/ Anklage wegen Mordes an einem Demonstranten

Die vier angeklagten Polizisten bestritten am Montag im zentralanatolischen Kayseri die ihnen zur Last gelegten Taten, einer von ihnen räumte jedoch ein, dem am Boden liegenden Korkmaz einen „kleinen Tritt“ versetzt zu haben.
Der von Überwachungskameras festgehaltene Angriff auf den Studenten Korkmaz ereignete sich am 2. Juni in der westtürkischen Universitätsstadt Eskisehir. Korkmaz erlitt eine Hirnblutung und starb am 10. Juli nach 38 Tagen im Koma.
Ausgelöst wurden die landesweiten Demonstrationen durch das brutale Vorgehen der Polizei gegen eine Aktion von Umweltschützern im Istanbuler Gezi-Park. Im Laufe der mehrwöchigen Proteste wurden sechs Menschen getötet und mehrere tausend verletzt.
Brutal niedergeschlagen
Korkmaz wurde nach einem Polizeieinsatz von mehreren Männern mit Knüppeln brutal zusammengeschlagen. „Da haben wir aber gut Stress abgebaut“, sagten die Polizisten laut Zeugenaussagen nach den Schlägen, wie aus der am Montag verlesenen Anklageschrift hervorging. Neben den vier Polizisten gibt es in Kayseri vier weitere Angeklagte. 2000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, um Proteste abzuschirmen. Mehrere hundert Menschen zogen durch die Stadt und skandierten regierungsfeindliche Slogans.
Der beschuldigte Vorgesetzte der Polizisten, Savan Gekvünar, sagte aus, er sei „im Moment der Tat nicht vor Ort gewesen“. Eine ähnliche Verteidigungsstrategie verfolgten zwei seiner Kollegen trotz der Aufzeichnungen einer Videokamera am Tatort. „Ich war nicht dort, ich habe keine Informationen über das Geschehene, ich weiß nicht einmal, wovon Sie reden“, sagte Hüseyin Engin vor Gericht. Allein der vierte Polizist, Mevlüt Saldogan, gestand, Korkmaz getreten zu haben.
„Zu Tode geprügelt“
Ihren Aussagen widersprach jedoch einer der vier ebenfalls angeklagten Zivilisten, ein 21-jähriger Bäcker. Die Polizisten hätten ihr Opfer „zu Tode geprügelt“, sagte Ebubekir Harlar aus.
Im Gerichtssaal hielt die Mutter von Ali Ismail Korkmaz, Emel Korkmaz, ein gerahmtes Foto ihres Sohnes in die Höhe und rief den Angeklagten zu, sie sollten ihr in die Augen sehen. „Wie konntet ihr nur meinen Ali töten?“ fragte sie die Angeklagten. Sie forderte ein „gerechtes Urteil“. Ihr Sohn habe niemandem etwas getan und sei von den Angeklagten „massakriert“ worden. Vorübergehend brach im Sitzungssaal ein Tumult aus, weil angeblich bewaffnete Besucher im Saal Platz genommen hatten. Die Behörden dementierten dies später.
Oppositionspolitiker, die zur Beobachtung des Verfahrens nach Kayseri gekommen waren, kritisierten die Verlegung des Prozesses nach Zentralanatolien als Versuch der Behörden, „die Mörder zu schützen“.
Lob von Erdogan
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte im Zuge der Gezi-Unruhen das Vorgehen der Polizei mehrfach ausdrücklich gelobt. Einer der Anwälte in dem Prozess in Kayseri warf der Regierung vor, eine „massive Unterdrückung“ der regierungsfeindlichen Demonstrationen angeordnet zu haben. Einer der Angehörigen der Opfer warf Erdogan vor, persönlich für die „brutale Repression“ verantwortlich zu sein.
Im bisher einzigen anderen Prozess wegen des Todes eines Gezi-Demonstranten steht in Ankara ein Beamter vor Gericht, der den 27-jährigen Schweißer Ethem Sarisülük bei einer Straßenschlacht in der Hauptstadt erschossen haben soll.
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