Melbourne/AustralienZweiter Lockdown wegen zweiter Coronawelle

Melbourne/Australien / Zweiter Lockdown wegen zweiter Coronawelle
Vor einem Supermarkt in Melbourne bildeten sich lange Warteschlangen. Der Verkaufsschlager war … Klopapier Foto: William West/AFP

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Melbourne trifft die zweite Coronawelle mit Wucht. Trotz Restriktionen meldet die Stadt täglich mehrere hundert Neuinfektionen, auch die Todesfälle häufen sich. Am Sonntag rief der Premier des Bundesstaates Victoria nun den Notstand aus.

Ein gemalter Regenbogen klebt halb zerrissen am Fenster, am Zaun hängt ein vergessener Teddy. Wind und Wetter haben ihn zerzaust. Die hoffnungsvollen Überbleibsel des ersten Lockdowns gehören der Vergangenheit an. Mit Melbournes zweiter Ausgangssperre setzt auch die Frustration ein.

Sechs Wochen sollen die Bürger nun erneut zu Hause bleiben. Nachts – zwischen 20 Uhr am Abend und 5 Uhr am Morgen – herrscht Ausgangsverbot, tagsüber darf sich jeder maximal fünf Kilometer von seinem Haus fortbewegen, zum Einkaufen oder Sporttreiben, vorausgesetzt, er trägt Maske. Sämtliche Schüler – auch die Abiturjahrgänge – sind wieder zu Homeschooling verdammt.

„Keine leichte Entscheidung“

Lange hat Victorias Premier Daniel Andrews versucht, die Lage in Melbourne mit milderen Restriktionen unter Kontrolle zu bringen: Kontakte von Infizierten zu isolieren, einzelne Hochhäuser und Stadtteile abzuriegeln. Doch die Zahlen der Neuinfektionen wollen einfach nicht sinken. Gestern meldete die Stadt erneut 671 neue Covid-19-Fälle. Insgesamt hat der Bundesstaat damit über 11.500 Infektionen registriert, den Löwenanteil der knapp 18.000 Fälle in Australien.

„Wir können keine Menschen mehr ohne guten Grund unterwegs haben“, sagte Andrews gestern. „Es ist keine leichte Entscheidung, aber sie ist notwendig.“ Die Polizei werde die Ausgangssperre überwachen. Nachdem Andrews den Notstand ausgerufen hat, erhalten die Beamten zusätzliche Rechte. So dürfen sie z.B. für Stichproben in die Häuser von Privatpersonen gehen, ohne vorab einen Haftbefehl erwirkt zu haben. Für Verstöße können hohe Geldstrafen verhängt werden.

Ärger über Corona-Sünder

Die harsche Reaktion ist wohl ein wenig denjenigen zu verdanken, die in den vergangenen Tagen bewusst die lockereren Regeln, die an die Vernunft der Menschen appellierten, gebrochen haben. So äußerte sich der Premierminister frustriert über Covid-19-Erkrankte, die nicht zu Hause anzutreffen waren, obwohl sie in Quarantäne sein sollten, und andere, die weite Strecken fuhren, um einen Hamburger zu essen oder auf der gegenüberliegenden Seite Melbournes einzukaufen.

Supermärkte werden wie auch beim ersten Lockdown geöffnet bleiben und Andrews betonte, dass Hamsterkäufe nicht notwendig seien. Trotzdem bildeten sich am Wochenende laut lokalen Medienberichten wieder lange Schlangen vor den Lebensmittelgeschäften.

Resignation setzt ein

„Angst hängt über Melbourne und nichts ist wie die erste Welle“, kommentierte die australische Ausgabe des Guardian. Tatsächlich fehlen in der zweiten Runde all die hoffnungsvollen Bilder in den Fenstern und die Bärenjagden für die Kinder. Die Menschen scheinen resigniert. „Wieder einmal machen wir uns bereit, aber mit den schockierenden Übertragungszahlen in ganz Melbourne und auch im regionalen Victoria ist es die richtige Entscheidung“, schreibt eine Bürgerin auf sozialen Medien.

Eigentlich galt Australien beinahe schon als Corona-frei – dank recht stringenter Maßnahmen gleich zu Beginn der Krise. Doch mit Beginn der Lockerungen stiegen plötzlich auch die Fallzahlen wieder an. Diese „zweite“ Welle traf vor allem Melbourne mit Wucht, während Sydney es bisher schaffte, Cluster mit aggressiver Kontaktverfolgung unter Kontrolle zu halten.

Melbourne wurde zum Ursprung vieler Infektionen, da Hotelangestellte und Sicherheitspersonal in den Quarantäne-Hotels für Rückkehrer aus dem Ausland gegen die Regeln verstießen und sich bei Reisenden ansteckten. Außerdem gab es wohl unentdeckte Sekundärfälle aus einem Viruscluster unter Arbeitern eines Schlachthofs im Westen Melbournes.