17 Jahre kein Interesse

17 Jahre kein Interesse
(Upload)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Wer sich über europäische Kulturpolitik informieren will, besucht das "Compendium for Cultural Policies and Trends in Europe" des Europarates. Ein Land fehlt: Luxemburg.

Es gibt viele positive Klischees über Luxemburg. Eines davon ist das des eifrigen Europäers. Gründungsmitglied der EU, Mitinitiator der Schengener Verträge, Land mit Sitz von Europäischen Institutionen, gelungenes europäisches Multikulti und Land ohne Sprachprobleme, da alle Luxemburger mindestens dreisprachig sind, sind nur einige von vielen. Es ist der Blickwinkel von außen und vieles davon stimmt, aber eben nicht alles.

Denn einem eifrigen Europäer würde man anderes zutrauen – gerade im Bereich der Kultur -, als ein bewährtes Nachschlagewerk in diesem Bereich konsequent zu missachten. Ausgerechnet Luxemburg ist nicht im „Compendium for Cultural Policies and Trends in Europe“ vertreten. Das wundert umso mehr, wenn man bedenkt, dass das Informationswerk bereits in der 17. Auflage erscheint, niemand anderes als der Europarat dahintersteckt und andere kleine Länder wie Malta, Mazedonien oder sogar Liechtenstein darin repräsentiert sind.

„Basics“ der Kulturpolitik

Neun Kapitel informieren seit 1998 zu allem, was die „Basics“ der Kulturpolitik des jeweiligen Landes bedeutet. Es reicht von den historischen Grundlagen bis zu Fakten dazu, wie die Kreativität im jeweiligen Land unterstützt wird und wie es um die Partizipation der Bevölkerung bestellt ist.

„Mehr als anbieten kann man nicht“, heißt es dazu bei Ericarts in Bonn. Das Forschungsinstitut betreut das Compendium in einem Joint Venture mit dem Europarat von Beginn an. Das veranlasst Andreas Wiesand, bei Ericarts Herausgeber des „Compendium“, auch dazu, es scherzhaft als „längstes Projekt in der Geschichte des Europarats“ zu bezeichnen.

Unterschrift der Regierung fehlte immer

Wiesand kennt Luxemburg, war ein paar Mal im Land und weiß, dass es bereits unter Raymond Weber, hoher Beamter im Kultusministerium unter Minister Robert Krieps und Mitarbeiter beim Europarat, sehr wohl Initiativen dazu gegeben hat. Gefehlt hat laut Wiesand immer die Unterschrift und damit Erlaubnis der jeweiligen luxemburgischen Regierung, um an dem Projekt teilzunehmen.

Das ist ein formaler Akt, den der Europarat verlangt. Die jetzige Regierung mit einem Premier, der zugleich das Ressort Kultur inne- und es damit zur Chefsache erklärt hat, hat eine Erklärung: Der luxemburgische Augenmerk in Sachen Europarat habe die letzten Jahre auf den verschiedenen Reformprozessen des Europarates gelegen, heißt es aus der Pressestelle des Kulturministeriums. Durch den Regierungswechsel und den angekündigten Kulturentwicklungsplan habe das Compendium nicht auf der Prioritätenliste gestanden, was nicht bedeute, dass eine Luxemburger Beteiligung grundsätzlich ausgeschlossen sei.

Noch ein Grund mehr für den Kulturentwicklungsplan

Das lässt tief blicken. Hatte man vorher einfach nicht genug „Material“ zur Kulturpolitik im Land? Und das bei aktuell rund 30 Beamten im Ministerium? Am Geld kann es nicht liegen. Das Ericarts in Bonn zahlt die Autoren der Länderartikel und vermittelt aus seinem Europarat weiten Netzwerk von rund 110 Adressen einen entsprechenden Experten für das jeweilige Land.

Auch kann man sich nicht mehr darauf ausruhen, dass ein Bewusstsein dafür fehlt, dass Kulturpolitik eine gesellschaftliche Aufgabe ist wie noch in den 90er Jahren. Die ganze Sache zeigt einmal mehr sehr deutlich, wie notwendig der Kulturentwicklungsplan ist.