Die Blackbox wird ausgewertet

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Der Unglückszug in Spanien ist nach bisherigen Erkenntnissen viel zu schnell in eine Kurve gefahren. Doch warum? Die Ermittler hoffen auf die Blackbox und die Vernehmung des Lokführers.

Der Lokführer spielt eine zentrale Rolle bei der Aufklärung der Zugkatastrophe in Spanien. Zudem hoffen die Ermittler auf die Blackbox. Nach Medienberichten von Freitag wird der aus Trümmern geborgene Datenschreiber inzwischen ausgewertet. Mit Spannung wird auch die Vernehmung des Lokführers Francisco José Garzón erwartet. „Ich habe es vermasselt, ich möchte sterben“, soll der 52-Jährige kurz nach dem Unglück nach einem Bericht der Zeitung „El Mundo“ gesagt haben. Die Polizei hatte Garzón bereits am donnerstag unter dem Vorwurf der Fahrlässigkeit im Krankenhausbett festgenommen. Medienberichten vom Freitagabend zufolge lag Garzón, der beim Unfall eine Kopfverletzung erlitt, noch im Krankenhaus unter Polizeiaufsicht und verweigerte am Freitag seine Aussage.

Die Regional-Zeitung „La Voz de Galicia“ berichtete unter Berufung auf Ermittler, der Zug sei Mittwochabend wenige Kilometer vor der Einfahrt in die Station von Santiago de Compostela im Tempo-80-Bereich mit 190 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen. Nach anderen Berichten hat der Lokführer diese überhöhte Geschwindigkeit eingeräumt. Der bei dem Crash leicht verletzte Mann lag am Freitag noch unter Polizeiaufsicht in einem Krankenhaus in Santiago.

In Lebensgefahr

Das schwere Zugunglück im Nordwesten Spaniens hat am Mittwoch weniger Menschenleben gefordert als bislang angenommen. Bei dem schwersten Eisenbahnunglück seit mehr als 40 Jahren kamen 78 Menschen ums Leben. „Wir haben bis jetzt 78 Leichen“, teilte die Kriminalpolizei des Landes am Freitag am Unglücksort in Santiago de Compostela mit. Ein Sprecher der Regierung der Autonomen Region Galicien, die bisher von 80 Toten gesprochen hatte, erklärte auf Anfrage, die von der Polizei genannte Zahl sei wohl die korrekte. 178 Fahrgäste wurden verletzt. Wie die Regionalregierung von Galicien mitteilte, lagen am Freitag noch 87 Menschen in Krankenhäusern. Der Zustand von 32 Verletzten, darunter drei kleine Kinder, sei kritisch, hieß es. Bislang hätten 67 Todesopfer identifiziert werden können. Unter ihnen sind nach verschiedenen amtlichen Angaben vier Ausländer: ein Amerikaner, eine Dominikanerin, eine Mexikanerin und ein Kolumbianer.

Beim Besuch von Verletzten im Hospital Clínico von Santiago äußerte Spaniens König Juan Carlos die Hoffnung, dass die Tragödie dazu beiträgt, eventuelle Probleme des spanischen Eisenbahnsystems zu lösen. „In diesem Augenblick halten alle Spanier zusammen“, sagte er.

Lokführer versus Ministerin

Wie die zu hohe Geschwindigkeit zu erklären ist, mit der der Zug nach bisherigen Erkenntnissen in die Kurve vier Kilometer vor dem Bahnhof des Wallfahrtsortes einfuhr, ist weiter unklar. Die staatliche Bahngesellschaft Renfe warnte vor vorschnellen Folgerungen. Die Lokführer-Gewerkschaft Semaf nahm den Lokführer in Schutz und erklärte, das Sicherheitssystem kurz vor Santiago beim Übergang von Hochgeschwindigkeits- auf Normalstrecke sei ungeeignet. Bau- und Verkehrsministerin Ana Pastor wies dies zurück.

Die Katastrophe nahe der Pilgerstadt Santiago war das erste tödliche Unglück im Hochgeschwindigkeitsnetz der spanischen Bahn. Der Wallfahrtsort, der das Ziel des Jakobsweges bildet, sagte alle Feiern zu Ehren des Heiligen Jakobs am Wochenende ab. Ministerpräsident Mariano Rajoy ordnete für Spanien eine offizielle Trauer von drei Tagen an.

Der Unglückszug befand sich am Mittwoch auf der Fahrt von Madrid zur Küstenstadt Ferrol im Nordwesten des Landes. Die Waggons des Zuges wurden bei dem Unglück auseinandergerissen und sprangen aus den Schienen. Einige Wagen prallten neben den Gleisen gegen eine Betonwand und stürzten um, andere Waggons verkeilten sich ineinander. Ein Wagen flog sogar über die Begrenzungsmauer hinweg. Die Katastrophe erinnerte an das ICE-Unglück von Eschede 1998.