Lotterie anstatt Menschlichkeit

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Eine Familie aus Mazedonien hat in Luxemburg einen Antrag auf Asyl gestellt. Er wird abgelehnt. Seit vergangenen Mittwoch lebt sie auf der Straße.

Die Familie, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, gehört der Minderheit der Roma an. 2011 flüchtete sie nach Luxemburg, wo sie politisches Asyl beantragte. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt. Nach Angaben ihrer Anwältin, Me Katia Aïdara, wurde die Familie in ihrer Heimat ständig mit Diskriminierung, Gewalt und Ablehnung aufgrund ihrer Herkunft konfrontiert.

Die Familie setzt sich aus dem Elternpaar, einer Tochter sowie einem Sohn zusammen. Die Tochter erlitt kurz nach der Geburt einen irreversiblen Hirnschaden, der durch sehr hohes Fieber ausgelöst wurde. In Luxemburg stellten die Ärzte zudem eine schwere Skolioseerkrankung bei der Tochter fest, welche das Tragen eines Korsetts erfordert. Seit 2011 lebte die Familie im ersten Stock des „Foyer Marienthal“. Die Sanitäranlagen befinden sich im Foyer jedoch im Erdgeschoss. Der Vater musste seine kranke Tochter mehrmals am Tag die Treppen hoch- und anschließend wieder runter tragen, doch die Familie beugte sich diesen Umständen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie stellte aufgrund der Erkrankung der Tochter einen „sursis à l’éloignement“, der am 30. Mai abgelehnt wurde.

Besonders schockierend an diesem Fall sind die sich widersprechenden Gutachten der beiden „médecins délégués“, die über den Verbleib der Familie entscheiden sollen. Zwölf Ärzte, welche die Familie in Luxemburg untersuchten, haben ihre Bescheinigungen abgegeben. Die überragende Mehrzahl der Atteste sprach sich positiv für einen Verbleib der Familie in Luxemburg aus, da sie in Mazedonien nicht die notwendige medizinische Hilfe erhalten würde.

Fotos von Facebook

Einer der „médecins délégués“ legte ein positives Gutachten, der andere legte ein negatives Gutachten vor. Die Experten im Immigrationsministerium nahmen das negative Gutachten an.

„In diesem Fall haben wir es mit einer Lotterie zu tun. Die ganze Menschlichkeit geht verloren. Es gibt so viele positive Gutachten, die den Verbleib der Familie für nötig empfinden. Dennoch wurde sich dagegen entschieden. Als zusätzlichen Beweis dafür, dass die Tochter nicht wirklich krank sei, hat die Gegenpartei uns private Fotos von der Facebook-Seite des Vaters gezeigt. Diese Fotos hat die Behörde ohne Erlaubnis aus dem Netz gezogen und es sind lediglich Momentaufnahmen. Sie spiegeln der Verlauf der Krankheit nicht wider“, empörte sich Me Aïdara. Die Anwältin legte ein Verfahren bei der „Cour administrative“ aufgrund der Kompetenzüberschreitung ein. Die Behörden handelten jedoch schneller. In der Nacht zum Mittwoch, dem 5. August, rückten Polizeibeamte im „Foyer Marienthal“ an, um die Familie mit ins „centre de rétention“ auf Findel zu nehmen. Hier sollte sie dann mit einem Bus zurück in die Heimat gebracht werden.

Vorschläge…

Die Familie hatte Glück im Unglück, denn die Tochter erlitt in der besagten Nacht einen Anfall und so befand sich die Familie zum Zeitpunkt der Razzia in der Ettelbrücker Notaufnahme. „Bei ihrer Rückkehr wurde der Familie der Zutritt zum Heim versagt. Sie durfte nicht mal ihre Habseligkeiten oder gar die lebensnotwendigen Medikamente, sowie das Korsett mitnehmen. Erst drei Tage später, nachdem ich mich mehrmals bei der Behörde gemeldet habe, konnte sie ihr Eigentum abholen“, so die Anwältin der Familie. Seit dem 5. August lebt die gesamte Familie auf der Straße.

Das „Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration“ (OLAI), die das „Foyer Marienthal“ betreibt, hat der Anwältin drei Alternativen angeboten. Zum einen könnte die Familie in der Avenue de la Faïencerie im „Centre Don Bosco“ untergebracht werden. Als zweite Möglichkeit könnte die Familie freiwillig den Rücktritt nach Mazedonien antreten. In diesem Fall würde der Luxemburger Staat für die „Reisekosten“ aufkommen. Die dritte Möglichkeit wäre eine Rückreise auf Kosten der Familie.

Diese Optionen sind für die Anwältin jedoch nicht vertretbar, da die Familie in ihren Augen sehr gut integriert ist. Der Sohn habe eine Volontariatsstelle und die Tochter bräuchte dringend medizinische Hilfe, außerdem laufe noch das Berufungsverfahren, so Me Aïdara zum Abschluss.