AfghanistanInterview mit Verteidigungsminister Bausch: „Luxemburger Beteiligung ist kein PR-Manöver“

Afghanistan / Interview mit Verteidigungsminister Bausch: „Luxemburger Beteiligung ist kein PR-Manöver“
François Bausch („déi gréng“) hat sich am Dienstagnachmittag mit dem Tageblatt unterhalten Foto: Editpress/Alain Rischard

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François Bausch („déi gréng“) hat sich in der vergangenen Woche um die luxemburgische Koordination der Einsätze in Afghanistan gekümmert. Im Tageblatt-Interview hat der Verteidigungsminister über die Luxemburger in Kabul, das Flugzeug A400M und seinen Urlaub in Italien gesprochen.

Tageblatt: Die neun Menschen mit Verbindung zu Luxemburg sind mittlerweile in Sicherheit …

François Bausch: Ja, die Menschen, die wir evakuieren wollten, haben wir alle evakuiert. Die Familie mit den drei Kindern hat luxemburgische Pässe. Die anderen haben eine Adresse in Luxemburg. Der Einsatz ist über Belgien gelaufen: Die Belgier holten sie in Kabul ab und führten sie bis zum Flughafen.

Am Anfang sprach die Regierung von sechs Menschen mit Verbindung zu Luxemburg. Mittlerweile sind es neun. Warum?

Als Kabul fiel, sind wir davon ausgegangen, dass keine Luxemburger vor Ort wären. Das Außenministerium hat uns am Freitag, dem 13. August noch mitgeteilt, dass sich kein Luxemburger in Kabul befinde. Montags haben sich dann die Menschen mit Luxemburger Pass gemeldet. Und später haben noch weitere Menschen das Außenministerium kontaktiert.

Hätte man nicht früher nachfragen müssen?

Stellen Sie sich mal vor, morgen ist ein Putsch in Thailand zum Beispiel und da sitzt ein Luxemburger am Strand. Der meldet sich ja nicht bei uns, bevor er dorthin reist. Die Luxemburger in Afghanistan standen nirgendwo auf einer Liste. Man kann sich auch die Frage stellen, warum sie sich nicht früher bei uns gemeldet haben. Sobald wir wissen, dass sich dort Menschen befinden, tun wir das Maximum als Staat, um ihnen zu helfen. Trotzdem hat jeder noch ein Minimum an Eigenverantwortung – dann muss man vielleicht auch den Reflex haben, zum Telefon zu greifen und anzurufen.

Warum schicken Sie noch zwei Luxemburger in das Gebiet?

Wir haben mit dem Außenministerium beschlossen – obschon wir eine gute Zusammenarbeit mit Belgien haben –, unsere eigenen Leute nach Afghanistan zu schicken. Diese zwei sind im belgischen Team integriert und sollen sich spezifisch um Luxemburger Fragen kümmern. Die beiden sollen prinzipiell bis nach Kabul reisen – und dann auch nur bis zum Flughafen. Dadurch haben wir eine direkte Linie ins Krisengebiet. Wir wollten uns alle Möglichkeiten geben. Eine Person ist ein Offizier der Armee und kümmert sich um den militärischen Teil. Die andere ist für das Außenministerium im Einsatz. Sie bleiben nur so lange vor Ort, wie ihre Sicherheit gewährleistet ist.

Die USA wollen und müssen sich laut Abkommen mit den Taliban am 31. August aus Afghanistan zurückziehen. Ist das zu früh?

Das hängt davon ab, wie viele Anfragen von Menschen, die aus Kabul rauswollen, noch kommen. Wir haben unsere Leute jetzt erst einmal raus. Sobald die Amerikaner abziehen, ist es fast unmöglich, noch zu bleiben. Sie sind momentan mit 6.000 Soldaten vor Ort und kontrollieren das Gebiet. Der Wunsch, den Flughafen so schnell wie möglich zu räumen, ist definitiv da, denn den momentanen Zustand kann man nicht lange aufrechterhalten. 

War das Chaos am Flughafen nicht vorauszusehen? Hat sich das nicht schon früher angedeutet?

