ReiseberichtWelten am Mekong: Unterwegs in Südlaos

Reisebericht / Welten am Mekong: Unterwegs in Südlaos
In der südostasiatischen Regenzeit ist mit heftigen Unwettern zu rechnen Fotos: Laila Bintner

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Kleine Städte und große Felder: So erlebe ich den Süden von Laos. In diesem besonders untouristischen Teil des Landes nehme ich mir Zeit, das lokale Leben kennenzulernen. Dazu reise ich nach Don Nangloy, einer Insel im Mekong mit nur einem einzigen Gasthaus. Danach fahre ich weiter in die Kleinstadt Pakse und erlebe dort einen ganz besonderen Sonnenuntergang. Einblicke in ein Land, über das nur die wenigsten viel wissen.

Ein weiterer Blitz zeichnet sich auf dem nächtlichen Himmel ab. „Ich hoffe, es schlägt keiner hier ein“, versuche ich über die Geräusche des Donners hinweg zu sagen. Schon mehrere Wochen erlebe ich jetzt die südostasiatische Regenzeit, habe mich aber noch immer nicht an die Unwetter gewöhnt. Die Gewitter hier in Asien sind gewaltiger als die in Europa, dabei haben mir auch diese schon immer irgendwie Angst gemacht.

Zusammen mit einem Pärchen aus Belgien und unserem Gastgeber sitze ich an einem Tisch und esse ein laotisches Nudelgericht. Der Pavillon auf der Wiese des Gasthauses schirmt uns von dem heftigen Regen ab. Ich hoffe, er hält auch Blitzen stand.

Ich wollte einen untouristischen Teil von Laos sehen und bin deshalb zu dem einzigen Gasthaus auf der Insel Don Nangloy im Mekong-Fluss gereist. Die Fahrt hierhin war ein kleines Abenteuer: Ich musste den Bus in Richtung der nächsten größeren Stadt nehmen und den Fahrer bitten, mich an einer Kreuzung auf der Hälfte der Strecke herauszulassen. Von dort hat mich ein Motorradtaxi zu dem kleinen Hafen gebracht, der aus einigen Holzbooten am Ufer des Flusses besteht. Mit einem dieser Boote wurde ich dann nach Don Nangloy gebracht. „Da rauf“, meint der Fahrer, als er einen Bambusstab in den Grund des Flusses rammt und das Boot vor einem dicht bewachsenen Hang stehen bleibt. Ich klettere diesen mit meinem Gepäck herauf und hüpfe über einen Zaun. Dann befinde ich mich endlich auf dem Grundstück des Gasthauses: auf einer Wiese mit einigen kleinen, hölzernen Bungalows. In einem davon werde ich zwei Nächte verbringen. Die Unterkunft ist einfach, aber hat alles Nötige: ein Bett, ein Moskitonetz, ein Fenster und einen kleinen Balkon mit Hängematte. Nur das Badezimmer ist etwas schwieriger zu erreichen: Es liegt auf einer Wiese, auf die man nur gelangt, wenn man erst einen Bambuszaun abmontiert. Als ich die Dusche einmal benutzen will, kommen mir gerade N. und J. aus Belgien entgegen. „Pass auf den Skorpion auf!“, ruft mir N. entgegen.

„Lao style“

„Lao style“, meint der Gastgeber P., als er mir mein Zimmer zeigt. Er hat das Gasthaus selbst aufgebaut und organisiert hier auch Englischkurse für lokale Kinder. Reisende können gegen kostenlose Unterkunft hier auch für einige Tage oder Wochen unterrichten.

