AnalyseZwei gestörte Urlaube und einen Krieg später: Luxemburgs skurriler Umgang mit der Afghanistan-Krise

Analyse / Zwei gestörte Urlaube und einen Krieg später: Luxemburgs skurriler Umgang mit der Afghanistan-Krise
Verteidigungsminister François Bausch und Außenminister Jean Asselborn zur Lage in Afghanistan Foto: Editpress/Julien Garroy

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Afghanistan war das große Thema, für das die Luxemburger Regierung gleich zwei Pressekonferenzen am Mittwoch einberief. Drei Minister tauchten dafür in der „Jofferegässel“ auf. Nach zwei Stunden herrscht zwar etwas mehr Klarheit zur Lage in Afghanistan – die gelieferten Erklärungen nahmen jedoch teils abstruse Ausmaße an.

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Gespräch mit zwei Ex-Premierministern, die Sie zudem ihre „inspirierenden Freunde“ nennen, und können sich knappe zwei Wochen danach nicht mehr erinnern, worüber diskutiert wurde. Kaum vorstellbar? Doch, denn so ist es Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel (DP) ergangen. „Wir haben über die internationale Lage gesprochen. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass wir über Afghanistan geredet haben“, entgegnet Xavier Bettel auf die Frage einer Journalistin auf der Pressekonferenz am Mittwoch – fragende Blicke gen Decke gerichtet inklusive. Tony Blair hat an der Seite von George W. Bush ja lediglich die politische Lage im Nahen Osten seit Anfang des Jahrtausends nur entscheidend mitgeprägt – wie denkwürdig kann das Gespräch also schon gewesen sein?

Das Statement des Luxemburger Regierungschefs zu Afghanistan war ähnlich inspirierend. „Es ist eine menschliche Tragödie“, sagt Bettel auf der Pressekonferenz. „Auf die aktuelle Entwicklung kann ich jedoch nicht eingehen.“ Das würde er lieber seinen beiden Kollegen François Bausch („déi gréng“) und Jean Asselborn (LSAP) aus dem Verteidigungs- bzw. dem Außenministerium überlassen. Warum er als Regierungschef so lange mit einem Statement gewartet habe? „Ich stand mit meinen Ministern in regelmäßigem Kontakt“, sagt Bettel. „Es hätte keinen Sinn ergeben, noch einmal das Gleiche wie meine beiden Regierungskollegen zu wiederholen.“ 

Vorhang auf also für François Bausch und Jean Asselborn, die im Anschluss an die Pressekonferenz von Bettel das Podium betreten. Beide Minister verweisen auf die Wichtigkeit der europäischen Kooperation und informieren über die Lage der Personen, die von Kabul nach Luxemburg evakuiert werden sollen. „Ohne die Zusammenarbeit mit der belgischen und der niederländischen Armee wäre die Evakuierung nicht möglich gewesen“, betonen beide Minister.

Alternativlos

Der Außenminister stellt schlussendlich die Frage, die sich jeder im Raum stellt: „War alles umsonst?“ Die Frage bezieht sich nicht etwa auf den Urlaub der beiden Minister, der unglücklicherweise durch den islamistischen Vormarsch unterbrochen wurde. Gemeint war die westliche Intervention und der 20-jährige Krieg in Afghanistan. „Die Alternative, nicht in Afghanistan zu intervenieren, war keine“, sagt Asselborn und liefert den anwesenden Journalisten als Erinnerungsstütze gleich eine Geschichtslektion. „Afghanistan war ein Trainingsfeld des internationalen Terrorismus“, sagt Asselborn. „Es herrschten Zustände wie im Mittelalter, Frauen waren nicht bessergestellt als Haustiere.“ Deswegen habe man intervenieren müssen, deshalb haben zahlreiche Soldaten ihr Leben verloren. 30.000 Sicherheitskräfte seien – auch mit Unterstützung der Luxemburger Armee – ausgebildet worden, um den Terror zu bekämpfen. Ein Sicherheitsapparat, der beim Vormarsch der Taliban jedoch zusammenfiel wie ein Kartenhaus, wie Verteidigungsminister Bausch resümiert.

