Kiffen ohne Folgen

Kiffen ohne Folgen
(Oliver Berg)

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CBD gilt in gewissen Forscherkreisen als Wundermittel der Marihuana-Pflanze. In Luxemburg ist das Produkt auch erhältlich - komplett legal. Ein Blick auf einen Hype.

Anne raucht ab und zu gern einen Joint. Sie weiß, dass es illegal ist und auch, dass sie damit ihren Job aufs Spiel setzen könnte. Es werden regelmäßig Drogentests durchgeführt und sollte einer positiv ausfallen, könnte sie gefeuert werden. Also versucht sie es mittlerweile mit CBD-Marihuana. Sie kann es rauchen, entspannt sich dabei und wird müde. Der Test fällt dabei negativ aus. Problemen mit der Polizei geht sie damit auch aus dem Weg, denn CBD-Marihuana ist in Luxemburg legal.

So richtig bekifft wird sie davon aber nicht. In Marihuana, einem Produkt der Cannabis-Pflanze, sind zahlreiche Stoffe enthalten. Zwei davon interessieren die Forscher und die Konsumenten allerdings mehr als die anderen: CBD und THC. Letzterer ist verantwortlich für die psychoaktive Wirkung. Je höher der THC-Gehalt im Cannabis, desto stärker ist der Effekt auf die Psyche.
Wie das CBD auf den Körper wirkt, ist noch nicht ganz erforscht. Seit einigen Jahren beschäftigen sich die Forscher intensiver mit dieser Frage. Immer mehr Studien interessieren sich für den Wirkstoff.

Eine noch etwas unklare Lage

Sie scheinen sich einig zu sein, dass das CBD eine therapeutische Wirkung hat, so beispielsweise bei Psychosen, Übelkeit und Schmerzen. Bei den Nebenwirkungen bleiben die Forscher aber noch vorsichtig. In ihren Publikationen schreiben sie immer wieder, dass es so „scheint“, als würde das CBD vom Körper „gut vertragen“ werden.

Raphael Mechoulam, ein Forscher der Hebräischen Universität Jerusalem, gilt als „Vater der Cannabis-Recherche“. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit den Wirkungen und Nebenwirkungen der Pflanze. Noch vor zwei Wochen war er Gast bei einer großen Cannabis-Konferenz in den Vereinigten Staaten. Er sprach sich in einem Interview mit der Denver Post ganz klar für CBD aus, weil „es nicht giftig ist und nicht süchtig macht“. Die Substanz habe allerdings ganz klar ihre therapeutische Wirkung bewiesen: „Die Recherche ist da, sie muss nun nur noch in der Medizin angewendet werden.“

„CBD ist nicht psychoaktiv“

In Luxemburg wurde der Wirkstoff lange nicht beachtet. Ende letzten Jahres dann sorgte er plötzlich für Aufregung. Besorgt schrieb die CSV-Abgeordnete Martine Hansen eine parlamentarische Anfrage: Ein CBD-Produkt sei im Umlauf. Ob die Regierung etwas darüber wisse. Gesundheitsministerin Lydia Mutsch bestätigte die Existenz des Produkts, stellte allerdings klar, dass der Verkauf nicht illegal ist.

Das CBD stehe nicht auf der UNO-Liste der Suchtstoffe und psychotropen Stoffe. Auch in der nationalen Gesetzgebung werde der Wirkstoff nicht gelistet, „da das psychoaktive Potenzial gegen null tendiert, wenn es überhaupt existiert“, so die Gesundheitsministerin. Sie erinnerte lediglich daran, dass das Rauchen an sich schädlich, auch wenn nicht illegal, ist.
Der luxemburgische Drogenbeauftragte Alain Origer kennt sich mit dem Thema aus. Er hat den Markt und die Stoffe, die darin verkehren, fest im Blick. Auch er wiederholt: „CBD ist nicht psychoaktiv.“ Dem Wirkstoff werde lediglich eine entspannende Wirkung nachgesagt.

In Luxemburg wird es nach der aktuellen Gesetzgebung als Nutzhanf eingestuft. Es darf legal verkauft werden, solange der THC-Wert die 0,3-Prozent-Grenze nicht übersteigt. „Die Forschung hat bei diesem Thema noch nicht ihr letztes Wort gesprochen“, so Origer. Es sei noch nicht ganz sicher, ob das CBD auf lange Dauer schädlich ist oder nicht. Demnächst könnte allerdings etwas Klarheit verschafft werden: Die EU wird der Frage nachgehen.

„Ein kleiner Hype“

Das CBD soll als sogenanntes „Novel Food“ eingestuft werden, also als Nahrungsergänzungsmittel. Dafür muss es zahlreiche EU-interne Studien bestehen, die den Wirkstoff auf mittel- und langfristige Folgen untersuchen. Der Zuckerersatz Stevia durchlief beispielsweise die gleichen Prozeduren, bevor er abgesegnet wurde. Dem Drogenbeauftragten ist allerdings bewusst, dass es mittlerweile „einen kleinen Hype“ um das CBD in Luxemburg gibt.

