Letzter Rettungsversuch für Finanzsteuer

Letzter Rettungsversuch für Finanzsteuer

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Sie soll Milliarden in die leeren Staatskassen spülen. Doch die Europäer streiten weiter über die neue Finanzsteuer. Schon jetzt ist klar, dass es eine große Lösung mit allen 27 EU-Ländern nicht geben wird.

Die EU startet einen letzten Rettungsversuch für die geplante Finanztransaktionssteuer. Innerhalb der EU stößt das Vorhaben allerdings auf heftigen Widerstand, unter anderem bei Briten und Schweden. Nach Angaben von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble soll nun eine Arbeitsgruppe innerhalb der nächsten Wochen mögliche Kompromisslinien ausloten.

Die dänische Ratspräsidentin, Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager, zerstreute allerdings Hoffnungen auf eine zügige Einigung. Das Thema solle zwar in der bis Ende Juni laufenden dänischen EU-Ratspräsidentschaft weiter debattiert werden. Grundlegende Beschlüsse seien aber nicht zu erwarten.

Industrie an die Kosten beteiligen

Mit einer Finanztransaktionssteuer soll die Finanzindustrie nach dem Willen von Deutschen, Franzosen und EU-Kommission an den gewaltigen Kosten der Finanzkrise beteiligt werden. Außerdem verspricht man sich davon eine Eindämmung spekulativer Geschäfte, die seit der Lehman-Pleite 2008 für eine dramatische Verschärfung der Finanzkrise verantwortlich gemacht werden. Steuerbeschlüsse müssen in der EU einstimmig fallen.

Nach dem Vorschlag von EU-Kommissar Algirdas Semeta sollen der Handel mit Anleihen und Aktien mit einem Mindestsatz von 0,1 Prozent und der Handel mit Derivaten wie Termingeschäften oder Optionen mit 0,01 Prozent besteuert werden. Nach den Brüsseler Plänen soll die Steuer Anfang 2014 in Kraft treten. Eine „Stempelsteuer“ nach britischem Vorbild würde nur Aktien umfassen, damit also riesige Bereiche des internationalen Finanzmarktgeschehens ausblenden. Die Steuer soll jährlich 57 Milliarden Euro einbringen, wenn sie in allen 27 EU-Staaten erhoben würde.

Skeptische Experten

Experten beurteilen die erhoffte Lenkungswirkung einer Steuer auf Finanzgeschäfte skeptisch. Sie weisen darauf hin, dass nach vorliegenden Daten die Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer (FTT) auf die Schwankungen an den Märkten „nicht so eindeutig sind, wie sich die Befürworter einer FTT erhoffen“. Befürchtet wird zudem, dass am Ende die Verbraucher und Firmen die Belastungen tragen müssen.

Der heftigste Widerstand kommt aus Großbritannien. Nach Angaben von Schäuble wird sich London deswegen nicht an der geplanten Arbeitsgruppe beteiligen. Der britische Finanzminister George Osborne sei gar nicht gefragt worden, sagte Schäuble und fügte hinzu: „Er hat auf meine Frage, ob denn Großbritannien unter allen Umständen keiner Regelung zustimmen wolle, gesagt, das wolle er nicht so sagen, aber er hat die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch angesetzt.“

Meinungsverschiedenheiten

Der schwedische Ressortchef Anders Borg sagte mit Blick auf den Schäuble-Vorschlag: „Wir haben einige Meinungsverschiedenheiten.“ Der Stockholmer Minister verlangte, die EU-Kommission müsse ihren Gesetzesvorschlag für eine umfassende Finanztransaktionsteuer zurücknehmen, um das weitere Vorgehen zu erleichtern. Anders als die Briten werden sich die Schweden laut Schäuble aber an der Suche nach einer Kompromisslinie beteiligen. Borg habe zugesagt, er wirke „da sehr aktiv mit“.

Weitere Themen der zweitägigen Ministerkonferenz in der dänischen Hauptstadt waren die Regulierung von Ratingagenturen. Auch zu diesem Thema gibt es einen Vorschlag der EU-Kommission. Er soll dafür sorgen, dass die Arbeit von Ratingagenturen transparenter wird – und dass die mächtigen Bonitätswächter für Fehleinschätzungen haftbar gemacht werden können.

Noch kein Vorschlag für die Banken

Diskutiert wurde außerdem über künftige Rettungseinrichtungen für krisengeschüttelte Banken. Dazu liegt aber immer noch kein Vorschlag der Kommission vor. Dieser soll nun bis zum Juni präsentiert werden. Der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Vitorio Constâncio, pochte darauf, dass die gesamte EU oder zumindest die Eurozone einen gemeinsamen Krisenfonds benötigt, mit dem beispielsweise die Abwicklung eines grenzüberschreitend tätigen Kriseninstitutes finanziert werden kann.

Inzwischen haben mehrere tausend Kapitalismusgegner am Samstag in Frankfurt gegen die aktuelle Euro-Krisenpolitik demonstriert. Ein Sprecher der Organisatoren sprach von rund 5000 Teilnehmern, die Polizei von 3000. Aus dem Protestzug heraus seien Farbbeutel auf das Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) geworfen worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Zudem hätten Demonstranten Schaufensterscheiben eingeworfen und Autos beschädigt. Die Polizei war mit einem massiven Aufgebot im Einsatz. Es kam zu 465 Festnahmen. Ein Polizist wurde bei den Auseinandersetzungen schwer verletzt. Die Demonstranten wollten bis zur Baustelle für den EZB-Neubau ziehen.

Am „Europäischen Aktionstag gegen den Kapitalismus“ waren auch in anderen europäischen Städten Demonstrationen und Aktionen geplant. Veranstalter ist das „M31 Network“ aus verschiedenen linken Gruppierungen.