P. hat von seinen frühen Teenagerjahren bis zum Anfang seiner Zwanziger als Mönch in einem buddhistischem Tempel gelebt. Die Tempelschule war für ihn eine Möglichkeit, an gute Schulbildung zu kommen. Das Bildungssystem in Laos war zu der Zeit noch nicht gut entwickelt, wodurch Tempelschulen manchmal die einzige Möglichkeit waren, die Ausbildung nach der Grundschule weiterzuführen. P. erinnert sich gerne zurück an seine Zeit im Tempel. Wenn sein Kind aufgewachsen ist und er das Gefühl hat, genug für die lokale Gemeinschaft getan zu haben, will er wieder in einem Tempel leben. „Dort finde ich Frieden“, meint er und erzählt von einem idyllischen Leben in der Natur, das den Lehren des Buddha und der Meditation gewidmet ist. Nachdem er schlafen gegangen ist, rede ich noch eine Weile mit dem Pärchen aus Belgien, das mit mir die einzigen Gäste sind. „Unsere Vorstellungen von Glück sind so verschieden“, meint N. Für P. ist das Leben, das er sich hier aufgebaut hat, eher ein Dienst an seiner Gemeinschaft. Er verbindet sein Glück nicht mit Familie, privatem Besitz oder Karriere, sondern mit einem Leben als Mönch.

An einem Tag mache ich einen langen Spaziergang, der mich über die gesamte Insel führt. Begleitet werde ich von dem Hund des Gasthauses. Er läuft immer einige Schritte vor mir und gibt mir so das Gefühl, dass er mich über die Insel leitet, auch wenn er zwischendurch in fast jeden Garten eindringt und dort die Hühner aufscheucht oder die Hunde anbellt. Zusammen durchqueren wir Laub- und Bambuswälder, Reisfelder und kleine Dörfer. Ich sehe, wie Einheimische fischen und auf den Reisfeldern arbeiten. Manchmal laufen mir ganze Horden von Kühen oder Büffel entgegen. „Bist du alleine unterwegs?“, fragt mich ein Mann, als ich eine Flasche Wasser kaufe. „Nein“, antworte ich und deute auf den Hund. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf mich aufzupassen. Alle paar Schritte dreht er sich um und geht sicher, dass ich ihm noch folge. Auch nach dem Spaziergang will er nicht von meiner Seite weichen. Er wartet immer vor der Tür meines Bungalows auf mich und versucht sogar stur, in mein Bett einzuziehen. Als ich im Boot auf dem Weg zurück aufs Festland sitze, versucht er mir nachzulaufen. Sein Bellen höre ich noch lange. Ich frage mich, ob er weiß, dass er mich nie wieder sehen wird.

Besuch in Pakse

Bei vielen Städten entscheide ich bereits innerhalb der ersten Minuten, ob ich sie mögen werde. Jede Stadt hat ihre eigene Atmosphäre, und ich mag, wie sich Pakse anfühlt. Dabei hat die kleine Stadt in Südlaos eigentlich kaum nennenswerte Sehenswürdigkeiten.

Abends setze ich mich auf eine Mauer am Fluss, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Ich bin plötzlich unglaublich glücklich, hier zu sein. So viele spezifischen Entscheidungen haben dazu geführt, dass ich jetzt auf genau dieser Mauer sitze. Vor einem Jahr hätte ich niemals gedacht, dass ich jetzt in einer Stadt in Südlaos wäre, von der ich damals noch nie gehört hatte. Das gibt mir das Gefühl, dass das Leben noch voller Überraschungen ist.

Aus den Fenstern des Gebäudes hinter mir betrachten ein paar junge Mönche den Sonnenuntergang. Einige von ihnen kommen heraus, um Fotos zu machen.

Wenig später komme ich mit einem jungen Mann ins Gespräch, der die Mönche begleitet. Er erklärt mir, dass es sich um eine Tempelschule handelt. L. selbst ist kein Mönch mehr. Er hat in Thailand studiert und arbeitet jetzt hier in Pakse. Er mag die Stadt, aber träumt davon, eines Tages aus Laos auszuwandern. „Es gibt einfach keine Chancen hier“, meint er. Die Wirtschaft sei am Boden und die Regierung repressiv. Es stimmt, dass Laos zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern Südostasiens zählt. Zudem herrscht ein Ein-Parteien-System: Die marxistisch-leninistische Laotische Revolutionäre Volkspartei hat seit 1975 das Machtmonopol. Das Gespräch mit L. bringt mich der Lebensrealität in Laos näher, aber erinnert mich auch daran, wie weit ich von ihr entfernt bin. Es fällt mir schwer, mir sein Leben vorzustellen, und er wird auch nie wirklich etwas von meinem wissen. In diesem kleinen Moment aber sind unsere Leben gleich. Wir teilen uns die Mauer und den Fluss und das letzte Leuchten der Sonne.