Lycée Bel-Val„Wir leben hier Inklusion, wie sie sein soll“: Zu Besuch beim Fitnessklub Iron Sparks

Lycée Bel-Val / „Wir leben hier Inklusion, wie sie sein soll“: Zu Besuch beim Fitnessklub Iron Sparks
Kurze, intensive Trainingseinheiten treiben bei Iron Sparks den Puls in die Höhe.  Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Sport ohne Grenzen – diese Idee steht im Zentrum eines besonderen Sportprogramms im Lycée Bel-Val. Die Gründerinnen von „Iron Sparks“, Mandy Loes und Sybille Blitgen, stellen ihren Klub vor.

Von außen wirkt das Lycée Bel-Val am Samstagmorgen ziemlich verlassen. Verständlich, da ja auch keine Schulkurse an diesem Morgen stattfinden. Doch im Untergeschoss des Gebäudes schallen einem Anfeuerungsrufe, Musik und Trainingsgeräusche entgegen.

Der Fitnessklub „Iron Sparks“ bietet hier am Samstagmorgen sowie unter der Woche an mehreren Abenden hochintensives Training an. Das Besondere am Verein: Hier ist jeder ausdrücklich willkommen, egal, welche körperlichen oder geistigen Besonderheiten die Sportler und Sportlerinnen mit sich bringen.

Gegründet wurde der Verein vor zweieinhalb Jahren von Mandy Loes und Sybille Blitgen, die auch die Kurse leiten. Sie sind beide Englischlehrerinnen, Loes im Lycée Guillaume Kroll, Blitgen im Lycée Bel-Val.

„Daher kommt auch die Bindung an die Schule“, erklärt Blitgen. Das Konzept für ihren Fitness-Klub ist aus einer Initiative während der Covid-Zeit entstanden, als die beiden online Trainingstipps gaben. „Danach wollte ich Nägel mit Köpfen machen und bin mit einem ausgearbeiteten Plan zu meiner Direktorin gegangen. Denn auch die Schule profitiert: Für die Kurse des Klubs dürfen zwar Externe teilnehmen, doch auf der 4e bieten wir eine Functional-Fitness-Option, Crossfit, als reguläres Fach neben dem Sport an. Hier wird das Training also Teil des Unterrichts.“ Das Programm wurde vom Bildungsrat angenommen und die Schule kam für die Grundausstattung auf.

Die beiden Gründerinnen: Sybille Blitgen und Mandy Loes
Die beiden Gründerinnen: Sybille Blitgen und Mandy Loes Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Von der Schule unterstützt

„Seitdem wurde noch einiges dazugekauft. Das haben wir über die Mitgliedereinnahmen sowie einzelne Sponsoren finanziert. Wir achten aber darauf, dass die Preise für die Kurse in einem erschwinglichen Rahmen bleiben. Es soll hier niemand ausgeschlossen werden, nur weil der Sport zu teuer ist“, betont Blitgen. Im Gegensatz zu einem üblichen Sportklub sind die Kursleiter auch nicht angestellt, sondern engagieren sich freiwillig. Manche Trainer und Trainerinnen waren vorher selbst Kursteilnehmer. Normalerweise finden die Kurse draußen statt, doch wenn es zu kalt ist oder in Strömen regnet, wird der Flur des Schulgebäudes kurzum zum Trainingsraum umfunktioniert.

Blitgen hat das hochintensive Fitnesstraining selbst vor knapp acht Jahren in den sozialen Medien entdeckt. Loes selbst kommt aus dem Leistungssport. Sie war vor der Uni im Kunstturnen aktiv und suchte nach dem Berufseinstieg nach einem sportlichen Ausgleich. Doch in den üblichen Fitnesskreisen fühlte sie sich nicht wohl.

Mit „Iron Sparks“ wollten sie und Mandy Loes „einen Ort erschaffen, wo jeder herkommen kann, ohne Angst haben zu müssen, diskriminiert oder selbst angeschaut zu werden“. Weg von Klischees und Stereotypen, die viele Fitnessstudios dominieren. „Es geht hier nicht darum, zum Muskelmann oder zur Muskelfrau zu werden, sondern einfach darum, sich fit zu halten – und Menschen zu treffen.“ Jeder sei willkommen, „egal ob dick, dünn, mit einer Behinderung oder ohne, LGBTQIA+, blauhäutig oder grünkariert“. 

