„Die Belgier dürfen stolz auf sich sein“

„Die Belgier dürfen stolz auf sich sein“
(AFP)

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"Lasst uns jetzt nicht anfangen, den Belgiern Lektionen zu erteilen." EU-Kommissionspräsident Juncker wehrt sich gegen das allgemeine Belgien-Bashing zurzeit.

„Die Terroristen wollten Europa in seinem Herzen treffen.“ Der Anschlag auf die Metrostation lasse keinen anderen Schluss zu. Diese liegt in unmittelbarer Nähe zum Gebäude der Eruopäischen Kommission. „Sie (die Attentäter) haben die Werte und die Prinzipien Europas angegriffen“, sagt Juncker im Interview mit dem „Le Soir“ (Donnerstagsnummer).

Er selber sei „traurig, aber nicht verzweifelt“, verrät der Ex-Premier Luxemburgs. Hoffnung hat ihm die Jugend gemacht, wie sie an der place de la Bourse gesungen hat. „In einer Zeit, die nicht zur Toleranz einlädt“, hätten diese jungen Menschen das Gegenteil gezeigt, nämlich „eine Toleranz, die von Mut zeugt“.

„Wer im Glashaus sitzt …“

Juncker setzt ein Zeichen gegen die Tendenz, nach den Anschlägen, ganz Belgien an den Pranger zu stellen: „Die Belgier dürfen stolz auf sich sein.“ Man solle sich davor hüten, nun mit erhobener Nase auf das Land herabzuschauen. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Juncker verweist so auf die europäische Geschichte, in der Terrorismus lange Jahre in vielen Ländern allgegenwärtig war.

Doch etwas hat sich geändert, und Juncker versucht dieser Frage auf den Grund zu kommen. „Die Terroristen von damals waren Menschen wie wir.“ Jetzt komme eine neue Dimension hinzu: „Es handelt sich um religiöse Fanatiker, die Namen tragen, die nicht belgisch, nicht luxemburgisch, nicht französisch sind.“ Es sehe so aus, als hätten wir es mit einem importierten Terrorismus zu tun. „Doch seien wir ehrlich“, sagt Juncker, „diese Menschen sind hier aufgewachsen. Oft sind sie sogar hier geboren. Sie sind hier zur Schule gegangen.“ Sie gäben den „Anschein, als seien sie von woanders, aber sie sind von hier“.

Warnung vor allzu einfachen Antworten

Doch wessen Fehler ist das? Juncker warnt vor zu einfachen Antworten. Alle europäischen Länder täten sich schwer mit Integration. „Es ist unser Fehler. Es ist aber auch der Fehler jener, die sich allen Anstrengungen einer nationalen Gemeinschaft widersetzen, jene aufzunehmen, die zwar von woanders herkommen, aber hier leben“.

Dem Vorwurf des französischen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, der Fehler sei gewesen, den christlichen Glauben nicht in der Europäischen Verfassung zu verankern, tritt der Kommissionspräsident entschieden entgegen. Den Eindruck zu erwecken, „unser Problem rühre daher, dass wir nicht genug auf christliche Werte pochen“ , hält Juncker für eine „gefährliche Vereinfachung“. Er sei ein „homme de communion“, stellt Juncker klar. Dann wirft der „Soir“ die Frage nach der Naivität auf. Die Antwort fällt ebenso knapp wie prägnant aus: „Je préfère être naïf que nocif.“