Benjamin und Christophe sind nicht ganz unverantwortlich, was diesen Hype angeht. Christophe ist Betreiber des Headshops „Placebo“ in Luxemburg-Stadt. Benjamin ist einer seiner Mitarbeiter. „Wir haben Ende letzten Jahres angefangen, das CBD zu verkaufen“, erzählt Christophe. Die Nachfrage werde immer größer.

Ein schmaler Grat

Damit es so weit kommen konnte, hatte es allerdings einer Menge Vorarbeit bedurft. „Die 0,3-Prozent-Grenze beim THC hat Probleme gemacht“, erklärt Christophe. Das CBD-Marihuana, das sie verkaufen, beziehen sie größtenteils von luxemburgischen Lieferanten.

Die Züchtung sei allerdings kein einfaches Unterfangen. „Wir müssen aufpassen, dass das Produkt die 0,3-Prozent-Grenze nicht überschreitet, sonst haben wir ein Problem“, so der Headshop-Besitzer. Der Grat ist schmal. Hat das Produkt, das Christophe in seinem Laden anbietet, nur 0,1 Prozent mehr THC als erlaubt, könnte er Probleme wegen Drogenbesitzes bekommen. Die beiden Verkäufer sprechen sich deshalb für eine leichte Erhöhung der Grenze auf 1 Prozent aus: „Dann ist das Marihuana noch immer nicht psychoaktiv, aber wir laufen weniger Gefahr, die Grenze zu überschreiten.“

Normales Marihuana, wie es in den Niederlanden in den Coffeeshops verkauft wird, hat ein THC-Gehalt zwischen 15 und 25 Prozent. Bei den Kunden haben sie in den letzten paar Monaten, in denen sie das CBD-Marihuana angeboten haben, eine klare Entwicklung beobachtet. „Anfangs kamen junge Leute. Die haben sich dann aber aufgeregt, dass sie davon nicht richtig bekifft werden und sind wieder verschwunden“, beschreibt Benjamin die ersten Wochen.

„Made and tested in Luxembourg“

Mittlerweile sei die Kundschaft sehr heterogen. „Es sind viele ältere Menschen dabei, die sich für das Produkt interessieren“, so Christophe. Menschen mit Schmerzen aller Art würden kommen, weil sie gehört haben, dass das CBD eine schmerzlindernde Wirkung hat. Die beiden können und dürfen den Kunden das aber nicht bestätigen: „Wir sind keine Ärzte“, unterstreichen sie.
Sie sind die ersten, die das legale CBD-Marihuana in Luxemburg verkaufen und bis jetzt auch die einzigen. „Darum wollen wir alles richtig machen“, erklärt Christophe.

Obwohl er eigentlich an Minderjährige verkaufen könnte, tut er das nicht. „Wer unter 18 ist, kann gleich wieder gehen.“ Da sei er unmissverständlich.

Das Marihuana, das bei den beiden ankommt, wird ins nationale Gesundheitslabor (LNS) geschickt. Dort wird kontrolliert, ob die Wirkstoffwerte nicht überschritten wurden. Ist alles im grünen Bereich, wird das Marihuana luftdicht eingepackt und verkauft. Auf der Verpackung steht dann meistens „Made and tested in Luxembourg“. „Darauf bin ich besonders stolz“, freut sich Benjamin. Die beiden wollen demnächst einen Onlineshop starten, weil die Nachfrage immer größer wird und ihr kleiner Laden im Bahnhofsviertel der Hauptstadt so langsam zu eng für die Nachfrage wird.

Wie alkoholfreies Bier

Auch für die Polizei ist das Thema noch Neuland. Wie der Pressesprecher Frank Stoltz auf Nachfrage des Tageblatt erklärt, wurden bisher „keine weiteren Erfahrungen mit der Substanz gemacht“. Demnach wurde auch noch keiner des Drogenbesitzes bezichtigt, der mit CBD-Marihuana herumlief. Genau wie das Gesundheitsministerium weist er aber darauf hin, dass das Produkt in Luxemburg „komplett legal“ ist. Der Konsument darf nach dem Konsum von CBD-Marihuana sogar Auto fahren. Stoltz vergleicht das mit alkoholfreiem Bier.

Die Drogenspürhunde der Polizei schlagen trotzdem an. Sie riechen die Terpene, ein weiterer Wirkstoff, der im Marihuana enthalten ist. Die Polizei kann aber über einen Schnelltest schnell klären, ob es sich um CBD-Marihuana oder seinen THC-haltigen „Bruder“ handelt.

Wie sich der Hype um das CBD entwickeln wird, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten oder möglicherweise Jahren zeigen. Christophe und Benjamin hoffen jedenfalls, dass es zu einer Entteufelung des Marihuanas in der luxemburgischen Gesellschaft führen wird.