Nein, niemand konnte voraussehen, dass die Regierung innerhalb von zwei Wochen zusammenbrechen würde – oder dass tausende Menschen zum Flughafen laufen würden. Das kam in dem Ausmaß überraschend. Deswegen hat es auch ein paar Tage für die Koordination gedauert. Die Europäer – und das muss man auch sagen – waren am Anfang nicht gut organisiert, doch nach dem NATO-Außenministertreffen vergangene Woche hat die Koordination wesentlich besser funktioniert. Die Europäer haben jetzt auch relativ schnell ihre Leute aus Afghanistan bekommen.

Was halten Sie generell davon, wie der Rückzug der Amerikaner abgelaufen ist?

Das ist eine Katastrophe. Zwei Sachen: In der EU gab es eine große Skepsis gegenüber der Idee, sich so schnell zurückzuziehen. Trotzdem muss man noch mal betonen, dass niemand erwartet hat, dass Kabul so schnell an die Taliban geht. Das sagt natürlich etwas über die Glaubwürdigkeit des afghanischen Regimes aus – sonst wäre ein Zusammenbruch innerhalb von zwei Wochen nicht möglich gewesen. Zweitens ist es verständlich, dass die Vereinigten Staaten ihre Leute aus dem Gebiet ziehen wollen. Ich mache mir jetzt vor allem große Sorgen über die Migrationsdiskussion, die momentan in Europa die Runden macht. Ich fürchte, dass die ganze Flüchtlingsproblematik wieder ähnlich chaotisch diskutiert wird wie in der Vergangenheit. Das war ein Desaster und hat die EU in ein schlechtes Licht gerückt.

Werden wir denn etwas aus diesen Fehlern lernen?

Das ursprüngliche Vorhaben, Al Kaida aus dem Land zu entfernen, ist gelungen, aber danach gab es keinen richtigen Plan. Daraus müssen Lehren gezogen werden. Trotzdem dürfen wir daraus nicht schließen, dass wir nie mehr irgendwo eingreifen dürfen. Vielmehr muss man sich fragen, was nach einem Eingreifen getan werden muss. Das sind wichtige Fragen. Ein militärischer Einsatz soll nur das allerletzte Mittel sein. Das Militär soll bei der Stabilität helfen – aber Stabilität entsteht nicht durch das Militär. Dafür ist eine Entwicklungsperspektive durch Strukturen und die Regierung nötig – beides war in Afghanistan nicht gegeben.

 Foto: Editpress/Alain Rischard

Wie wurde entschieden, wo die luxemburgischen Ressourcen eingesetzt werden?

Das Europäische Lufttransportkommando (EATC) hat alle Einsätze koordiniert und definiert, wen wir wann mit welchem Flugzeug evakuieren. Das ist eine Bündelung von Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Ohne diese Zusammenarbeit hätten die Einsätze nicht funktioniert. Stellen Sie sich vor,  jeder hätte für sich daran gearbeitet – Luxemburg hätte absolut keine Möglichkeit gehabt, sich einzubinden. Deswegen ist es auch nicht relevant, wer in welchen Flieger einsteigt und wessen Logo auf der Maschine ist. Sie sind alle mitgenommen worden, so wie sie gekommen sind.

Der luxemburgische A400M ist allerdings nicht in Kabul gelandet, weil er nicht die nötigen Zertifizierungen hatte …

Wir haben das Flugzeug noch nicht lange (Anm. d. Red: seit Oktober 2020). Damit man dort landen darf, muss man viele Stunden Übungen durchlaufen. Ein Abgeordneter hat in einem Tweet gefragt, warum das Flugzeug zu dem Zeitpunkt in Frankreich flog. Diese Flüge gehören zu den Übungen, die absolviert werden müssen, um die Lizenzen zu bekommen. Die Ausbildungen haben sofort nach der Lieferung angefangen. Trotzdem hat der Luxemburger A400M an dem Einsatz teilgenommen: Unser Flugzeug ist mit Material der belgischen Armee nach Islamabad geflogen. Es war Zufall, dass die Maschine zu dem Zeitpunkt frei war – es hätte auch eine andere sein können. Es wird eben das Flugzeug genommen, das gerade bereitsteht.

Ist die Beteiligung unserer Flugzeuge denn wirklich nötig oder ist das nur ein PR-Manöver?

