Ein Casting der besonderen Art

Ein Casting der besonderen Art
(AP/David Vincent)

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Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande will seine Regierung umbauen. Er sucht eine schlagkräftige Mannschaft für den Wahlkampf.

Erwartet war eine neue französische Regierung bereits zum Jahresende, nach den Regionalwahlen vom 6. Und 13. Dezember. Jetzt könnte sie in dieser oder in der nächsten Woche oder Anfang Februar kommen. Irgendwann nach dem 21. Januar, dem jahresempfnag für das diplomatische Corps kommt sie sicher. Es wird eine Mannschaft, die sich keine grabenkämpfe mehr leisten soll, die auf Linie liegt und dem Staatspräsidenten den Weg zu seiner Wiederwahl bereiten soll.

Francois Hollande muss dabei eine Reihe von Gegebenheiten beachten. Soll er die Grünen wieder in das Kabinett nehmen, die es doch unter Protest gegenseine Budget Politik verlassen haben? Wird er den linken Flügel in den Sozialisten einbinden und ihn stärker in der Regierung berücksichtigen? Andererseits: Er braucht neue, junge Gesichter in der Politik. Die Umfragen zeigen, dass die Franzosen die Nase voll haben von den Politprofis wie etwa Michel Sapin, der davon redet, dass Frankreich spart, aber gar nicht deutlich, wo Frankreich spart. Vielmehr gibt die Regierung nur weniger Geld aus, als ihr erlaubt ist.

Pariser Gerüchteküche

Finanzminister Michel Sapin gehört in der Pariser Gerüchteküche zu denen, die ihr Amt verlassen sollen. Sapin ist seit Monaten bereits im Gespräch, in den verfassungsrat zu wechseln. Dessen Vorsitzender, Michel Debré geht demnächst in den Ruhestand. Sein Nachfolger soll eine der Stützen der französischen Politik werden, sagt die Gerüchteküche. Außenminister Laurent Fabius soll oberster Verfassungshüter werden.

Auch der Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll soll sein Amt aufgeben. Mit Ruhm hatte er sich nicht gerade in der Krise der Milchbauern, der Schweine- und Rinderzüchter bekleckert. Er hatte die Demonstrationen nicht kommen sehen und hatte am Ende auch keine Lösungen zur Hand. Der Hühne Le Foll soll die Wahlkampfstrategie von Hollande entwickeln, heißt es. Auch die Wohnungsbauministerin Sylvia Pinel wird die Regierung verlassen. Sie wird erste Vizepräsidentin der neu gegründeten Region Languedoc-Roussillon-Midi-Pyrénées, bleibt aber Abgeordnete der Nationalversammlung.

Vier Minister würden verschwinden

Aus der derzeitigen Regierung würden damit vier Minister verschwinden. Kopfzerbrechen machen aber zwei andere Minister, deren Schicksal für die Regierung, für die Sozialisten und für die Wiederwahl des Staatspräsidenten entscheidend sind.

Die eine ist Christiane Taubira. Sie ist umstritten in der Regierung. Sie ist umstritten bei den Sozialisten. Die dem linken Flügel zuzurechnende Ministerin hat in Frankreich eine eher liberale Politik eingeführt. Ihre Fußfessel wird kritisiert in einem Land, das die Leute lieber ins Gefängnis steckt. Ihre Reform der Richterschaft verschwand in einer Schublade und gegen die von Francois Hollande gewünschte Aberkennung der Staatsbürgerschaft im Terrorismusfall – wenn es sich um die zweite Staatsangehörigkeit handelt – machte sie öffentlich Front.

Taubira, eine starke Frau

Christiane Taubira ist eine starke Frau, eine beeindruckende Politikerin mit großem Redetalent. Staatspräsident Hollande und Ministerpräsident Valls würden sich gerne von ihr trennen, können aber nicht, weil Taubira außerhalb der Regierung ein Gefahr wäre.

Die andere Gefahr ist Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Der für Liberalität stehende, stark von den deutschen Sozialdemokraten beeinflusste Minister ist der „Wilde“ in der Regierung. Wenig kontrollierbar, stets für politische Wahrheiten gut, die die „political correctness“ stören. Macron ist von Francois Hollande und Manual Valls stark eingegrenzt worden. Sein umfassendes zweites Reformgesetz wird von ihm nicht mehr vertreten. Die Staatssekretärin für die Digitalisierung der Wirtschaft vertritt diesen Teil des Gesetzes. Die Arbeitsministerin vertritt den Teil der Arbeitsgesetzgebung. Für Macron bleibt nichts.

Die Dauer-Auseinandersetzung

Hinzu kommt eine Dauer-Auseinandersetzung zwischen dem Premierminister und de Wirtschaftsminister, beide Alphatiere mit unterschiedlichem Charakter. „Den Terrorismus bekämpft man mit der Wirtschaft“, sagt Macron. „Den Terrorismus bekämpft man mit Sicherheit“, sagt entnervt der Premierminister und macht deutlich, dass Emmanuel Macron lieber nichts gesagt hätte. Dabei haben beide dasselbe Ziel: Frankreich zu entstauben.

Die Situation mit dem Wirtschaftsminister ist nicht ungefährlich für den Staatspräsidenten. Macron ist wirtschaftlich unabhängig, braucht den Ministerjob nicht zum Leben. Macron hat immer deutlich gemacht, das er nicht an einem Amt hängt. Aber: Macron ist genau das Gesicht, das die Franzosen in der Politik mögen. Sein Sympathiewert liegt mit 53 Punkten weit vor dem des Premierministers und des Staatspräsidenten. Der Ex-Bankier Macron hat andererseits bereits gezeigt, dass er nicht an Ämtern hängt.

Linkere oder liberale Politik

Gegenüber Hollande hatte er sich das Amt des Arbeitsministers gewünscht als es frei wurde. Als er es nicht bekam, gab er den Posten des Präsidentenberaters auf und ging. Im Gespräch ist nun, seinen Arbeitsbereich zu erweitern.
Die Regierung zu verändern mag derzeit ein schöner Wunsch des französischen Staatspräsidenten sein.

Es gibt aber sicher leichtere Aufgaben als die, vier Minister zu ersetzen und zwei Schwergewichte der französischen Politik bei der Stange zu halten und sich dann noch zu entscheiden, ob man bis zur Wahl eine linkere oder liberalere Politik macht.