KonjunkturStatec revidiert Prognosen zum Wirtschaftswachstum Luxemburgs nach unten

Konjunktur / Statec revidiert Prognosen zum Wirtschaftswachstum Luxemburgs nach unten
Verglichen mit der letzten Prognose erwartet Statec in den kommenden Monaten mehr Inflation und weniger Wachstum. Während letztes Jahr die Entwicklung der Pandemie richtungsweisend für die der Konjunktur war, so ist es heute der Krieg in der Ukraine. Foto: Editpress-Archiv/Isabella Finzi

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Trotz zusätzlicher Schocks, die die Konjunktur belasten, bleibt Statec zuversichtlich, was die Entwicklung der Luxemburger Wirtschaft anbelangt. Zwar senken die Statistiker ihre Prognose zum Wirtschaftswachstum, doch nur im Falle eines länger andauernden Krieges fürchten sie das Risiko einer Rezession.

In den entwickelten Industriestaaten dreht die Wirtschaft derzeit langsamer als noch vor einigen Monaten, unterstrich Statec-Konjunktur-Experte Bastien Larue am Dienstag im Rahmen der Vorstellung der „Note de conjoncture 1-2022“. Belastet wird die Weltwirtschaft von zwei neuen Schocks, einerseits durch neue, einschränkende Lockdowns in China, und andererseits durch den Krieg in der Ukraine. Diese beiden Faktoren verschärfen die seit dem Ende der Covid-Maßnahmen bestehenden Schwierigkeiten in den globalen Lieferketten, treiben so die Unsicherheiten wie auch die Preise weiter an.

In der Folge hat Statec seine Vorhersagen für das Wachstum der Luxemburger Wirtschaft nach untern revidiert. Gingen die Statistiker im Dezember 2021, nach einer wirtschaftlich gut überstandenen Covid-Krise, noch von einer Zuwachsrate von 3,5 Prozent im laufenden Jahr aus, so rechnen sie mittlerweile nur noch mit einem Plus von 2 Prozent.

Zwar seien die direkten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Luxemburg und der Ukraine relativ gering, wie Bastien Larue weiter erklärt. Von den Folgen des Krieges, wie etwa den weltweit steigenden Preisen, der langsamer wachsenden Wirtschaft der Partnerländer oder der fallenden Zuversicht der Wirtschaftsakteure, würde das Land trotzdem getroffen. Beispielsweise war das Verbrauchervertrauen zuletzt heftig eingebrochen. Auch spüre der Sektor der Investmentfonds bereits heute die rezenten Kursstürze an den Börsen.

Insgesamt bleiben die wirtschaftlichen Aussichten für das Großherzogtum dennoch im positiven Bereich, erwartet Statec. Für das Jahr 2023 wird sogar wieder mit einer starken Zuwachsrate von vier Prozent gerechnet. Mithelfen soll unter anderem ein Wiederanziehen der Kurse an den Börsen.

Die Erwartungen für die Zukunft – laut dem „zentralen Szenario“ von Statec
Die Erwartungen für die Zukunft – laut dem „zentralen Szenario“ von Statec  Screenshot: Statec

Auch auf dem Arbeitsmarkt rechnet Statec, trotz der aktuell bereits guten Zahlen, mit einem weiteren Sinken der Quote der Menschen auf Arbeitssuche. Hintergrund ist die fortwährend hohe Zahl an unbesetzten Posten. Ende 2023 könne die Arbeitslosenquote bis auf 4,5 Prozent fallen, glauben die Statistiker. Im April 2022 lag sie bei 4,7 Prozent, nach einem Corona-Höchststand von 7 Prozent Mitte 2020. Nach und nach werde sich der Rückgang aber verlangsamen, so die Erwartung der Statistiker.

Ein „dynamischer“ Jahresbeginn

Ende 2021 und Beginn 2022 sei die Luxemburger Wirtschaft weiter „relativ dynamisch“ gewesen, so Larue weiter. Angetrieben wurde das Wirtschaftswachstum derweil weniger vom Finanzsektor, sondern eher von dem Bereich der Unternehmensdienstleistungen. Deutlich verbessert haben sich mit dem Ende der Corona-Maßnahmen auch die Aussichten in den Bereichen Tourismus, Hotellerie und Gastwirtschaft. Die Passagier-Zahlen am Flughafen legen ebenfalls wieder zu.

