus UK anzupassen“. Berühmte Künstler könne man regelmäßig in Luxemburg sehen und … im Gegensatz zu größeren Städten sei es in Luxemburg möglich, Tickets zu ergattern.

Banker werden nicht verhungern

„Gut bezahlte Banker und ihre Familien werden nicht verhungern“, heißt es weiter. Was Luxemburg an Sandwichläden fehle (London ist voll davon), mache das Land mit seinen vielen Restaurants wett, die mit zahlreichen Michelin-Sternen aufwarten können.

Luxemburg falle aber LICHTJAHRE hinter London zurück, wenn es um das Nachtleben geht. Bei dieser „Behauptung“ findet die Journalistin Zustimmung von Chris Edward, dem UK Country Manager von Lombard International Assurance. „In der Stadt kommt am Abend keine Atmosphäre auf“, sagt er.

Und dann diese Immobilienpreise, beschwert sich Bloomberg. Es sei kaum noch möglich, in Luxemburg-Stadt bezahlbaren Wohnraum zu finden. Wer ein größeres Haus haben wolle, müsse gar über die Grenze nach Deutschland, Frankreich oder Belgien ziehen, behauptet der Artikel. Schätzungen zufolge könnte der Brexit in Luxemburg 1.000 Jobs schaffen, was die Situation nicht verbessern dürfte.

Jedoch: Da gibt es auch die Stimmen, die sagen, die Lebensqualität hier sei viel besser. Bloomberg zitiert eine Londonerin, die nach Luxemburg gezogen ist, nachdem ihr Partner bei Amazon angeheuert hat. 15 Minuten benötige sie zu Fuß in die Stadt.

Und dann seien da noch die vielen internationalen Schulen, die teils gratis seien, findet Bloomberg weitere nette Worte für Luxemburg.

Und selbst Edwards gibt zu, dass er in London definitiv nicht glücklicher wäre. Und immerhin, so Bloomberg, ab 9,99 Euro könne man von Luxemburg aus London schnell erreichen. Damit sei der Flug, und auch die Kritik ist nicht ganz falsch, billiger als das Taxi zum Flughafen.