Kunst / Graas, Junius, Maas, Dillenburg: Luxemburgs Kunstwelt trauert um gleich vier Maler
In diesen schweren Pandemie-Zeiten beklagen wir täglich neue Tote. Unabhängig davon haben sich Meldungen über Luxemburger Künstler, die in den vergangenen Wochen verstorben sind, gehäuft. Die Luxemburger Kunstwelt ist in Trauer. Maler Gust Graas, Maler Jim Junius, Malerin Ger Maas und letzte Woche auch Maler Henri Dillenburg, vier Künstler der ersten Nachkriegsgeneration, die Bestandteil der Luxemburger Kunstgeschichte sind, haben uns verlassen.
Auch wenn unsere Aufmerksamkeit in diesen Zeiten vor allem den verheerenden Auswirkungen der Pandemie gilt, geben diese vier Sterbefälle Anlass, diese Künstler in Erinnerung zu rufen und einen kurzen Rückblick auf ihr Werk zu wagen. Viele junge Luxemburger Künstler sind mit dem zeitgenössischen Kunstzentrum Casino Luxembourg und dem Mudam aufgewachsen, glauben, die bildende Kunst habe erst mit diesen Einrichtungen ihren Anlauf im Großherzogtum genommen. Sie kennen die heimische Kunstgeschichte kaum, auch weil wohl museal betrachtet zur Valorisierung derselben recht wenig getan wird, sieht man von einigen Initiativen des MNHA und rezent gar des Mudam sowie des „Musée Vauban“ ab. Die Idee einer Nationalgalerie mit der Mission, Luxemburger Künstler und ihr Werk „lebendig“ zu halten und der Nachwelt Dokumentation über ihr Schaffen zu hinterlassen, scheint zu verwässern oder gar in Vergessenheit zu geraten.
Tragende Säule der Kulturszene
Gust Graas (1924-2020), zeitlebens vorwiegend als RTL-Manager aktiv, hat sich sehr früh seiner Vorliebe zur Malerei gewidmet. Er war ein Maler der abstrakten Art, hat sehr intensiv bis ins hohe Alter gearbeitet und seine regelmäßigen Aufenthalte auf der malerischen Insel Mallorca haben ihn vor allem von seiner Farbpalette her inspiriert. Der Künstler übte sich in einer feinfühligen und lyrisch geprägten Malerei in allen Formaten, eine gefällige Kunst, die weit über die Luxemburger Grenzen hinaus Anklang und Anerkennung fand. Seine Werke befinden sich sowohl in zahlreichen Privathaushalten als auch in öffentlichen Einrichtungen und Museen. Gust Graas ist 1970 mit dem Adolphe-Preis ausgezeichnet worden. Er verstarb Mitte Februar.
Jean-Pierre, genannt Jim, Junius (1925-2020) war gleich nach dem Zweiten Weltkrieg eine der tragenden Säulen der Kunstszene. Er ist seinen Weg in völliger Eigenständigkeit gegangen, von einer eingangs gegenständlichen Malerei zu einer offenen abstrakten Ausrichtung, seine Arbeit konzentrierte sich auf seine menschlichen Werte, seine Sicht der Dinge und die Wertschöpfung in seinen Bildern. Beeindruckend waren Aufbau und Komposition, das Zusammenspiel von Form und Farbe sowie seine Weise, den „Raum“ im Bild auszuloten – eine Erkennungsmarke, die sich all die Jahre durch die meist verschwommen wirkenden und gerade dadurch ausdrucksstarken Werke wiederfand. Paul Bertemes sprach, einleitend zu seiner Monografie aus dem Jahre 2004, von einer neuen „Bild-Realität“. Diese fußte vorwiegend auf der Farbwahl, wie der Künstler es selber formulierte. Seine Werke wurden mit Erfolg in Luxemburg und im Ausland gezeigt. Junius, vielfacher Preisträger, erhielt 1958 den Adolphe-Preis. Er verstarb Ende Januar.
Kein Mann der großen Worte
Ger Maas (1931-2020) studierte in Paris, München und Salzburg, wo sie an der „Schule des Sehens“ von Oskar Kokoschka im Jahre 1961 teilnahm. Später illustrierte sie nicht nur Bücher, sie schrieb auch Gedichte und war zeitweilig Journalistin. Sie beobachte ihre Umwelt und ihr Umfeld, setzte diese Eindrücke malerisch um, wobei sie gerne neben Stillleben mit Blumen auch bewegte Szenen in ihrem dynamisch dominierten Stil mit verschiedenen Techniken, ob Öl, Aquarell oder Tusche, verarbeitete. Über lange Jahre war sie als Künstlerin viel beachteter Akteur der Luxemburger Gesellschaft, ihr recht umfangreiches Werk, das sich vorwiegend auf Landschaften, Blumen oder Menschen in mannigfaltiger Position fokussierte, fand viel Zuspruch in all den Jahren und gipfelte 2012 in einer erneut viel beachteten Retrospektive. Im selben Jahr erhielt sie eine europäische Auszeichnung. Sie verstarb Ende März.
Henri Dillenburg (1926-2020) hat sich sehr jung der Malerei zugewandt, studierte u.a. in Brüssel, stellte nach dem Zweiten Weltkrieg erst mal aus, erhielt diverse Preise, auch 1954 den „Prix Grand-Duc Adolphe“. Luxemburgs’ Kunstgeschichte erlebte mit der Gruppe „Les Iconomaques“ ein Revival der abstrakten Kunst. Dillenburg ist Mitbegründer dieser Bewegung, betätigte sich als Restaurator im „Musée national d’histoire et d’art“ und verfolgte jedoch vor allem eine unabhängige Karriere als Künstler. Er erneuerte nicht nur seine Technik, auch ließ er sich gerne von neuen Strömungen beeinflussen. Seine Malerei entwickelte sich von reiner Abstraktion zu einer recht freien und eigenwilligen Bildhaftigkeit, die manchmal gar provokative und unterschwellig politisch ausgelegte Züge annahm. Er war kein Mann der großen Worte, seine Sprache waren seine Bilder. Seine letzte Retrospektive in Diekirch bleibt uns in guter Erinnerung. Er verstarb Anfang April.
Wenn Galerien und Museen erneut öffnen, wird es sicherlich wieder spannende Ausstellungen geben. Zum gegebenen Zeitpunkt dürfte das Oeuvre dieser vier Pioniere der Nachkriegsjahre und aktiven Künstler bis ins hohe Lebensalter jeweils auf angepasste Weise gewürdigt werden.
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