Brüssel: Schluss mit Grenzkontrollen

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Die Kontrollen im eigentlich reisefreien Schengen-Raum sollen nach dem Willen der EU-Kommission vor Jahresende wieder aufgehoben werden. Voraussetzung dafür ist allerdings ein besserer Grenzschutz.

Schluss mit den Grenzkontrollen innerhalb Europas wegen der Flüchtlingskrise bis Jahresende: Dieses Ziel hat die EU-Kommission ausgegeben und dazu vor dem Sondergipfel am Montag einen ehrgeizigen „Fahrplan“ für eine Rückkehr zu einem normal funktionierenden Schengenraum erstellt. Bis Dezember sollen die EU-Länder demnach alle Grenzkontrollen wieder aufheben, weil sonst auf Dauer Milliardenkosten für Europas Wirtschaft drohen.

Sieben Schengen-Länder kontrollieren derzeit ihre Grenzen:

Deutschland hat am 13. September 2015 Grenzkontrollen eingeführt. Ein besonderer Fokus liegt auf der deutsch-österreichischen Grenze. Der Antrag wurde mehrmals verlängert und besteht derzeit bis zum 13. Mai. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat aber bereits angekündigt, dass er die Kontrollen auf unbestimmte Zeit verlängern will.

Auch Belgien hat am 23. Februar an der Grenze zu Frankreich Grenzkontrollen eingeführt. Die Regierung will verhindern, dass Migranten nach der Räumung des Flüchtlingslagers in Calais nach Belgien kommen. Kontrollen sind aktuell bis zum 23. März vorgesehen.

In Österreich werden seit dem 16. September die Grenzen kontrolliert; besonders stark werden Einreisende aus Slowenien geprüft. Der Antrag wurde zunächst bis zum 16. März verlängert.

Schweden kontrolliert seit dem 12. November seine Grenzen, vor allem die Häfen im Süden und Westen und die Öresund-Brücke zwischen Dänemark und Schweden. Kontrollen sind derzeit bis zum 8. April geplant.

In Norwegen werden seit dem 26. November die Grenzen kontrolliert, was derzeit bis zum 15. März weitergeführt werden soll.

Auch Dänemark hat am 4. Januar Grenzkontrollen eingeführt. Dänemark plant derzeit, Einreisende bis zum 3. April zu prüfen.

Frankreich ist ein Sonderfall. Das Land hat nicht wegen der Flüchtlingskrise sondern angesichts der Terroranschläge vom 13. November Grenzkontrollen eingeführt und will diese bis zum 27. März weiterführen.

Weitere Länder, etwa Malta, Ungarn und Slowenien, hatten im vergangenen Jahr kurzzeitig Grenzkontrollen eingeführt.

Innerhalb des Schengenraums aus 26 Staaten gibt es normalerweise keine Kontrollen. Bürger können frei reisen, und im Güterverkehr gibt es keine Wartezeiten durch Staus bei der Grenzabfertigung. Wegen der Flüchtlingskrise haben derzeit sechs Länder interne Kontrollen. Hinzu kommt Frankreich, das dies mit der Terrorgefahr begründet. Die Kontrollen hinderten EU-Bürger nicht nur am freien Reisen, „sie haben auch bedeutende wirtschaftliche Kosten“, erklärte die Kommission am Freitag. Sie schätzt alleine die direkten Kosten für die europäische Wirtschaft auf fünf bis 18 Milliarden Euro pro Jahr.

Allein bei Mitgliedstaaten wie Deutschland, Polen und den Niederlanden würden zusätzliche Kosten im Straßentransport Brüssel zufolge mit 500 Millionen Euro pro Jahr zu Buche schlagen. Und im Tourismus würden jährlich 13 Millionen Übernachtungen verloren gehen, was Einbußen von 1,2 Milliarden Euro zur Folge haben werde. Regierungen müssten zudem 1,1 Milliarden Euro wegen zusätzlicher Kosten für Grenzkontrollen aufbringen.

Schengen-Außengrenze in Griechenland

Voraussetzung für eine „Rückkehr zu Schengen“ sei, dass die „schwerwiegenden Mängel“ beim Schutz der Schengen-Außengrenze in Griechenland beseitigt würden, sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Um dies zu erreichen, drückt die Kommission nun auch beim Aufbau einer EU-Grenz- und Küstenschutzbehörde aufs Tempo. Diese soll bis spätestens September „voll einsatzfähig“ sein, davor sollen vorerst die Mitgliedstaaten mehr Grenzschützer nach Griechenland schicken.

Der Fahrplan sieht auch vor, dass Asylbewerber möglichst bald nach den Dublin-Regeln wieder nach Griechenland zurückgeschickt werden, wenn sie in andere Länder weitergereist sind. Bisher ist dies häufig nicht der Fall, weil Gerichte erhebliche Defizite im griechischen Asylsystem festgestellt haben. Die Kommission verlangt zudem ein Ende des „Durchwinkens“ von Flüchtlingen etwa entlang der Balkanroute. In der Pflicht steht für Brüssel aber auch die Türkei, mit der die EU einen Aktionsplan vereinbart hat. Dieser sieht einen verstärkten Grenz- und Küstenschutz sowie einen entschlossenen Kampf gegen Schlepper vor. Damit soll die ungesteuerte Einwanderung in die EU gestoppt werden, doch die schon Ende November vereinbarte Partnerschaft hat bisher aus EU-Sicht die Zahlen der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge nicht ausreichend gesenkt.

Sondergipfel mit der Türkei

Der gleichfalls für Montag vorgesehene Sondergipfel mit der Türkei sei deshalb „entscheidend“, um Fortschritte zu erzielen, sagte Avramopoulos. Vor dem Treffen liefen intensive Sondierungen mit der türkischen Regierung – EU-Ratspräsident Donald Tusk sollte am Freitag in Istanbul auch mit Präsident Recep Tayyip Erdogan zusammenkommen. Avramopoulos wollte einen Bericht der „Financial Times“ (Freitagsausgabe) nicht bestätigen, dass bei dem Gipfel eine Vereinbarung getroffen werden solle, nach der die Türkei alle in Griechenland ankommenden Flüchtlinge außer Syrern zurücknimmt.

„Diejenigen, die ein Recht auf internationalen Schutz haben, werden ihn bekommen“, sagte der EU-Kommissar. „Die anderen werden zurückgeschickt.“ In ihrem Fahrplan fordert die EU-Kommission alle EU-Mitgliedstaaten auch auf, sich an der beschlossenen Umverteilung von Flüchtlingen aus Ankunftsländern zu beteiligen. Die im September beschlossene Verteilung von 120.000 Flüchtlingen auf alle EU-Länder müsse nun „konkrete Ergebnisse“ bringen und vor allem Griechenland entlasten. Mehrere osteuropäische Staaten lehnen die Aufnahme von Flüchtlingen aber seit Monaten ab.

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