Disco, Rock und eine Samtgitarre

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Mit einem zwei Tage dauernden Dancefloor unter freiem Himmel ist "Jazz à Juan" am Wochenende in die 54. Auflage gestartet.

Unter freiem Himmel startete „Jazz à Juan“ am Wochenende in die 54. Auflage. Ein gefälliger, mainstreamiger Beginn mit hohem Spaßfaktor und wenig musikalischen Überraschungen für das traditionsreiche Festival. Die einzige Ausnahme: Beth Hart. Ehrlich, kernig und überhaupt nicht poppig zeigte die Rockmusikerin, wo der weniger gefällige Weg in der Festivalwelt liegt.

Webseite: www.jazzajuan.com

„Une soiree ’summer chic‘ titelte am Tag nach der Eröffnung Nice Matin, neben RTL der hiesige Medienpartner des Festivals. „The Family Stone“ mit Gaststar Nile Rodgers waren als Headliner am Freitag gesetzt. Rodgers ist in Luxemburg kein Unbekannter. Vielen ist sein Auftritt bei der „Night of the Proms“ 2011 in der Coque noch im Gedächtnis. Mit dem tanzbaren Funk der „Family“ und Disco-Klassikern wie „Le Freak c’est chic“, für die Rodgers steht, geht man kein Risiko ein, genauso wenig wie mit George Benson. Für den war es ein besonderer Abend. Vor genau 50 Jahren war er zum ersten Mal Gast des Festivals, damals noch dem klassischen Jazz verpflichtet. „Ich habe meine Karriere in Juan-les-Pins gestartet“, vertraute er Nice Matin gestern publikumswirksam an. 1980 veröffentlicht er „Give me the night“, ein Klassiker, der bis heute seine Fangemeinde hat.

Schlaghosen und Kassettenrekorder oder You Tube und iPads, George Benson war eigentlich immer da. Und ist es bis heute, wie der Sonntagabend zeigte. Samtig-seichter Pop, eine ureigene Art, die Gitarrensoli anzugehen, während der er sich im Scatgesang begleitet, sind seine Markenzeichen. Trotz seiner mittlerweile 69 Jahre haben sie sich gehalten und er war sichtlich glücklich, mal wieder an der Côte „Hello“ zu sagen.

„Coup de coeur“

Es dauerte genau eine halbe Stunde, da hatte er mit „turn your love around“ die ersten der 3.000 Gäste im „Pinede Gould“ dazu gebracht, ihre Sitzplätze aufzugeben und mitzutanzen. Die Stimmung sollte sich halten. Auch nach der minutenlangen „On broadway“-Zugabe gegen halb zwölf wollte keiner so richtig nach Hause. Mit „Wir kommen oft nach Europa, aber ihr sein die Besten“, machte der „Grand Monsieur“ zum Schluss dem Publikum noch ein Kompliment.

Richtig gewundert hat es angesichts der ausgelassenen Stimmung niemand.
Zuvor hatte die amerikanische Rockmusikerin Beth Hart mit bluesigem Rock und einer markanten Stimme gezeigt, wo der weniger seichte Weg im Musikhimmel liegt. Mit sie sei sein „coup de coeur“ hatte der künstlerische Direktor des Festivals, Jean-René Palacio, in seiner Anmoderation die Sängerin zuvor gewürdigt und sich dabei allerdings zu einem zweifelhaften Vergleich hinreißen lassen.

Sie sei beeinflusst von Billy Holiday, hatte er zum Werdegang bemerkt. Das, was Hart in ihrem Gesang fabriziert, erinnert jedoch eher an Melissa Ehteridge oder Tina Turner manchmal sogar an die große Janis, wenn man überhaupt einen Vergleich für etwas Unvergleichliches bemühen will.

Unbändige Energie

An ihrer unbändigen Energie kommt niemand vorbei, an ihrer direkten, ehrlichen Art Musik zu machen, genauso wenig. Songs aus ihren Alben „Leave The Light On“, „37 Days“ und dem in 2012 entstandenen „Bang bang Boom Boom“ belegen, die Frau hat was erlebt. Und sie schreibt alles selbst.

Dauerhaft richtig groß geworden ist sie trotz Gesangsstudium, Cello- und Klavierausbildung und enormem Talent nie, Drogen- und Alkoholsucht funkten dazwischen. Das hat sie jetzt im Griff, ihrer rauen Stimme ist es anzuhören. Und erstaunlicherweise wirkte sogar bei jemand so scheu wirkendem wie ihr die Magie von Juan-les-Pins: Die hier auftretenden Künstler gehen irgendwie beseelt vom Platz.