Europa, Italien und die Flüchtlingspolitik

Europa, Italien und die Flüchtlingspolitik

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Immer wieder sterben Flüchtlinge auf dem gefahrvollen Weg nach Europa. Viele von ihnen kommen über das Mittelmeer, nach Griechenland, Malta oder Italien. Rom fordert nun mehr Unterstützung.

Die Toten vor der Insel Lampedusa haben Italien entsetzt. Im Land herrscht Staatstrauer. Das wirft auch Fragen auf über die europäische Flüchtlingspolitik.

Wie hilft Europa Italien beim Umgang mit Flüchtlingen?

Mit Geld und mit Hilfe beim Grenzschutz. Für die Versorgung, Integration oder Zurücksendung von Flüchtlingen bekommt Italien im laufenden Jahr 137,7 Millionen Euro aus EU-Töpfen. Die EU-Grenzschutzorganisation Frontex patrouilliert bei mehreren Missionen im Mittelmeer. Die EU versucht zudem, mit den Herkunftsländern von Flüchtlingen zusammenzuarbeiten. So gibt es zum Beispiel ein Abkommen mit Marokko, das Menschenschmuggel verhindern und in begrenztem Umfang legale Einwanderung zulassen soll.

Was erwartet die italienische Regierung von Europa?

Innenminister und Vize-Regierungschef Angelino Alfano kündigte an, sich bei EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström und seinen Minister-Kollegen für zwei Anliegen stark zu machen. Zum Einen will er den Schutz der Grenze auf dem Meer durch europäische Flugzeuge und Schiffe verbessern. Zum Anderen fordert er eine Änderung der Dublin-Verordnung, die die Verteilung von Flüchtlingen in Europa regelt. „Wir werden laut unsere Stimme in Europa erheben, um die Regeln zu ändern, die die ganze Last der illegalen Einwanderung auf die Länder des ersten Eintritts abwälzen“, sagte er. Auch die Arbeit der Grenzschutzagentur Frontex kritisierte er als „nicht wirksam“.

Was sieht die Dublin-Verordnung vor?

Der Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström erklärt: „Die bedeutet, dass der Asylantrag von den Behörden des Landes geprüft werden muss, wo der Antrag gestellt wird.“ Das bedeutet de facto, dass Mittelmeeranrainer besonders von Flüchtlingsströmen betroffen sind, weil die Menschen dort zum ersten Mal EU-Boden betreten. In diesen Ländern kommen besonders viele Bootsflüchtlinge an, mit denen sich die Länder befassen müssen.

Im vergangenen Jahr sollen allerdings fünf Länder – Belgien, Deutschland, Frankreich, Schweden und Großbritannien – mehr als 70 Prozent aller Bewerber aufgenommen haben, die in der EU registriert wurden. Italien belegte im Jahr 2012 im EU-weiten Vergleich lediglich den achten Platz.

Welche Rolle hat Europa in der Flüchtlingspolitik?

Einwanderung ist in vielen Ländern ein heißes Eisen. Die nationalen Regierungen geben deshalb nur ungern Macht aus der Hand. Zudem gibt es keine Verpflichtung für Staaten, Flüchtlinge aus anderen EU-Ländern zu übernehmen. Die Mitgliedsländer stimmten bei der Reform der europäischen Asylpolitik in diesem Jahr zwar Mindeststandards für den Umgang mit Asylbewerbern zu. Tiefgreifendere Veränderungen, etwa an der Dublin-Verordnung, lehnten sie aber ab.

Wie geht Italien mit den Flüchtlingen um?

Das Land ist mit der Masse an Flüchtlingen meist überfordert, viele Auffanglager sind völlig überfüllt. Vor allem im offenen Durchgangslager auf Lampedusa herrschen Augenzeugenberichten zufolge schlimme Zustände. Flüchtlinge dürfen in Italien nur einige Monate in den Erstaufnahmelagern bleiben, danach werden viele von ihnen obdachlos. Plätze in staatlichen Unterkünften sind Mangelware.

Für Aufsehen sorgten nach der Tragödie von Lampedusa Berichte von Überlebenden, wonach ihnen italienische Fischer nicht geholfen hätten. Lampedusas Bürgermeisterin Guisi Nicolini verteidigte die Männer und kritisierte die italienischen Gesetze: „Die Fischer sind weitergefahren, weil unser Land schon Prozesse wegen der Förderung illegaler Einwanderung gegen Fischer und Reeder geführt hat, nachdem sie menschliche Leben gerettet haben“, sagte sie.