VerbraucherschutzULC-Präsident: „Regierung hätte bei Bargeld-Verweigerern Exempel statuieren sollen“

Verbraucherschutz / ULC-Präsident: „Regierung hätte bei Bargeld-Verweigerern Exempel statuieren sollen“
„Wir können den Finger in die Wunde legen, handeln muss der Gesetzgeber“, so Nico Hoffmann, Präsident der Luxemburger Verbraucherschutzorganisation ULC Foto: Editpress/Julien Garroy

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Rezente Corona-bedingte Preissteigerungen findet die ULC nicht ganz seriös und die Weigerung, Bargeld anzunehmen, nennt die Verbraucherschutzorganisation immer noch eine „riesige Sauerei“. Leider könne die ULC nicht mehr tun, als auf Missstände aufmerksam zu machen, handeln müssen andere, nämlich der Gesetzgeber, so Nico Hoffmann, Präsident des Luxemburger Konsumentenschutzes im Tageblatt-Gespräch.

Tageblatt: Ist es normal, dass wegen Corona verschiedene Preise steigen, also Konsumenten mehr bezahlen müssen? 2 Euro bei einer Pizza, zum Beispiel, 5 oder mehr beim Friseur oder bis zu 30.000 Euro beim Hausbau?

Nico Hoffmann: In unseren Augen ist das nicht ganz seriös, denn im Endeffekt geht es auf Kosten des Endverbrauchers und der ist das schwächste Glied in der Kette. Die Kaufkraft der Menschen ist wegen Corona ja nicht größer geworden. Die, die bereits vor der Krise Schwierigkeiten hatten, über die Runden zu kommen, leiden jetzt unter der Preissteigerung noch stärker. Und die, die in Kurzzeitarbeitslosigkeit geraten sind, nur 80 Prozent ihres Lohnes haben, sowieso. Wir können zum Teil verstehen, dass Geschäftsleute versuchen, ihre Verluste etwas auszugleichen, aber sie sollen das vernünftig machen und die Situation des Endverbrauchers mit berücksichtigen.

Was heißt denn vernünftig?

Jedenfalls sollten sie eine Verhältnismäßigkeit wahren und nicht übertreiben, vor allem nicht bei Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs.

Aber letztendlich kann auch die Verbraucherschutzorganisation die Preissteigerungen nicht verhindern, eine gesetzliche Handhabe gibt es nicht. Was raten Sie denn, was soll man tun?

In der Tat gibt es leider eigentlich keine rechtliche Handhabe. Der Verbraucher hat es aber in der Hand, ein übertriebenes Benehmen zu sanktionieren. Er kann Preise vergleichen und bei dem einkaufen, der die Preise nicht angehoben hat oder günstiger ist. Was die Preissteigerung beim Bau anbelangt, raten wir ganz klar dazu, diese nicht anzunehmen, sondern mit dem Bauunternehmen nach einer Lösung zu suchen. Mir scheint aber auch, dass da jetzt bereits zurückgerudert wird. Auch scheinen nicht alle Unternehmen Mehrkosten berechnet zu haben oder zumindest nur bei neuen Verträgen.

Die Preissteigerungen sind ja auch nicht angekündigt worden? Die Konsumenten wussten nicht, dass sie kommen. Auch nicht normal, oder?

Nein, eine Ankündigung gab es nicht. Es scheint so als, ob der Verbraucher vergessen worden ist. Die Regierung hätte aktiver kommunizieren können. Sie hätte sagen können, dass es Corona-bedingt in verschiedenen Bereichen zu Preissteigerungen kommen kann oder wird, dass diese im Verhältnis zu den effektiven Mehrkosten sein müssen und dass eben nicht übertrieben werden darf. Sie hätte auch sagen können, dass sie die Preisentwicklung kontrollieren wird. Hat sie nicht gemacht bisher, kann aber vielleicht ja noch kommen?

Ein anderes Thema, das die ULC viel beschäftigt hat, ist, dass Geschäfte sich geweigert haben, Bargeld anzunehmen.

Da haben wir etliche Beschwerden bekommen, besonders was einen großen Bäckereibetrieb anbelangt. Die Leute, die sich gemeldet haben, waren wütend, weil sie kein Brot bekommen haben, wenn sie nicht mit Karte bezahlen konnten. Für uns ist und bleibt das eine riesige Sauerei. Bemerkenswert ist auch, dass verschiedentlich die Polizei gerufen wurde, die aber auch nichts machen konnte und die Leute an uns, an den Verbraucherschutz verwiesen hat.

Konnten Sie helfen, es ist ja gesetzlich geregelt, dass Bargeld angenommen werden muss?

Ja, es gibt einen EU-Beschluss und ein nationales Gesetz von 2017, in dem das eigentlich klar geregelt ist. Es sind sogar Strafen vorgesehen von bis zu 250 Euro. Wir haben jedenfalls diese Beschwerden gesammelt und an das zuständige Finanzministerium geschickt. Eine Antwort haben wir bis heute nicht erhalten. Wir wissen auch nicht, ob das Ministerium in den betreffenden Betrieben ein- oder durchgegriffen hat, also ob Strafen verhängt wurden. Uns scheint, dass es einfach hingenommen wurde. Allerdings hinterlässt das einen bitteren Nachgeschmack, denn wenn es so einfach ist, Gesetze zu missachten, warum haben wir denn welche?

