Lage etwas ruhiger in Kiew

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Die prorussische Führung in der Ukraine will sich mit den Vertretern der friedlichen Opposition in Kiew an einen Tisch setzen. Ein Ausweg aus der Krise dürfte nicht leicht werden. Der Westen droht mit Sanktionen.

Vor neuen Krisengesprächen der prorussischen ukrainischen Führung mit der Opposition hat sich die Lage in Kiew etwas beruhigt. Über dem Protestlager im Stadtzentrum lag am Donnerstag schwarzer Rauch von brennenden Autoreifen. Bei 15 Grad Frost harrten weiter Tausende Demonstranten aus. Sie fordern den Rücktritt von Präsident Viktor Janukowitsch. Vereinzelt bewarfen Regierungsgegner die Polizei mit Steinen. Die Uniformierten reagierten mit Blendgranaten und Tränengas.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bot an, in dem Machtkonflikt zu vermitteln. Die prowestliche Opposition um Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko und andere Parlamentsabgeordnete wollten sich gegen Mittag erneut mit Vertretern der ukrainischen Führung treffen, um über einen Ausweg aus der Krise zu beraten. Nach dem Tod von Demonstranten waren erste Gespräche mit Janukowitsch am Mittwoch ohne Ergebnis geblieben.

Ultimatum

Die Opposition hatte den Präsidenten per Ultimatum aufgefordert, bis zum Donnerstagabend zurückzutreten. Ein solcher Schritt des Staatsoberhaupts galt allerdings als unwahrscheinlich. Beobachter erwarten eine lange und schwierige Krisenlösung in der Ex-Sowjetrepublik.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, hält Sanktionen gegen die Ukraine für den Fall für möglich, dass die Gewalt weitergeht. „Ich rate aber auf der anderen Seite dazu, nicht die Tür zuzuschlagen“, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Die EU müsse weiter bereit sein, mit der Ukraine zu verhandeln. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vereinbarte dann am Donnerstag auch mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, dass der für die östlichen EU-Nachbarn zuständige EU-Kommissar Stefan Füle am Freitag nach Kiew reisen wird. Der ukrainische Staatspräsident habe Barroso auch versichert, er habe keine Absicht, einen Ausnahmezustand in der Ukraine auszurufen.

Die zersplitterte Opposition, die aus prowestlichen Kräften um Klitschko sowie unkontrollierten gewaltbereiten Nationalisten besteht, will sich der Polizeigewalt nicht beugen. Die Regierungsgegner sprechen von fünf Erschossenen sowie zwei weiteren Toten. Die Behörden haben bisher den Tod zweier Demonstranten durch Schüsse bestätigt.

Drohungen

Falls Janukowitsch die Forderungen nach Neuwahlen und nach einer Rücknahme repressiver Gesetze ablehne, wolle die Opposition zum Angriff übergehen, hatte Vitali Klitschko am Mittwochabend bei einer Massenkundgebung angekündigt. Nach Informationen des NDR ist inzwischen auch Wladimir Klitschko wieder nach Kiew gereist, um seinen Bruder Vitali zu unterstützen.

Die Opposition gründete zudem ein Alternativparlament – die Volksrada -, um geschlossener zu handeln. Auch der frühere Parlamentschef Arseni Jazenjuk führt die Bewegung mit an. Die EU, die USA und Russland verfolgen die Gewaltexzesse mit Sorge.

Einmischung

Die Führung in Moskau warf dem Westen erneut eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine vor. „Wir können nicht begreifen, dass Botschafter anderer Länder in Kiew der ukrainischen Regierung sagen, was sie zu tun und zu lassen hat“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Zeitung „Komsomolskaja Prawda“. Eine Bevormundung etwa der ukrainischen Polizei sei „inakzeptabel“. Russland werde sich nicht in die Krise im Nachbarland einmischen, versicherte Peskow.

Die Lage in der Ukraine war eskaliert, nachdem Janukowitsch neue Gesetze zur Einschränkung der Presse- und Versammlungsfreiheit unterzeichnet hatte. Die Proteste dauern seit zwei Monaten an. Auslöser waren Janukowitschs Ablehnung einer Annäherung an die EU und die Hinwendung zum Nachbarn Russland. Dessen Präsident Wladimir Putin gewährte dem klammen und krisengeschüttelten Nachbarn Ukraine Milliardenhilfen.