Zwei Mal grünes Licht, einmal orange – Koalitionsvertrag trifft auf die Kongresse der Regierungsparteien

Zwei Mal grünes Licht, einmal orange – Koalitionsvertrag trifft auf die Kongresse der Regierungsparteien

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In außerordentlichen Kongressen diskutierten LSAP, DP und „déi gréng“ über den ausgearbeiteten Koalitionsvertrag. Drei Mal gab es ein OK der Parteikongresse für den Koalitionsvertrag, doch der Enthusiasmus darüber variierte stark je nach Veranstaltungsort. Ein Überblick. 

Zustimmung bei der LSAP – unter Vorbehalt

Die LSAP tat sich nicht so leicht mit einer Regierungsbeteiligung wie ihre Partner der Dreierkoalition. Während des außerordentlichen Kongresses im Strassener „Centre Barblé“ gab es zwar eine Mehrheit für das ausgehandelte Koalitionsabkommen. Es gab aber auch teilweise heftige Kritik an Partei, an Programm und an Personalien.

LSAP-Minister

Etienne Schneider: Vize-Premier, Wirtschaft, Gesundheit

Jean Asselborn: Äußere Angelegenheiten, Immigration

Romain Schneider: Landwirtschaft, Soziales

Taina Bofferding: Innere Angelegenheiten, Chancengleichheit

Paulette Lenert: Kooperation und Konsumentenschutz

Dan Kersch: Arbeit, Solidarwirtschaft, Sport

(angenommen von 56 der 69 Mitglieder des Generalrates)

So ergriffen gleich zu Beginn der Diskussion über das von Spitzenkandidat Etienne Schneider in groben Zügen vorgestellte Koalitionsprogramm mehrere Jungsozialisten das Wort und verwiesen auf das historisch schlechte Wahlresultat ihrer Partei, auf die fehlende personelle Erneuerung, auf die fehlende Zeit zur Analyse des Textes (der nur einen Tag vor dem Kongress vorlag) und auf inhaltliche Schwächen.

Nicht nur Jungsozialisten übten allerdings Kritik; auch Vertreter etwa der Differdinger Sektion stimmten in die Schelte der Parteileitung und der Verhandlungsdelegation ein.

„Überrumpelt“

Mehrere der knapp 400 Delegierten, die das Wort ergriffen, kündigten ihre Enthaltung an, teils wegen der fehlenden Vorbereitungszeit, teils wegen Kritik am Programm, gemischt mit dem Bedürfnis der CSV, das Regierungsfeld nicht überlassen zu wollen.

Dies war auch die Argumentation von Nando Pasqualoni, prominenter Vertreter der Parteilinken, der zwar ankündigte, für das Abkommen zu stimmen, aber mehr demokratischen Spielraum in der Partei anmahnte. Er und viele andere fühlten sich überrumpelt, so der Vertreter der Escher Sektion. Die „Femmes socialistes“ verkündeten durch ihre Präsidentin hingegen Zufriedenheit und Zustimmung: Die Forderungen der FS waren alle ins Wahlprogramm eingeflossen, viele sind im Koalitionsabkommen berücksichtigt worden.

Auch einige zukünftige Minister nahmen an der Diskussion teil und teilten die Position, die bereits zu Beginn des Kongresses von Parteipräsident Claude Haagen und Etienne Schneider verteidigt worden war und die auch von der Parteileitung als Vorschlag an den Kongress formuliert worden war, sprich das Abkommen anzunehmen und gemeinsam mit DP und Grünen eine Regierung zu bilden. Doch während sich die beiden Partner schon längst in Feierlaune und mit einstimmigen Resultaten für die Fortsetzung der Koalition im Rücken an den jeweiligen Tresen zuprosten konnten, zog sich die Diskussion bei der LSAP weit über den ursprünglich vorgesehenen Zeitplan hinaus.

Die Einstimmung von Haagen und Schneider, die auf die großen Verhandlungsdelegationen, die vielen Aspekte einer „sozialistischen Handschrift“ im Programm und die Alternative einer Regierung mit CSV-Beteiligung verwiesen hatte, hatte also nur bedingt Erfolg.

Große Mehrheit

Über den Wunsch nach programmatischer Diskussion, aber auch nach Erneuerung der Strukturen und nach einem frischen Wind bei den Personalien konnte auch das schließlich doch recht überzeugende Resultat von 379 Stimmen Zustimmung (13 waren dagegen, 6 enthielten sich) für das Koalitionsabkommen und somit für die Fortführung der Dreierkoalition nicht hinwegtäuschen. Dies mag wohl auch der Grund gewesen sein, dass der Parteipräsident einen Kongress ankündigte, der Ende Januar 2019 über die Bühne gehen wird und bei dem u.a. die Neuwahl aller Parteigremien auf der Tagesordnung stehen wird.

Einige nahmen den Kongress im Übrigen eher pragmatisch: So der scheidende Arbeitsminister und Kandidat für einen Posten als EU-Kommissar, Nicolas Schmit, der verriet, er freue sich nun auf vier Monate ohne Regierungsarbeit, oder der ehemalige Außenminister Jacques Poos, der aufgrund seiner langen Erfahrung mit LSAP-Kongressen meinte, es sei wie immer, niemand habe das Programm gelesen …

Nachdem die Delegierten der Fortsetzung der Koalition also grünes Licht gegeben hatten, beriet der Generalrat der Partei über die Verteilung der Ressorts, wie dies laut Statuten der Partei vorgesehen ist.