Also wirklich helfen konnte die ULC in dem Fall nicht?

Unsere Aufgabe ist es, Beschwerden entgegenzunehmen, zu sammeln und an kompetente Stellen weiterzuleiten. Wir können den Finger in die Wunde legen, wieder und immer wieder, aber entscheiden muss letztendlich der Gesetzgeber. Der hätte bei jenen Betrieben, die sich weigerten, Bargeld anzunehmen, vielleicht ein Exempel statuieren sollen, um andere abzuschrecken und dem Gesetz zu Respekt zu verhelfen, aber das ist nicht geschehen.

Dabei ist es ja schon ein Thema, das die Gemüter bewegt. Einige denken bei solchen Aktionen an die schrittweise Abschaffung des Bargeldes. Befürchtet die ULC das auch?

Ja, zum Teil. Wir denken dabei vor allem an jene, die keine Karte haben, ältere Menschen zum Beispiel, oder die keine haben wollen. Eine bargeldlose Zukunft macht mir persönlich ein wenig Angst, wenn ich dran denke, wie man über die Kartendaten kontrolliert werden kann. Und was ist, wenn die Karte geklaut wird, wenn man sie verliert oder wenn sie aus irgendeinem Grund von einem Moment zum anderen gesperrt wird, vielleicht zu Recht, aber vielleicht auch wegen einer technischen Panne, wie vor ein paar Monaten in einem großen Supermarkt? Die ULC bleibt jedenfalls der Meinung, dass man den Bürgern die Freiheit lassen soll, zu entscheiden, wie sie bezahlen möchten. Geld und Karte müssen ebenbürtig nebeneinander bestehen bleiben.

Stichwort Reisen. Annullierung. Stornierung. Wir hatten ein langes Gespräch darüber mit dem Europäischen Verbraucherschutzbüro hier in Luxemburg. Was rät die ULC denn bei der Frage: Geld zurückfordern oder Gutschein annehmen?

Wir raten, wenn es nur geht, sich zu behaupten und das Geld zurückzufordern. Der Gutschein ist in unseren Augen nicht wirklich sicher. Zudem ersetzt der Gutschein für eine Leistung, die erst in ein paar Monaten wahrgenommen werden kann, nicht das Geld, auf das viele angewiesen sind, weil es hier und jetzt für Ferienaktivitäten benötigt wird. 

Vielleicht ein Wort zum Krisenmanagement der Regierung?

Generell kann man damit zufrieden sein.

Und die Exit-Strategie jetzt?

Damit tun wir uns etwas schwerer. Wir würden uns zum Beispiel wünschen, dass man ältere Menschen stärker aus der Vereinsamung nimmt und ihnen öfter die Möglichkeit gibt, nach draußen zu gehen und in irgendeiner Form soziale Kontakte zu haben, die enge Familie sehen zu dürfen – selbstverständlich unter Einhaltung aller nötigen Schutzmaßnahmen. Wir fragen uns auch, warum man Cafés oder Restaurants nicht erlaubt, zumindest schrittweise zu öffnen. Dies umso mehr, da das Wetter schön ist und man draußen sitzen könnte.

Und in weniger als 14 Tagen haben wir Pfingsten.

Es wäre schön, wenn da geöffnet wäre. Und falls das so ist, bleibt zu hoffen, dass die Regierung entscheidet und mitteilt, dass bereits vor Pfingsten geöffnet werden kann, damit die Café- und Restaurantbetreiber sich auf das Wochenende vorbereiten können. Zum einen würden dadurch vielleicht einige Touristen nach Luxemburg kommen, zum anderen könnte man damit verhindern, dass die Luxemburger in Scharen nach Trier zum Trinken und Speisen fahren. Dort darf man ja.

Wann werden die Büros der ULC wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein?

Eigentlich sind sie das bereits seit letzter Woche. Seit dem 11. Mai kann man einen Termin vereinbaren und vorbeikommen. Wann alles wieder ganz normal funktioniert, steht noch nicht fest.

Diese Krise wird vorbeigehen. Worauf werden Sie in nächster Zukunft ein besonderes Augenmerk legen?

Wir wollen bei den Sammelklagen einen Schritt vorwärtskommen und hoffen, dass in dem Bereich so schnell wie möglich Gesetze erlassen werden. Eigentlich hätte das ja bereits geschehen sollen. Wir werden auch die Entwicklung der Banken im Auge behalten, also ob es weitere Schließungen von Filialen gibt oder ob die Bankgebühren weiter steigen. Dazu zählt auch die Gefahr, dass Negativzinsen eingeführt werden, in welcher Form auch immer. Wir werden wachsam bleiben.

Bargeldverweigerer hätten bestraft werden müssen

Nico Hoffmann, Präsident der ULC

Irene
19. Mai 2020 - 18.46

"Mir hu leider keng Mënz, eise Mann den dofir zoustänneg ass, ass krank gemellt, dofir kënne mer kee Boergeld unhuelen bis Januar 2022 oder sou." Dat ass dach anscheinend eng valabel Excuse.

Uhrig
19. Mai 2020 - 18.39

Wieso? Die Geschäftsleute können ja auch Schilder aufstellen mit 'Kreditkarten nur ab 20€', dann können sie doch auch welche aufstellen mit 'Bargeld nur über 100.000€'.