Spanien„Wieder am Rand des Abgrunds“: Neue Coronawelle überrollt Mallorca, Kanaren und Katalonien

Spanien / „Wieder am Rand des Abgrunds“: Neue Coronawelle überrollt Mallorca, Kanaren und Katalonien
In Palma de Mallorca überwacht ein Polizist die Zwangsquarantäne von Schülern in einem Hotel Foto: dpa/Isaac Buj

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Auf Mallorca wächst die Wut auf junge Party-Touristen. Exzessives Feiern führte zu neuen Clustern – sogar bis nach Luxemburg. Jetzt steht die Sommersaison auf dem Spiel. Noch düsterer sieht es in Katalonien aus.

Francina Armengol ist wütend: „Wenn jemand vorhat, nach Mallorca zu kommen, um sich schlecht zu benehmen, dann sollte er besser gleich zu Hause bleiben.“ Der Zorn der Insel-Regierungschefin gilt jenen jungen Touristen, die mit ihren Partyexzessen im Juni dazu beitrugen, dass Mallorca gerade einen heftigen Coronarückfall erlebt. Ein Absturz, der durch unkontrollierte Fiestas und durch die Delta-Virusvariante angefacht wurde. Und der die touristische Sommersaison auf der beliebten Urlaubsinsel in Gefahr bringen könnte.

Dieses Szenario ist ein Albtraum für Hunderttausende europäische Urlauber, die im Juli oder August eigentlich ihre Ferien auf Mallorca verbringen wollen. Monatelang war die Lage stabil und die Zahl der Neuansteckungen extrem niedrig. Doch ausgerechnet jetzt, zu Beginn der Hochsaison, explodieren die Infektionszahlen. „Eine Katastrophe“, heißt es aus der Hotelbranche, die zittert, dass Corona auch den zweiten Sommer in Folge ruinieren könnte. Die wirtschaftlichen Folgen für den Tourismus könnten „dramatisch“ sein, warnt Simón Pedro Barceló, Chef des mallorquinischen Hotelkonzerns Barceló.

„Schwindelerregend“

„Die Fallzahlen steigen schwindelerregend“, titelt die Zeitung Diario de Mallorca. Nach den letzten verfügbaren Daten hat sich die Wocheninzidenz auf der Baleareninsel binnen kurzer Zeit mehr als vervierfacht. Zuletzt lag die offizielle 7-Tage-Inzidenz bei 82, für die gesamte balearische Inselgruppe bei 94 – mit stark steigender Tendenz. Ab dem Grenzwert von 50 kann zum Beispiel Deutschland, der wichtigste Reisemarkt Mallorcas, eine Region zum Risikogebiet erklären. In Deutschland selbst liegt der Vergleichswert derzeit bei unter fünf.

Die hochansteckende Delta-Variante ist nach Angaben von Javier Arranz, Corona-Sprecher der Inselregierung, bereits für wenigstens 28 Prozent aller Ansteckungen auf Mallorca verantwortlich ­­– auch dieser Wert steigt rasant. In anderen spanischen Feriengebieten, wie etwa in Katalonien, wird der Delta-Anteil inzwischen auf 50 Prozent geschätzt.

Deswegen wächst die Furcht, dass die Lage in Spanien, dem beliebtesten Ferienland der Deutschen, wieder außer Kontrolle geraten könnte: Werden die Trauminsel Mallorca und andere spanische Urlaubsgebiete demnächst ebenfalls vom deutschen Robert-Koch-Institut (RKI) als Virusvariantengebiet eingeordnet? Wie dies zuvor schon mit Portugal geschah, wo Delta bereits der vorherrschende Virustyp ist?

Portugal-Rückkehrer müssen deswegen nun in Deutschland grundsätzlich in Zwangsquarantäne – sogar wenn sie geimpft sind und einen negativen Test vorweisen. Zehntausende Urlauber stornierten als Folge ihre Portugal-Ferien. „Ein schwerer Schlag“ für die portugiesische Reisebranche, sagt João Fernandes vom Fremdenverkehrsamt an der Algarve-Urlaubsküste.

