Kino„Planet of the Apes“: Eine Franchise im Wandel der Zeit (Teil 1)

Kino / „Planet of the Apes“: Eine Franchise im Wandel der Zeit (Teil 1)
In der Welt von „Planet of the Apes“ halten Affen Menschen als Sklaven Foto: AFP/Valerie Macon

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Mit „Kingdom of the Planet of the Apes“ wird ein weiterführender vierter Teil der Neuauflage des „Planet of the Apes“-Franchises in den Kinos starten. Die Sage von dem Herrschaftssystem der Primaten auf Erden wurde immer wieder in unterschiedlichen Medien erzählt und dennoch ist die Frage durchaus offen: Was fasziniert auch heute noch an dem Stoff, dessen Anverwandlung durch den Film nunmehr sechs Jahrzehnte umspannt und eine ungebrochene Begeisterung auszulösen scheint?

Im Jahr 1963 wurde der französische Schriftsteller Pierre Boulle, der in Filmkreisen vor allem als Autor des Romans „The Bridge on River Kwai“ bekannt ist, zu einem der bedeutendsten Namen der Science-Fiction-Literatur. Sein dystopischer Roman über futuristische Raumfahrten und den Beziehungen zwischen Mensch und Primaten inspirierte sich an den klassischen Abenteuergeschichten von Jonathan Swift und Jules Verne. Boulles „La planète des singes“, der im US-amerikanischen Raum unter dem Titel „Monkey Planet“ veröffentlicht wurde, schildert eine satirische Zukunftsvision, in der Astronauten eine Welt entdecken, die von fortgeschrittenen Affen beherrscht wird. In einer bizarr-verstörenden Wendung der darwinistischen Evolution halten die Affen stumme und rückständige Menschen ohne jegliche Kultur als Sklaven.

Diesen Stoff auf die Leinwand zu bringen, konnte nicht ohne eine gewisse Anpassung an das Massenpublikum vollzogen werden: Die satirische Komponente von Boulles Roman wurde in der Folge minimiert und die Action maximiert. Das Drehbuch schrieb Rod Serling, die Regie übernahm Franklin J. Schaffner und in der Hauptrolle wurde Charlton Heston verpflichtet, der mehrfach in diesem Film seine Trägerfunktion der „gebrochenen Männlichkeit“ beweisen konnte. Die Verfilmung schließt mehr noch als die reinen Science-Fiction-Kernthemen die Elemente des Tierhorrors und des Monsterfilms in sich mit ein. Allerdings waren die tricktechnischen Möglichkeiten digitaler Abbildungen Ende der 60er-Jahre freilich noch nicht ausgereift genug, um lebensechte Abbildungen von Primaten digital zu erzeugen. Dafür nahm das Team um Produktionsdesigner Morton Haack eine aufwändige Kostümierungsarbeit vor, die von John Chambers und Dan Striepeke geführt wurde.

Die allegorische Wirksamkeit

Bei seiner Veröffentlichung 1968 fand der Film sowohl bei den Kritikern als auch bei den Zuschauern großen Anklang. Berühmt geworden ist im Laufe der Jahre das schockierende Ende, das die doch recht absehbare Wendung bereithielt, die der Roman indes nicht lieferte: Aus dem Sand an der Meeresküste ragt der Torso der Freiheitsstatue empor, das Leitbild der Vereinigten Staaten ist nur noch ein trümmerhaftes Überbleibsel einer einst großen Nation, die besonders auf ihre Freiheit und Demokratie insistiert. Die negative Utopie ist unsere Erde der Zukunft. Dass sich die Menschheit gerade aufgrund eines Nuklearschlags zurückentwickelt hat, war in den 60er-Jahre alles andere als eine zufällige Drehbuchentscheidung – die Ängste der globalen atomaren Katastrophe in der zweigeteilten Welt des Kalten Krieges spiegeln sich auf unübersehbare Weise hier rüber.

Ganze fünf Filme umfasste die Saga, die bis in die frühen 70er-Jahre reichte. An den großen Erfolg des ersten Films konnten die vier Nachfolger zunächst noch anknüpfen, das Reizvolle der Prämisse war aber 1973 mit dem Erscheinen des fünften Teils „Battle for the Planet of the Apes“ ausgereizt. Zudem betonte die Science-Fiction der 70er-Jahre wieder mehr den „Science“-Aspekt des Genres, indem es – nach dem großen Erfolg des noch im selben Jahr erschienen „2001 – A Space Odyssee“ von Stanley Kubrick – sich des ambivalenten Fortschrittsgedankens menschlicher Wissenschaftsexperimente annahm. In der Zeitspanne zwischen 1969 und 1973 berührte die Filmserie indes gesellschaftspolitische Themenfelder, die den damaligen Zeitgeist der USA auffällig bestimmten. Was sich neben den actiongeladenen Schauwerten offenkundig ins Bewusstsein schob, war die erschreckende Allegorie auf den Rassenkonflikt, der auf die amerikanische Sklavenvergangenheit eingeht und gleichzeitig in seinem symbolischen Kampf um Bürgerrechte und Gleichberechtigung zeitlos erscheint und auch heute noch ansprechend ist. Das zivilisatorische Klassenmodell aus den herrschenden Orang-Utans und den gewaltbereiten Gorillas und daneben den rangniederen Schimpansen ist ein sehr direkter Spiegel für die Missstände innerhalb des gesellschaftlichen Miteinanders.