Ich musste schmunzeln, als ich das in einer Zeitung gelesen habe. Das war definitiv keine PR-Aktion. Die belgische Armee musste Material nach Islamabad bringen und unser A400M-Flugzeug war bereit für diesen Einsatz. Wir haben nie gesagt, dass wir unser Flugzeug spezifisch benutzen wollen, um die Luxemburger zu evakuieren. Am Anfang wurde sofort kritisiert, warum wir nicht jede Menge Flugzeuge dorthin schicken. Wir müssen aber zuerst wissen, was die dort machen sollen. Es ergibt keinen Sinn, einfach Flieger zu entsenden.

Wann haben Sie herausgefunden, dass Luxemburger in Kabul festsitzen?

Am vergangenen Montag.

Sie waren noch bis Samstag im Urlaub. Warum sind Sie nicht eher zurückgekommen?

Warum hätte ich aus den Ferien zurückkommen sollen? Herr Asselborn war auch noch bis Samstag weg. Ich kann Ihnen sagen, meine letzte Ferienwoche war ziemlich „verschass“ – ich saß von morgens bis abends am Telefon. Wo sind wir denn? Wir können doch nicht anfangen, darüber zu diskutieren, dass ein Minister kein Recht hätte, in den Urlaub zu fahren …

Das habe ich so nicht gesagt.

Doch, das stand doch so in der Zeitung. Nach dem Motto: „Der ist im Urlaub“. Es war so oder so vorgesehen, dass ich samstags aus dem Urlaub komme. Also wo war das Problem?

Hat der Urlaub denn nicht die Koordination erschwert?

Nein, absolut nicht. Ich hatte Kontakt mit meinen Leuten. Ich hätte in Luxemburg nicht mehr machen können als in Italien. Ich habe von Montag bis Freitag mit meinen Leuten telefoniert. Man muss trotzdem mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben. Offiziell war niemand aus Luxemburg in Kabul. Das waren alles Privatleute, die sich nirgendwo gemeldet hatten und dann montags angerufen haben. Ich konnte alles, was ich zu tun hatte, tun – während meines Urlaubs, will ich betonen.

jean-pierre goelff
26. August 2021 - 13.06

Mr.Heini,där leit zu 100% richtig,ech hoffen just dass den lëschten Saatz nit stëmmt an daat nit antrëft.Mee,ech gesin schwarz.....

Heini
26. August 2021 - 9.12

All Gesabbels vun Politiker ass egaal waat, Taliban daat ass ëppes wéi een Beiennascht, keen kritt datt dooten méi an den Grëff, Europa gëtt iwerrannt vun Flüchtlingen, deen 3.Weltkrieg ass virprogramméiert.

Kemp, J.C. Kemp
25. August 2021 - 20.15

@schullerpiir: Einem 3-fach Agenten jedenfalls nicht.

jeff
25. August 2021 - 12.35

@H.Horst Ech sinn do anerer Meenung. Wei den Här Asselborn gesot huet, kann ee kengem seng Wäerter opdrängen - an dat ass gemaach ginn. Déi ganz Friddensmissioun ass komplett verfeelt ginn. Et kann keen mir soen dass Politiker net gemierkt hunn, dass et e kompletten Desaster wier, mä aplaz sech dat anzegestoen, sinn se nach aner Länner als noutwendegen Präventivkrich ugräifen gaangen. Irak bis Syrien - alles faul Geschichten ouni Konsequenzen fir ons Politiker. Mir dinn déi Leit leed déi duerch déi Westlech Arroganz hiert ganz Liewen an engem Krichsgebitt gelieft hunn, an ech kann et verstoen, dass mir vu villen Mënschen op der Welt Gehaasst ginn  

Paul
25. August 2021 - 12.21

Wat en arroganten, ofgehuewenen Egoman! En huet iergendwéi vergiess vun wou en kënnt.

Claude Ingenius
25. August 2021 - 11.25

Hochmut kommt stets vor dem Fall!

schullerpiir
25. August 2021 - 11.10

Wahlen 2023. Welchem dieser Komikertruppen werden sie Ihre Stimme geben???

