Unser Blick aus den USAWie Trump als Staumauer gegen den Sozialismus auf Facebook seine Armee sucht

Unser Blick aus den USA / Wie Trump als Staumauer gegen den Sozialismus auf Facebook seine Armee sucht
Mann mit Trump-Maske in New York: Der US-Wahlkampf als Wettstreit um die Meinungshoheit Foto: AFP/Kena Betancur

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In den Umfragen liegt Trump hinten, entschieden ist aber noch lange nichts. Auch auf Facebook und Co. tobt der Wahlkampf. Aus New York hilft uns der Luxemburger Bob Dieschburg beim Durchblick.  

Knapp drei Wochen vor der ersten Debatte in Cleveland, Ohio veröffentlichen die Nachrichtensender CNN und Fox News ihre Prognosen zum Wahlkampf. Das Pikante dabei ist, dass auch der traditionell konservative Sender Fox den Präsidenten im Nachteil sieht und Trump einen Rückstand von bis zu neun Punkten in den Umfragewerten nachsagt. Die Quinnipiac University, deren Zahlen als Stimmungsbarometer gelten, bestätigt die Tendenz.

Auf Bundesebene bedeutet dies, dass sich bereits wenige Prozentpunkte als kritisch erweisen könnten. In den Swing States etwa zeichnet sich eine dem Wahlresultat von 2016 entgegengesetzte Konstellation ab. Hatte Hillary Clinton die Wahl in Pennsylvania zum Beispiel nur knapp verloren, so sieht eine Studie der Monmouth University den diesjährigen demokratischen Kandidaten Joe Biden jetzt vorne.

Trump selbst hat die neuen Zahlen als Fake News verworfen und den überwältigenden Erfolg seiner Kampagne per Twitter annonciert. Allerdings dürfte auch ihm nicht entgangen sein, dass weder der Nominierungsparteitag der Republikaner noch seine Inszenierung als Hüter von Recht und Ordnung sich positiv auf die Umfragen auswirkten.

Republikanische Medienoffensive schürt Angst

Wie sich der politische Diskurs in den USA derzeit gestaltet, zeigt sich an der Werbestrategie des TMAGAC oder „Trump Make America Great Again Committees“. Als Fundraiser der Konservativen beschwört das Komitee die Urängste der US-amerikanischen Gesellschaft, die es mit Biden und seinem vermeintlich sozialistischen Programm identifiziert. So ständen nicht nur das Second Amendment mit seinem Recht auf Waffenbesitz, sondern auch die grundrechtliche Freiheit des Volkes auf dem Spiel.

Trump-Werbung, wie sie die sozialen Netzwerke in den USA zurzeit überschwemmt – und trotzdem sieht die „sozialistische“ Seite auf dem Foto irgendwie schöner aus  
Trump-Werbung, wie sie die sozialen Netzwerke in den USA zurzeit überschwemmt – und trotzdem sieht die „sozialistische“ Seite auf dem Foto irgendwie schöner aus   Foto: Screenshot

Als Veranschaulichung kursiert in den Medien eine Montage, die Trump als Bollwerk gegen die Linksliberalen stilisiert: In einer Fotografie des Hoover-Damms stellt das TMAGAC den Präsidenten als schützende Staumauer vor den Fluten des Sozialismus dar. Auf seiner Homepage warnt das Trump-Team zudem vor den Lügen der Demokraten und offeriert auserwählten Spendern eine Reise nach Cleveland, wo nach eigenen Aussagen Biden „zerstört“ werden soll.

Diese kriegerische Rhetorik folgt auf eine tagelange Werbekampagne, die das republikanische Lager zeitgleich zur Nominierung Bidens als Präsidentschaftskandidaten startete. Bis zu zehn Millionen US-Dollar soll die Offensive im August gekostet haben. Während des viertägigen Nominierungsparteitags der Demokraten monopolisierte Trump nicht nur Facebook und Youtube, sondern auch den Streaminganbieter Hulu und die traditionellen Printmedien.

Biden führt persönlichen Wahlkampf

Demgegenüber zeigen sich Joe Biden und Kamala Harris als Heiler der Nation; anders als Trump, der in den Ausschreitungen rund um die „Black Lives Matter“-Bewegung die Hand von Anarchisten sieht, nimmt Biden die Gewalt als Ausdruck der Unversöhnlichkeit wahr. Dabei mutet sein Gestus oft religiös an, wie die eindringlichen Bilder seines Auftritts in der Grace Lutheran Church in Kenosha es deutlich machen. Immerhin wäre er der erste katholische Präsident seit Kennedy und aus seinem tiefen Glauben macht er keinen Hehl.

Martialischer Ton: Kämpfen für den US-Präsidenten in der „Armee für Trump“
Martialischer Ton: Kämpfen für den US-Präsidenten in der „Armee für Trump“ Foto: Screenshot

Die Überlagerung des Politischen mit seinem persönlichen Schicksal bestimmt dann auch den weiteren Verlauf seines Wahlkampfs. So laufen seit Donnerstag die mit „Defend“, „Personal“ und „Reeling“ überschriebenen Videos, die das Coronavirus als Vorlage für Bidens geplanten Ausbau des Obamacare-Programms nutzen. Die Krankenversicherung seiner Mitbürger verspreche er zu schützen wie seine eigene, die ihn bei dem Unfalltod seiner Frau und Tochter vor dem Ruin bewahrte.

Fast überraschend hingegen ist die Zurückhaltung, mit der Harris und Biden auf die verbalen Attacken des Präsidenten reagieren. Selten adressieren sie ihn namentlich und auch die Kritik an Trumps Management der Pandemie oder seine Verleumdung der Kriegsgefallenen wird eingebettet in einen breiteren Diskurs: Das Land habe seine Richtung verloren und der vielbeschworene Patriotismus müsse an beiden Enden des politischen Spektrums restauriert werden, um Amerika vor sich selbst schützen zu können. Einen schärferen Tonfall finden die Demokraten lediglich im Kontext der andauernden Gewalt, für die sie Trump persönlich verantwortlich machen. Deshalb seien auch die Wahlen am 3. November die vielleicht wichtigsten in der Geschichte der USA.