Alle werden mitreden

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Der Artuso-Bericht über die Beteiligung der Luxemburger Verwaltungskommission an der Judenverfolgung soll im Parlament diskutiert werden. Einwände haben die Parteien keine, im Gegenteil.

Am Dienstag wurde das bestätigt, was seit geraumer Zeit gewusst war. Die Verwaltungskommission, die nach der überstürzten Flucht der Luxemburger Regierung beim Einmarsch der deutschen Besatzungstruppen am 10. Mai 1940 in Luxemburg die Amtsgeschäfte übernahm, kooperierte mit der deutschen Zivilverwaltung auch bei der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Nun soll der Artuso-Bericht im Parlament diskutiert werden. Voraussichtlich noch im März.

„Gut, dass das jetzt öffentlich im Parlament zur Sprache und diskutiert wird“, sagt DP-Fraktionschef Eugène Berger, der daran erinnert, dass der Bericht von der vorigen Regierung in Auftrag gegeben worden war. Er habe noch keine Zeit gehabt, sich eingehender mit dem Bericht zu beschäftigen, so der liberale Abgeordnete am Mittwoch auf Anfrage. Nach der Debatte müssten die sich aufdrängenden Schlussfolgerungen gezogen werden.

Berger zweifelt nicht daran, dass Premierminister Xavier Bettel, so wie er das bereits in der Vergangenheit andeutete, sich im Namen der Regierung und des Staates öffentlich für das Fehlverhalten der Verwaltungskommission in den ersten Monaten der Nazi-Besatzung entschuldigen wird. Eventuell in einem feierlichen Rahmen, so Berger.

Welcher Ausschuss?

Keine Einwände gegen eine öffentliche Debatte im Parlament hat auch CSV-Präsident Marc Spautz. Das Abgeordnetenhaus sei der richtige Platz für derlei Ereignis. Spautz wirft jedoch die Frage auf, welcher Parlamentsausschuss mit der Angelegenheit befasst werden soll? Vor jeder Debatte im Parlament wird in der Regel ein Bericht erstellt, der sozusagen die Diskussionsgrundlage bildet. Wird nun die Institutionskommission damit beauftragt, da die Verwaltungskommmission betroffen ist? Wenn man die Angelegenheit historisch betrachten will, müsste der Kulturausschuss befasst werden, meint Spautz. Oder wird ein Sonderausschuss zum Artuso-Bericht gebildet? Oder soll sich das Parlamentsbüro der Aufgabe annehmen?

Die Meinung, dass ein Parlamentsausschuss sich zuvor mit dem Bericht auseinandersetzen soll, will Parlamentspräsident Mars di Bartolomeo (LSAP) nicht teilen. Schließlich liege ja bereits ein Bericht, das Dokument des Historikers Vincent Artuso, vor. Außerdem habe die Regierung eine Konsultationsdebatte angeregt. Sie will das Parlament um Rat in einer Angelegenheit bitten. Natürlich sei das Parlament der ideale Ort für derlei Debatte, betont di Bartolomeo.
Die Diskussion dürfe sich jedoch nicht auf den Artuso-Bericht beschränken oder darauf, ob man sich entschuldigen soll oder nicht, betont er. Positiv seien die Überlegungen darüber, wie man in Zukunft die Erinnerung an diese Geschehnisse wach halten soll.

Fernand Kartheiser von der adr begrüßt die Entscheidung der Regierung, den Artuso-Bericht im Parlament zur Sprache zu bringen. Man müsse aber noch eine Entscheidung treffen, in welcher Form er diskutiert werden soll, so Kartheiser: im parlamentarischen Ausschuss oder in einer öffentlichen Sitzung. Er warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. Die Maßstäbe und Regeln von heute könnten nicht für die damalige Zeit gelten, der Kontext sei ein ganz anderer gewesen, so der adr-Politiker. Was eine etwaige Entschuldigung oder Entschädigungen betrifft, müsse der Luxemburger Staat seiner moralischen Verantwortung gerecht werden. Es soll Fall für Fall entschieden werden. Ob die Geschichte nun umgeschrieben werden muss? „Nein“, so Kartheiser. Dass es in Luxemburg Kollaborateure gab, wusste man.

Was ist mit anderen gesellschaftlichen Gruppen?

Auch der LSAP-Fraktionschef Alex Bodry (LSAP) spricht sich für eine öffentliche Debatte aus. Es sei nicht nur eine Frage für die Regierung, sondern auch für das Parlament. Wie die adr schließt Bodry eine Diskussion im parlamentarischen Ausschuss vor der Debatte im Parlament nicht aus. Man hätte jetzt das Verhalten der Verwaltungskommission gegenüber den Juden unter die Lupe genommen. Jetzt müsse man auch ihr Handeln gegenüber anderen Gruppen, wie Parteien, den Gewerkschaften, ethnische Minderheiten, usw. analysieren.

Dieser Bericht sei auf jeden Fall überfällig gewesen, so Fraktionschefin Vivianne Loschetter (déi gréng). Über den Inhalt des Berichts wollte die Fraktionsvorsitzende der Grünen sich jedoch nicht äußern. Man werde das Dokument im Detail analysieren und dann Position beziehen.

Die Verantwortung des Staates gegenüber Minderheiten

Für Serge Urbany von „Déi Lénk“ hat der Artuso-Bericht eine historische Bedeutung. Er zeige, dass der Staat eine Verantwortung gegenüber Minderheiten trage. Im Zuge der Analyse des Berichts müsse man auch Fragen über das aktuelle Verhalten der politischen Verantwortlichen gegenüber Minoritäten stellen. Er verwies dabei auf die Vermischung zwischen Islamisten und Moslems. Auf jeden Fall bedeute der Artuso-Bericht das Ende des Mythos des „Luxemburger Widerstands“. Es hätte ihn sicherlich gegeben, aber es habe auch viele Personen hierzulande gegeben, die mit den Besetzern sympathisierten.