Barrierefreiheit, gegenseitige Unterstützung und Akzeptanz liegen beiden Frauen enorm am Herzen. Um ihren Sport so inklusiv wie möglich zu gestalten, tauschen sie sich regelmäßig mit Organisationen wie dem Luxemburger Paralympischen Komitee, Tricentenaire und Trisomie 21 aus.

„Wir leben hier Inklusion, wie sie sein soll“, sagt Blitgen stolz. „Das hier ist ein Projekt, das auch in andere Schulen und Gemeinden weitergetragen werden soll. Wir können anderen Fitnessklubs Tipps geben, wie sie Menschen mit einer Behinderung in ihren Sport einbinden können.“ Viel zu oft höre man, dass die Inhaber Angst haben, die betroffenen Personen könnten sich verletzen, oder sie wissen schlicht nicht, wie damit umgehen. „Genau da können wir helfen.“ Ihr Ziel sei nicht „da gibt es einen Klub, da können Menschen mit einer Behinderung hin“, sondern dass sich die Sportvereine dafür einsetzen, wirklich inklusiv zu werden. „Nur gemeinsam kommen wir weiter.“

Mandy Loes erklärt die Trainingsübungen am Samstagmorgen
Mandy Loes erklärt die Trainingsübungen am Samstagmorgen Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Einzelbetreuung

Da sich Functional Fitness auf Bewegungsabläufe konzentrierte, lasse sich die Sportart leicht auf die Bedürfnisse Einzelner anpassen. „Doch prinzipiell ist Inklusion bei jedem Sport möglich. Man muss vor allem mit den Betroffenen selbst kommunizieren. Fragen, wo die Limits sind, und dann gemeinsam ausarbeiten, wie man damit umgehen kann“, erklärt Loes. Kurz nach dem Interview leitet sie den ersten Trainingskurs und lebt vor, was sie erklärt.

Die 33-jährige Cynthia hat ihr Unterbein vor zwei Jahren bei einem Motorradunfall verloren und nun eine Prothese. Als eine der Beinübungen, die an diesem Samstag auf dem Programm stehen, nicht möglich scheint, beraten sich die Trainerin und die Sportlerin kurz, ehe Cynthia mit einer leicht abgewandelten Version beginnt. Bei der nächsten Übung wird der Bewegungsablauf für die im Rollstuhl sitzende Melanie geändert. Die anderen Teilnehmer warten jeweils geduldig auf die Absprachen oder beginnen die eigenen Durchläufe, wenn sie die Übung schon kennen. Niemand wird offensichtlich ungeduldig, wenn mal eine Unterredung kurz länger dauert oder jemand das Training nicht so schnell absolviert wie andere. „Der Vorteil von den kleinen 12er-Gruppen ist, dass man sich auf jeden Einzelnen konzentrieren kann.“


Das sagen die Mitglieder

Mireille
Mireille Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Mireille ist seit neun Monaten mit dabei und hat mit Functional Fitness ihre neue Leidenschaft entdeckt. „Am Anfang kam ich nur einmal die Woche. Dann durfte ich mehrmals kommen. Und jetzt sogar täglich. Aber ich musste versprechen, dass ich mich nicht überanstrenge und Bescheid gebe, wenn ich mich nicht gut fühle.“ Man passe im Klub auf sie auf. „Fast wie eine Familie.“


Melanie
Melanie Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Die 28-jährige Melanie kommt zum „Abschalten“ zweimal die Woche zum Sport. Ihre Chefin habe ihr vom Klub erzählt, nachdem sie sich in traditionellen Fitnessklubs nicht wohlgefühlt habe.


Cynthia (33) hat an diesem Samstag auch ihre Schwester Ornella und ihre Mutter Alphonsine zum Sport überredet. Alle drei streichen hervor, wie „mega inklusiv“ der Klub sei. Ähnliche Worte findet auch David (27), der sich vor allem „nicht verurteilt und sehr unterstützt“ fühlt.

Cynthia
Cynthia Foto: Editpress/Didier Sylvestre
David
David Foto: Editpress/Didier Sylvestre