X Varianten, hinfällig gewordene Gründe für die Trasse, die mittlerweile anders heißt, nämlich „Contournement de proximité“, Waldbesetzungen von jungen Aktivisten und Unsicherheiten auf Bürgerseite sind das eine. Die administrativen Rollen vor- und rückwärts sowie umstrittene Genehmigungen auf Regierungsseite sind das andere.
Um das Contournement wird geschachert wie auf einem orientalischen Bazar. Zuletzt hat Umweltminister Serge Wilmes (CSV) die Variante genehmigt, bei der ein Industriebetrieb umgesiedelt werden muss, damit endlich die Bagger rollen können. Die Vertreter der „Biergerinitiativ Gemeng Suessem” (BIGS) schäumen. Seit dem 24. April hängt die Genehmigung des Umweltministeriums aus.
Gegner des Projekts haben 40 Tage Zeit, Klage gegen das Projekt einzureichen, was die BIGS voraussichtlich tun wird, wie ihre Sprecherin Patrizia Arendt auf Anfrage mitteilt. „Das Ganze ist Augenwischerei“, sagt sie im Namen der Projektgegner. Zwar hat die BIGS als Asbl. gerade einmal 16 stimmberechtigte assoziierte Mitglieder, dafür aber umso mehr Sympathisanten und Kooperationspartner.
An 250 Menschen geht der Newsletter der Bürgerinitiative und immer wieder haben Mitglieder der Südgruppe von des „Mouvement écologique“, von „natur an Ëmwelt Gemeng Suessem“, Greenpeace und Umweltaktivisten beim Widerstand gegen die jeweiligen Trassen mit der BIGS kooperiert. Jetzt sind mit der Genehmigung Fakten geschaffen, die für die BIGS nur schwer erträglich sind und auch schon Parlamentarier beschäftigten.
Warum diese Trasse und nicht eine der anderen wesentlich umweltverträglicheren, die seit Jahren im Gespräch sind?, fragte der „déi Lénk“-Abgeordnete David Wagner kürzlich in einer parlamentarischen Anfrage. Wagner legte erneut den Finger in das ursprüngliche Motiv für den Bau der Straße. Das waren zunächst die Schadstoffbelastung sowie die große Anzahl an PKWs und LKWs im Ortskern von Bascharage.
Mit der Installation eines permanenten, von der EU homologierten Messgeräts wurden sie nach unten korrigiert und liegen sogar noch unter den EU-Richtwerten. Damit war die ursprüngliche „raison impérative d’intérêt public majeur“, der die Eingriffe in ein Natura-2000-Gebiet rechtfertigen sollte, hinfällig. Bei einem im August 2018 gesetzlich verabschiedeten Gesamtvolumen von 139 Mio. Euro für die Umgehung, es sind Steuergelder, kann man sich diese Fragen stellen.
Neues Motiv soll Eingriffe rechtfertigen
Außerdem hat es seitdem neue Indextranchen gegeben und die Entschädigung für die Umsiedlung des Industriebetriebes kommen hinzu, es wird also teurer. Die neue „Raison” liegt nun darin, dass die aktuell genehmigte Trasse gut in den Nationalen Mobilitätsplan 2035 eingebettet ist, die Auswirkungen auf die Natur weniger seien und die weitere Erschließung der Gewerbezone „Op Zaemer“ unkompliziert ermöglicht werde.
Bei zuvor diskutierten Varianten gibt es Sicherheitsmängel und technische Probleme. Das geht aus der Antwort von Mobilitätsministerin Yuriko Backes (DP) auf die parlamentarische Anfrage im April 2024 hervor. Zurück zur Genehmigung, die seit zwei Tagen öffentlich aushängt, auf die Bürger bis zum 3. Juni 2024 reagieren können. Damit verbunden sind drei „règlements grand-ducaux“. Das erste betrifft die Anerkennung des „Bobësch“ als Natura-2000-Zone und damit eine Ausweitung des Schutzgebietes. Im „Bobësch“ und dem benachbarten „Zaemerbësch“, der schon seit 2008 Natura-2000-Zone ist, sollen 5,18 Hektar dem Bau der Umgehungsstraße weichen. Das zweite „règlement grand-ducal“ regelt die Abholzaktion – zum Unmut der BIGS. „Sie können nicht gleichzeitig den Bobësch-Wald schützen wollen und beschließen, eine Anzahl Hektar durch den Bau der Straße zu zerstören“, argumentiert die BIGS. „Wir werden dieses Reglement ablehnen.“
Nicht nur der Wald in Gefahr
Das dritte Reglement betrifft das Feuchtgebiet „Dreckwiss“ zwischen Niederkorn und Sanem, durch das die Auffahrt zum neuen Contournement verlaufen soll. Es genießt als Biotop seit 2002 nationalen Schutz, weshalb dort nicht gebaut werden darf. Das Contournement-Reglement erhebt Teile der „Dreckwiss“ zur Ausnahme. „Es wurde schon verstümmelt durch den Bau der A 13 und die Industriezone „Hanebësch“, sagt BIGS-Sprecherin Arendt. „Jetzt wird dort wieder eingegriffen.“
Das scheint umso schlimmer, als das Feuchtgebiet historisch gewachsen und auf Karten aus dem 18. Jahrhundert belegt ist. Außerdem ist es mit Bäumen, besonderer Flora, Fauna und Vögeln ein wichtiger Ausgleich zwischen dichter Besiedelung und Natur. Dieses Reglement muss die Gemeinderäte von Käerjeng und Sanem passieren und die BIGS hat ihre Stellungnahme bzw. den Einspruch schon verschickt, wie es auf Nachfrage heißt.
In einem zweiten Schritt hat die BIGS in einem im März 2024 versandten Brief an die EU-Kommission eben diese darauf aufmerksam gemacht, dass bei dem Projekt „Contournement“ in ihren Augen vieles nicht EU-Direktiven-konform ist. Die Hauptkritik bleibt: Im Laufe der Jahre hat sich, angefangen vom Wechsel von der „raison impérative d’intérêt public majeur“ bis hin zur Trassenführung, so viel geändert, dass alle vorliegenden Berechnungen und Argumente nicht mehr stimmen. Deswegen will die BIGS Klage einreichen, deren Vorbereitung nach eigenen Angaben auf Hochtouren läuft.
"Nicht nur der Wald in Gefahr" Auch die Quelle aus der Eiszeit? Bofferding sollte sich wehren.