Im Zuge diverser medialer Entwicklungen wurde das Franchise indes immer wieder aufgegriffen und mal mehr, mal weniger erfolgreich vermarktet: Die Filme spielten nicht nur an den Kinokassen Gewinne ein, sondern erzielten auch nach ihrem Start sehr hohe Einschaltquoten im Fernsehen. Um aus diesem Erfolg Kapital zu schlagen, entstand eine Fernsehserie, die den Filmen folgen sollte. Zum wahren Publikumserfolg wurde die Serie allerdings nicht, auch der Versuch einer Animationsserie um den Stoff oder noch Comic-Hefte konnten nicht an den Erfolg der Kinofilme anknüpfen. Wie kaum eine andere Science-Fiction-Reihe betonte „Planet of the Apes“ eine Kernthese des Genres: das zyklische Weltbild. Da werden uns Gesellschaftsordnungen gezeigt, die die immer gleichen Machthierarchien reproduzieren, selbst dann, wenn sich die Spezies komplett gewandelt hat.

Burtonesques Affentheater

Um die Jahrtausendwende wagte sich das Filmstudio 20th Century Fox an eine Neuverfilmung. Nach mehreren Jahren in der Schwebe kehrte Fox zum „Apes“-Konzept zurück, dieses Mal sollte Oliver Stone als Produzent fungieren. Stone konnte Terry Hayes als Drehbuchautor gewinnen, beide entwickelten in sehr frühen Stadien eine Drehbuchversion mit dem Titel „Return of the Apes“. In diesem Entwurf ist bereits skizzenhaft angelegt, woran die späteren Reboot-Filme der 2010-Jahre ansatzweise anknüpfen werden: In dieser Version nämlich wird die Menschheit von einer Krankheit bedroht, die in ihrer DNA kodiert ist, sodass zwei Wissenschaftler Tausende von Jahren in die Vergangenheit reisen müssen, um deren Ursprung zu unterbinden. Sie finden heraus, dass die Krankheit von fortgeschrittenen Affen entwickelt wurde, um die endgültige Vernichtung der Menschheit sicherzustellen. Arnold Schwarzenegger hatte für die Rolle des Wissenschaftlers Will Robinson zugesagt und Phillip Noyce sollte die Regie übernehmen. Diverse Divergenzen und Terminkonflikte ließen das Projekt indes nicht zustande kommen.

In späteren Entwicklungsphasen sollte Chris Columbus Regie führen, auch James Cameron war als Produzent vorgesehen, doch sein Engagement für den Blockbuster-Hit „Titanic“ (1999) kam dazwischen. Nachdem sich der Regisseur Tim Burton mit Filmen wie „Mars Attacks!“ (1996) oder noch „Sleepy Hollow“ (1999) zu einem festen Namen für fantastisches Erzählen im Film gemacht hat, sollte er den Regieposten übernehmen. Dieses Mal gelang das Vorhaben: Mark Wahlberg gibt den Astronauten Leo Davidson, der versehentlich durch ein Wurmloch zu einem fernen Planeten reist, auf dem sprechende Affen die Menschen versklaven. Die atomar vernichtete Erde suchte man hier vergebens. Vielmehr ist die darwinistische Umkehrung der Verhältnisse – wie sich durch eine dramatische Wendung aufschlüsselt – von Leo selbstverschuldet. Eher unter dem Schlagwort „Re-Imagining“ vermarktet als unter dem Begriff des „Remake“ sollte Burtons Filmversion ein Neukompositum vielerlei Elemente der Originalreihe werden. Obwohl kommerziell überaus erfolgreich, brachte aber gerade das Ausufernde der Erzählung dem Film viel Kritik, ja Häme entgegen.

Spätestens mit der Neuinterpretation des populären Endes – wir sehen nicht die Freiheitsstatue, sondern das Lincoln-Memorial, auf dem nun ein Affe thront – wurde Burtons Film endgültig als unfreiwillige Parodie rezipiert. Es sollte erst in den 2010er-Jahren ein weiterer Neuansatz in Angriff genommen werden. Unter dem Zeichen der revolutionären visuellen Effekte wurde die Saga um den Planeten der Affen ungemein ernst und pessimistisch neu verhandelt.

Franchise im Wandel

Dieser Text ist der erste von zwei Artikeln über „Planet of the Apes“. Der zweite Teil von Marc Trappendreher erscheint am Montag, eine Rezension von „Kingdom of the Planet of the Apes“ wird in der kommenden Woche folgen.