„Europa, ein Sanierungsfall“

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Europa ein "Sanierungsfall", einige EU-Länder "kaum regierbar": Energiekommissar Günther Oettinger hat mit einer Brandrede zum Zustand der Europäischen Union für Aufsehen gesorgt.

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), und die deutschen Grünen kritisierten Oettingers EU-Schelte am Mittwoch scharf, während der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul, die Äußerungen ausdrücklich begrüßte.

Oettinger war am Dienstag als Gastredner auf der Jahreshauptversammlung der Deutsch Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer aufgetreten, die in einem Werk des Autoherstellers Audi südlich von Brüssel stattfand.

„Erziehungsanstalt EU“

Wie die „Bild“-Zeitung am Mittwoch berichtete, sagte der CDU-Politiker, die EU habe „die wahre schlechte Lage noch immer nicht genügend erkannt“. Statt die Wirtschafts- und Schuldenkrise zu bekämpfen, führe sich Europa als „Erziehungsanstalt“ für den Rest der Welt auf. Der Kontinent sei aber selbst ein „Sanierungsfall“.

Oettinger griff laut „Bild“ explizit Bulgarien, Rumänien und Italien an. Diese Länder seien „im Grunde genommen kaum regierbar“. Auch mit Frankreich ging der EU-Kommissar hart ins Gericht: Das Land benötige Reformen nach dem Vorbild der deutschen Agenda 2010 – Rentenkürzungen, längere Lebensarbeitszeiten sowie weniger Staatsbedienstete. In Frankreich gebe es „keinen Mittelstand und wenig Innovation“.

„Persönliche Bedenken“

Am Mittwochnachmittag ruderte Oettinger – anscheinend überrascht vom großen Medieninteresse – zurück: Er habe lediglich seine „persönlichen Bedenken“ zur Lage Frankreichs geäußert und dargestellt, dass die EU-Regierungen für die schwierigen Reformprozesse auf Mehrheiten daheim angewiesen seien, erklärte der Kommissar.

Europaparlamentspräsident Schulz hatte Oettingers Rede zuvor in der Zeitung „Welt“ kritisiert. „Wer die EU als Erziehungsanstalt bezeichnet, sollte sich nicht selbst wie ein Oberlehrer aufführen.“ Dem Kommissar sei wohl der „Gaul durchgegangen“. Bei allen Problemen, die es in Frankreich gebe: „Woran kein Bedarf besteht, sind Ratschläge von Herrn Oettinger.“

Rückendeckung erhielt Oettinger vom Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Reul. „Über die Wortwahl kann man streiten, aber man muss doch Probleme auch ansprechen können“, sagte Reul der Nachrichtenagentur AFP. Das Beispiel Griechenland zeige, was passiert, wenn unangenehme Wahrheiten zu lange unausgesprochen blieben.