Robert Schneider



DP segnet Abkommen einstimmig ab

Die DP hat hinter verschlossenen Türen im Kulturzentrum „Schéiss“ über das Koalitionsabkommen befunden. Auch die Blauen gaben grünes Licht. Einstimmig.

Anders als bei der LSAP hatte es bei der DP im Vorfeld keine offene Auseinandersetzung über das Abkommen gegeben. Die Partei um Premierminister Xavier Bettel und Parteipräsidentin Corinne Cahen hatte bei den Wahlen im Oktober 12 von 60 Sitzen im Parlament erobert und ist damit nach der CSV die stärkste Fraktion im Parlament und gleichzeitig die stärkste Partei unter den Koalitionspartnern.

Die DP wird in der neuen Regierung zum zweiten Mal in Folge den Premierminister stellen. Xavier Bettel war nach den Wahlen 2013 zum ersten Mal Premierminister geworden. Bettel war aus der Wahl im Oktober als Sieger hervorgegangen und vom Großherzog zum „Formateur“ ernannt worden. Seitdem haben sich die DP, LSAP und die Grünen mit Vertretern der Zivilgesellschaft unterhalten und dann ein Koalitionsabkommen erstellt. Die Einwilligung der drei Parteien war die Voraussetzung dafür, dass die neue Regierung zustande kommen konnte.

Neben Xavier Bettel (Premier, Medien und Digitalisierung) stellt die DP fünf weitere Minister: Corinne Cahen (Familie und Großregion), Pierre Gramegna (Finanzen), Claude Meisch (Bildung, Hochschule und Forschung), Marc Hansen (Öffentlicher Dienst, delegierter Minister für Digitalisierung und Verwaltungsreform) und Lex Delles (Tourismus und Mittelstand) werden in der Regierung vertreten sein. Außer Lex Delles sind sie alle bereits in der vergangenen Legislaturperiode Regierungsmitglieder gewesen.

Am Dienstagmittag gab die Partei zudem bekannt, dass sie mit Eugène Berger einen Fraktionspräsidenten gefunden hat. Berger wird dieses Amt während der zwei ersten Jahre der Legislaturperiode übernehmen. Die DP-Fraktion sieht vor, dass danach Gilles Baum das Ruder an der Spitze der parlamentarischen Gruppierung übernimmt.

Yves Greis


„déi gréng“ zeigen sich geschlossen

Keine Wortmeldung. Keine Gegenstimme. Kein Hauch von Kritik. „déi gréng“ demonstrieren Eintracht auf ihrem Landeskongress und stellen sich geschlossen hinter das Koalitionsabkommen sowie ihre Regierungsmitglieder. Alle 217 anwesenden Parteimitglieder gaben ihre Zustimmung zum Vertrag, 213 Mitglieder stimmten für die Postenverteilung.

„Es ist ein besseres Abkommen als 2013“, sagte Verhandlungsführer Félix Braz, „da die grüne Handschrift noch deutlicher ist“. Laut Braz ist die Gesellschaftspolitik weiterhin der Klebstoff des Abkommens. Hinzu kommen jedoch ethische Grundwerte, u.a. im Interesse des Allgemeinwohls und der sozialen Kohäsion zu handeln.

Während gut anderthalb Stunden ging Braz auf die grünen Leitlinien des Vertrags ein, ohne jedoch zusätzliche Details jenseits des publizierten Textes zu geben. In Bezug auf das ehrgeizige Ziel von 20 Prozent biologischer Landwirtschaft bis 2025 sagte Braz in fast schon Junckerscher Rhetorik: „Ich erreiche lieber ein ambitioniertes Ziel nicht, als dass ich nicht ambitionierte Ziele erreiche.“ Überhaupt übte sich Braz in der Rhetorik der großen Männer. Er kündigte zu Beginn an, sich eigentlich kurz fassen zu wollen, nicht wieder eine Fidel-Castro-Gedächtnisrede wie 2013 zu halten. Am Ende war seine Rede sogar noch länger als 2013. Allerdings passte das zur Stimmung des Kongresses. Vor diesem einstimmigen Resultat ganz ohne Terror hätte sogar Castro den Hut gezogen.

Fünf Minister

Die Minister der Grünen heißen Félix Braz (Justiz und Vizepremier), François Bausch (Mobilität, Infrastruktur, Innere Sicherheit und Verteidigung), Carole Dieschbourg (Nachhaltigkeit, Umwelt und Klima), Claude Turmes (Landesplanung und Energie) sowie Sam Tanson (Kultur und Wohnungsbau).

Die Partei wird mit neun Abgeordneten im Parlament vertreten sein: Charles Margue, François Benoy, Carlo Back, Djuna Bernard (Zentrum), Josée Lorsché, Roberto Traversini, Marc Hansen (Süden), Stéphanie Empain (Norden) und Henri Kox (Osten). Josée Lorsché wird den Fraktionsvorsitz übernehmen.

Pol Schock