François Bausch liefert auf der Pressekonferenz noch einige Details zur militärischen Mission – nicht ohne jedoch den Vorwurf, dass Luxemburgs Beteiligung eine PR-Aktion war, noch einmal von sich zu weisen. Es sei zudem egal, ob der Flieger mit Luxemburger Flagge nun in Islamabad oder Kabul lande. „Der Luxemburger Militärflieger ist nur eine Einheit einer Gesamtstruktur“, sagt Bausch. „Fragen, wo denn nun ‚unser‘ Flieger sei, ergeben keinen Sinn.“ Dass der Eindruck einer PR-Aktion erst entstand, nachdem das Verteidigungsministerium eine E-Mail mit einer Bildergalerie des Luxemburger Militärfliegers unter dem Titel „L’avion militaire A400M de l’armée luxembourgeoise participe à l’opération d’évacuation depuis l’Afghanistan“ versandte, erwähnt er nicht. Auf den Fotos gut zu erkennen: der rote Löwe als Wappen der Luxemburger Armee.

Grüner Daumen

Außenminister Asselborn gesteht jedoch ein, dass sich die Außenminister Europas Fragen hinsichtlich ihres Konzeptes des Nationbuilding in anderen Ländern und Kulturen stellen müssten. Komplett umsonst soll der Einsatz dennoch nicht gewesen sein: „Es wurden genug Samen gepflanzt, dass die Frauen sich nicht mehr ohne Reaktion etwas von den Herren mit Bärten sagen lassen“, sagt Asselborn. Wo hat man diesen rhetorischen Kniff schon mal gehört? Waren es nicht die USA, die die Samen der Freiheit und Demokratie im Irak pflanzen wollten – natürlich erst, nachdem sich die Berichte von Massenvernichtungswaffen als nicht haltbar erwiesen hatten?

Wie dem auch sei: Dass die Außenminister der westlichen Hemisphäre für den Boden im Nahen Osten keinen grünen Daumen haben, dürfte sich auch dieses Mal wieder bestätigen. Mittlerweile würden Zeugenberichte vorliegen, dass die Rechte der Frauen nämlich wieder stark eingeschränkt worden wären. Auch öffentliche Hinrichtungen seien den Vereinten Nationen bereits gemeldet worden, sagt Asselborn. Die Steine und Peitschen der Taliban sind dann wohl doch widerstandsfähiger als die Samenkörner des Westens. Ob da Appelle an die Vernunft und das Gewissen der Taliban ausreichen? „Kliniken und Schulen hängen zu 75 Prozent von internationaler Hilfe ab, wovon ein sehr großer Teil aus der EU kommt“, sagt Asselborn. „Ich hoffe sehr, dass die Herren Taliban verstehen, worum es hier geht.“

„Die Lebenserwartung in Afghanistan ist gestiegen“, sagt Asselborn außerdem. „2004 hat sich das Land eine Verfassung gegeben.“ Es seien alle Elemente vorhanden gewesen, um das Land stabilisieren zu können. Es sei deshalb auch nicht richtig zu sagen, dass die USA und die NATO-Länder aus reinem „westlichen Interventionismus“ in Afghanistan waren. „Wenn das Land Ölreserven hätte, würde das womöglich anders klingen.“ Ein schaler Trost, den man mithilfe einer Gedächtnisstütze kurz kontextualisieren sollte. Der Grund, warum Afghanistan überhaupt zum „Trainingsfeld des Terrorismus“ heranreifen konnte, war nicht zuletzt der Intervention der USA geschuldet, die anhand islamistischer Milizen das von Russland unterstützte Regime stürzen wollten. Aus dem anschließenden Machtvakuum konnten schlussendlich die Taliban 1996 die Kontrolle über das Land an sich reißen. Der Rest ist Geschichte.

Laird Glenmore
26. August 2021 - 11.00

durch diesen Artikel kann man die Intelligenz unserer Politiker erkennen und von solchen Menschen wird unser Land regiert und nach außen repräsentiert, im Grunde genommen müsste man darüber schmunzeln wenn es nicht so ernst wäre. Alter Spruch : Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln. Das was unsere Regierung kann ist das Volk, also deren Wähler und Finanziers Abzuzocken und zu berar---- .

Jengi
26. August 2021 - 9.05

Waat hun mir do eng politësch Gesellschaft, egaal waat, ëmmer méi Nullekackerten. Wann ëtt brenzlég gëtt dann séier de Kapp an de Sand. Ett sténkt bis zum Himmel.

RM Clemens
25. August 2021 - 23.24

Wat en topegen Artikel!

jean-pierre goelff
25. August 2021 - 22.17

An all Zirkus muss een Clown sin.........an Lëtzeburg huët der zwee!

d'MIM
25. August 2021 - 19.49

Déi zwee musse selwer lachen iwwert Dommheeten déi se zum beschte ginn