Auf ein letztes Wort

Auf ein letztes Wort
(Arne Dedert)

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Die Zeugen Jehovas müssen von Tür zu Tür laufen, um ihr "Wort Gottes" zu verkünden. Die katholische Kirche, ein religiöser Club wie jeder andere, darf dagegen Werbung in den Schulen machen.

Vor Kurzem hat es bei mir an der Tür geklingelt. Als ich aufmachte, standen zwei ältere lächelnde Damen auf dem Bürgersteig und streckten mir einen Flyer entgegen. „Weitere Informationen finden Sie auf unserer Webseite“, so eine der beiden, bevor sie zur nächsten Tür pilgerten. Ich musste nicht auf das Blatt schauen, um zu wissen, dass es sich um die Zeugen Jehovas handelte.

Die blau-rot-grüne Regierung trat mit dem Versprechen an, die Trennung von Kirche und Staat voranzutreiben. Ab Herbst wird ein Teil dieses Versprechens umgesetzt sein: In den Schulen wird kein Religionsunterricht mehr angeboten. Er wird ersetzt durch den Werteunterricht „Vie et société“. Eigentlich ein logischer Schritt, wenn man bedenkt, dass einige ältere Menschen noch Bauchschmerzen haben, wenn sie an die Pfarrer und ihre damalige Macht über die Kinder denken.

„Sch… Pafen“

Noch letztens habe ich mit einem älteren Rentnerpaar gesprochen, das mir erzählte, welchen heute wohl kaum noch nachvollziehbaren Einfluss die Kirche auf die Menschen hatte: „Als wir am Montag in die Schule kamen, fragte der Pfarrer, wer denn an der Wochenend-Andacht teilgenommen hat.“ Er erzählt weiter: „Einige der Kinder hatten Eltern mit einem Auto und konnten einfach sagen, sie seien über das Wochenende weggefahren. Für die anderen gab es Schläge.“

Das „Sch… Pafen“, das dem besagten Herrn herausrutschte, zeigt, wie wütend er noch heute auf die katholische Kirche ist.

Natürlich ist die Institution nicht mehr das, was sie mal war. Wie die meisten heutigen Mittzwanziger durchlief ich noch die Kommunion, obwohl meine Eltern eigentlich nicht gläubig waren. Es war nur noch so ’ne Sache, die man halt aus kulturellen Gründen machte. Die meisten der Generation nach mir werden Kirchen nur noch in einem historischen Umfeld kennenlernen. Ein schönes Gebäude, nicht mehr.

Es macht demnach Sinn, wenn der Staat sich von der Institution Kirche distanziert. Ihr Ende kommt, zumindest in Luxemburg und vielen anderen westlichen Staaten, immer näher.

Ein Club wie jeder andere

Nur scheint die Kirche das noch nicht so recht akzeptieren zu wollen. Erst der Streit um die Kirchenfabriken, nun ein verzweifelter Versuch, doch noch „das Wort Gottes“ zu verbreiten, indem ein außerschulischer Religionskurs angeboten wird. Natürlich ist es jedem „Club“ freigestellt, Werbung für seine Sache und seine Veranstaltungen zu machen.

Dass das Ministerium die Verteilung dieses Flyers in den Schulen im Rahmen des Religionsunterrichts genehmigt hat – übrigens dürfen die Schulen auch Werbung in Form eines Elternbriefes verschicken -, ist dagegen etwas kontradiktorisch mit dem ersten Ziel der Trennung von Kirche und Staat. Genau wie die Zeugen Jehovas von Haus zu Haus laufen müssen, sollten auch der katholische Club seine Beine in die Hand nehmen, anstatt vom letzten Überbleibsel seiner Macht auf das Ministerium Nutzen zu machen, um noch ein paar zukünftige Anhänger in den Schulen zu rekrutieren.

Ich werde aufmachen, wenn sie kommen, und den Flyer lächelnd entgegennehmen. Wenn es dafür das letzte Mal war, dass sie Werbung für ihre Sache in den Schulen machen dürfen, dann sei ihnen das gegönnt.

nwildschutz@tageblatt.lu