Keine Beweise für Organentnahme

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Trotz intensiver Untersuchung gibt es keine Klarheit über Kriegsverbrechen im Kosovo. Die behauptete brutale Organentnahme bleibt weiter im Dunkeln. Das geplante Sondergericht steht in den Sternen.

Nach dreijähriger aufwendiger Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen im Kosovo zum Ende der 90er Jahre bleibt Clint Williamson viele Antworten schuldig. Im Auftrag der EU habe er herausgefunden, dass es Morde, Verschleppungen, Vertreibungen, sexuelle Gewalt und die Zerstörung von Kirchen massenhaft gegeben habe, sagte der US-Staatsanwalt am Dienstag in Brüssel. Doch die Namen der mutmaßlichen Täter dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit will er nicht nennen.

Nur soviel sagt er: Es handelt sich um einstige Rebellenführer, die später zu Spitzenpolitikern im Kosovo aufgestiegen sind. Ob der amtierende Regierungschef Hashim Thaci als ehemaliger Führer der albanischen Rebellenarmee UCK auch dazu gehört, bleibt weiter offen. In jedem Fall gehöre nicht die UCK als gesamte Organisation auf die Anklagebank, sondern nur einige ihrer führenden Köpfe. Es gehe um individuelle Missetaten, allerdings mit Wissen und Duldung der Rebellenführer.

Organhandel: „Eine Handvoll Fälle“

Noch verwirrender sind die Resultate von Williamson bei einem besonders heiklen Thema. Belgrad behauptet seit Jahren, dass rund 300 Serben von Albanern Organe entnommen worden sein sollen. Diese seien dann verkauft worden. Es gebe Hinweise, dass es „eine Handvoll“ solcher Fälle gegeben habe, sagt der Ermittler. Doch genügend Beweise dafür habe er (noch) nicht.

Der Schweizer Europaratsabgeordnete Dick Marty hatte diese Vorwürfe Ende 2010 erhoben, wobei auch er von einigen wenigen Fällen ausgegangen war. Die serbische Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre später einen angeblichen Kronzeugen präsentiert. Der beschrieb schauerliche Details, wie er einem Serben bei lebendigem Leib das Herz aus dem Körper geschnitten habe.

Zeichnungen waren schlecht

Die damals von diesem angeblichen Täter präsentierten Zeichnungen erreichten jedoch nicht einmal Grundschülerniveau. Die Darstellung des Herzens, der benutzten Instrumente oder die Skizze der Schnitte machten einen stümperhaften Eindruck. Auch zwei am Dienstag erneut befragte serbische Kardiologen, die anonym bleiben wollen, halten solche Operationen in der Wildnis des Kosovos und des benachbarten Nordalbaniens für „wenig wahrscheinlich“ oder sogar für „unmöglich“.

Wer einmal die Regionen besucht hat, in denen diese Verbrechen begangen worden sein sollen, hat wegen der völlig fehlenden Infrastruktur Zweifel, ob solche komplizierten medizinischen Eingriffe theoretisch machbar sind. Selbst in Belgrad, das traditionell um ein Vielfaches entwickelter ist als jede Region im Kosovo oder in Albanien, ist von 1999 bis zum letzten Jahr nicht ein einziges Herz transplantiert worden.

Doch alle geplanten Anklagen gegen mutmaßliche albanische Kriegsverbrecher scheitern noch daran, dass es kein Gericht gibt, an dem diese verhandelt werden können. Die demokratiepolitischen und bürokratischen Hürden für das in Den Haag geplante Kosovo-Tribunal sind in den Niederlanden noch nicht gemeistert. Und die notwendige Zustimmung der Kosovo-Regierung für ein solches Gericht liegt auf Eis, weil sie wegen verfassungsrechtlicher Querelen nur kommissarisch amtiert.