„Sollte das auch mit Mallorca passieren, dann ist die Sommersaison 2021 am Ende, und wir müssen die Hotels dicht machen“, sagt Willi Verhuven, Chef des Reiseveranstalters Alltours. Verhuven sieht die Insel bereits wieder „am Rande des Abgrundes“. Er fordert ein Verbot des Sauftourismus, strenge Kontrollen und harte Strafen. Mallorcas Sperrstunde, die derzeit erst um zwei Uhr morgens beginnt, sollte nach Meinung Verhuvens wieder auf 23 Uhr vorgezogen werden.

Verfrühte Werbung

Portugal warb im Frühjahr, ähnlich wie Mallorca, mit sehr niedrigen Infektionszahlen und freute sich auf einen Neustart des Tourismus. Dieser Traum ist geplatzt: Die beiden meistbesuchten Urlaubshochburgen, Lissabon und die Algarve, wurden über Nacht wieder zum Hochrisikogebiet: Die Algarve weist inzwischen eine 7-Tage-Inzidenz von 284 Fällen pro 100.000 Einwohnern auf, der Wert für Lissabon liegt bei 269. Inzwischen gilt dort wieder eine nächtliche Ausgangssperre.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Situation auf Mallorca ähnlich eskaliert. Tausende spanische Schüler waren im Juni an Mallorcas Playa de Palma gekommen, um dort ihren Schulabschluss zu feiern. Wenigstens 1.800 von ihnen reisten anschließend mit einer Coronainfektion wieder nach Hause. Auch eine Jugendgruppe aus Luxemburg, die sich auf Mallorca befand, steckte sich an. Ein Desaster für das Image des Mittelmeerparadieses, das damit wirbt, ein „sicheres Ferienziel“ zu sein.

Mallorca ist nicht der einzige Coronabrennpunkt Spaniens. In der nordspanischen Ferienregion Katalonien mit der Costa Brava und der Mittelmeermetropole Barcelona sieht es noch schlimmer aus. Dort sprang die 7-Tage-Inzidenz auf 233 Fälle pro 100.000 Einwohner – Katalonien wurde deswegen von Deutschland gerade wieder zum Risikogebiet erklärt; das südspanische Andalusien mit der Urlaubsküste Costa del Sol ist laut RKI schon länger Risikogebiet. Auf der Kanareninsel Teneriffa ist der Inzidenzwert schon bei 132, im benachbarten Strandparadies Fuerteventura bei 98. Die landesweite Inzidenz Spaniens liegt inzwischen bei über 100.

Bereits Spaniens fünfte Coronawelle

In ganz Spanien werden derzeit pro Tag etwa 12.000 neue Infektionsfälle gemeldet. Bedenkliche Zahlen, die an die hohen Ansteckungsraten früherer Viruswellen erinnern. Für Spanien ist es übrigens schon die fünfte Coronawelle, die nun über das Königreich rollt. Das Land gehörte in der Vergangenheit immer wieder zu den europäischen Hotspots.

Als Trost bleibt nur, dass die meisten Infektionsfälle sehr viel leichter als früher verlaufen. Zweifellos ein Erfolg der Massenimpfung, die auch in Spanien gut vorankommt. Annähernd 40 Prozent der Bevölkerung haben inzwischen den kompletten Impfschutz. Trotzdem liegen immer noch 2.400 Covid-Patienten im Krankenhaus, etwa 600 davon auf der Intensivstation. Die Zahl der Einlieferungen ins Hospital nimmt nun ebenfalls wieder zu.

Diese Entwicklung zeige, dass Corona noch lange nicht unter Kontrolle sei, mahnt Spaniens Virologen-Dachverband. Die Euphorie der spanischen Regierung, die bereits den Sieg über die Epidemie verkündete und deswegen kürzlich die Maskenpflicht im Freien eliminiert habe, sei wohl etwas verfrüht gewesen.

marci
4. Juli 2021 - 19.45

"Es gibt nur zwei unendliche Dinge: Das Universum und die menschliche Dummheit, wobei ich mir beim Universum nicht ganz sicher bin". Albert Einstein

HTK
4. Juli 2021 - 14.07

Dieses wurde in vielen Kommentaren bereits im April erwähnt.Alle wissen es,aber keiner hält sich dran. "Bêtise humaine".