En
25. August 2021 - 10.52

Bravo Här François Bausch. Wat dir net alles wësst a kënt a maacht. Déi verschassen (wéi är Vakanz) blöd Änwerten gin engem zanter laangem op de Geescht. Et wär méi schéin a besser vir Lëtzebuerg wan dir net Minister wärt. Loost emol eng "Studie" doriwer machen. Studien vir vill Suen si jo och eng vun ären Spezialitéiten. :-(

Gilles Louschetter
25. August 2021 - 10.44

Wie kann sich auch eine Zeitung erdreisten , zu erwähnen dass Ihre Majestät in Urlaub ist.......

H.Horst
25. August 2021 - 9.07

@jeff/ D'Situatioun as, wéi dir schreiwt, eekelhaft. Et schengt effektiv sou ze sin wéi wann d'Taliban op d'Mannst zum Deel op hiir bekannten Terrorherrschaft zreckgräifen. Wann mer allerdengs als Westen der Missioun am Afghanistan nët virun 20 Joer zougestëmmt hätten....da wiere lo schons 20 Joer Terrorherrschaft duerch d'Land gangen. Lo as eng Generatioun grouss gin vun denen der awer vill gesin hun, dat eng aner Welt méiglech as, d.h. de Käer vum Fräiheetsgedanken as ageplanzt gin.....an dee kréien d'Taliban nët vernicht.

Wieder Mann
25. August 2021 - 8.17

Wenigstens kann Herr Bausch sich eines üppigen Gehaltes und Vorteile erfreuen, auch wenn der Urlaub „ verschass wor „. Für viele Arbeitnehmer, Bürger ist der Tag auch „ verschass „, die tagtäglich merken wie Lebenshaltungskosten steigen, der Handel die CO2 Steuer Kosten auf den Konsumenten abwälzt, der Lohn, die Rente an Wert verliert, neue Verordnungen den Bürger gängeln. Der Unterschied zwischen Bürger und Politiker Bausch „ et huet keen hien gezwongen, opgefuerdert an d‘Politik ze goen, sain fraiwellegen Choix „.

jeff
25. August 2021 - 8.14

Här Bausch, wat soll ee vu Mënschen erwaarden déi 20 Joer laang duerch gezielten Medien Propaganda gezielt kréien wéi schlecht Taliban, IS etc sinn, an dann ginn se vun onse Politiker am Stach gelooss? Ass et net normal dass déi Flüchten wëllen? Den Ofzuch vun den Amerikaner stoung schonn säit laangem fest, an do war genuch Zäit fir Situatioun ze analyséieren an déi Léit déi, bei der sougenannte Friddensmissioun gehollef hunn, a Sécherheet ze bréngen. Et kann dach keen esou naiiv sinn a mengen dass déi Leit nom Krich a rou mat hiren Géigner liewen kennen. Et ass en Hohn dass Dir iech elo dohinner setzt, an den Afghanen schold fir déi Situatioun gitt, well se keen Widderstand geleescht hunn. Fir mech, an ech drécken et elo ganz fein aus, ginn ech dat Gefill net lass, dass all déi Politiker déi der Friddensmissioun zougestëmmt hunn, blutt un den Hänn huet, a sech all hannerfroen missten, wei se mat der Situatioun eens ginn. Hëllefen sollen se, an dann fléien Fligeren fort mat léit op den Turbinnen setzen .... esou eng Politik ass einfach nëmmen eekelhaft 

Realist
25. August 2021 - 7.45

Gäbe es Herrn Bausch nicht, man müsste ihn erfinden. Schon allein, um die Tristesse der luxemburger Politik ab und an mit lustigen Stellungnahmen wie dieser aufzuhellen, wo er wieder mal Vorwürfe entkräften möchte, die niemand gemacht hat. Selbstverständlich ist das ganze Afghanistan-Abenteuer kein "PR-Manöver". "Leider", ist man versucht zu sagen. Denn wäre es eins, könnte man die zuständige PR-Firma ob ihrer grottenschlechten Arbeit auf viele Millionen Schadensersatz verklagen. So aber bleibt der schwarze Peter bei Herrn Bausch und seinen Regierungskollegen, ganz egal wie wortreich er sich jetzt wieder heraus zu schlawinern versucht.