Fracht- und Passagierzahlen am Luxemburger Flughafen
Fracht- und Passagierzahlen am Luxemburger Flughafen Screenshot: Statec

Deutlich nach oben geschraubt wurden, wie bereits mitgeteilt, jedoch die Erwartungen was die Preissteigerungsrate anbelangt. Wurde im Dezember 2021 noch mit einer Inflationsrate von 2,5 Prozent gerechnet, so sind es mittlerweile 5,8 Prozent für das laufende Jahr und 2,8 Prozent im Jahr 2023.

„Seit etwa 40 Jahren haben wir keine derartige Preissteigerungsrate mehr gesehen“, so Bastien Larue, der gleichzeitig daran erinnert, dass die Preise auch vor dem Eintreten der zwei neuen Schocks bereits am Steigen waren. Zudem fügt er hinzu, dass sich der Ölpreis vor einigen Jahren bereits einmal auf dem gleichen Niveau befand wie heute – er damals jedoch für Europas Verbraucher weniger spürbar war, da der Euro gegenüber dem Dollar (Öl wird in Dollar bezahlt) teurer war.

In der Folge sind dieses Jahr die Reallöhne in Luxemburg, wie beispielsweise auch in Deutschland, am Sinken. Statec schätzt, dass das verfügbare Einkommen pro Kopf 2022 hierzulande um 2 Prozent zurückgehen wird. Insgesamt habe es zwischen 2019 und 2022 aber um ein Prozent zugelegt, so Statec-Direktor Serge Allegrezza. 2023 wird dann erneut erwartet, dass es um etwa ein Prozent zulegen könnte.

Allegrezza geht davon aus, dass am Ende dieses Monats, am 1. Juli, die nächste Indextranche fallen wird. Wie sich das Jahr 2023 jedoch entwickeln werde, wisse man nicht, so Allegrezza. Erst müsse man sehen, was im kommenden Winter passiert. Ein weiteres Treffen der Tripartite bezeichnete er als „möglich“.

Zwei Risiko-Szenarien

Da die Konjunkturaussichten jedoch mit vielen Abwärtsrisiken belastet sind, hat sich Statec im Rahmen dieser Prognosen entschieden, zusätzlich zum am realistischsten erachteten zentralen Szenario noch zwei weitere hinzuzufügen, wie Ferdy Adam vom Statec erläutert. Die beiden zusätzlichen Szenarien wären dabei pessimistischer als die zentrale Prognose. Letztere sieht ein Ende des Krieges im laufenden Jahr sowie das Ausbleiben neuer, gefährlicher Covid-Varianten vor. Zudem wird von der EZB, nach ersten Zinsschritten in diesem Jahr, 2023 wieder mit einer Pause erwartet.

Das erste Risiko-Szenario sieht hingegen vor, dass der Krieg in der Ukraine bis 2023 dauert, dass schärfere Sanktionen kommen und dass Russland die Gaslieferung an mehr Länder stoppt. Letzteres wäre vor allem für Industrie-Betriebe sehr schlecht, so Adam. Das zweite Risiko-Szenario rechnet mit fortdauernden Schwierigkeiten in den globalen Lieferketten und somit weiter stark steigenden Preisen.

Von der weiter erhöhten Unsicherheit, den weiter schnell steigenden Preisen und einer schlechteren Entwicklung an den internationalen Finanzmärkten würde dann auch die Luxemburger Wirtschaft, in beiden Szenarien, stärker in Mitleidenschaft gezogen werden können, glauben die Statistiker. Vor allem das Szenario eines länger andauernden Krieges bereitet ihnen Sorgen. In diesem Falle könne die nationale Wirtschaftsleistung 2022 sogar um 1,1 Prozent einbrechen, so die Berechnungen der Statistiker. Eine Rezession könne man nicht ausschließen, so Allegrezza.

Inflation bringt steigende Steuereinnahmen

Nicht in Mitleidenschaft gezogen von den steigenden Preisen werden derweil die Staatsfinanzen, ist man bei Statec überzeugt. „Die Steuereinnahmen entwickeln sich gut“, so Bastien Larue. Das liege einerseits an der Mehrwertsteuer und andererseits an den Steuern auf den Einnahmen der Haushalte.

Beides werde derweil von den steigenden Preisen weiter in die Höhe getrieben, so der Statistiker. Siegen die Preise, dann steigt auch die Mehrwertsteuer (TVA). Bei den Steuern auf den Gehältern ist es das gleiche Prinzip: Die im Oktober 2021 und im April 2022 gefallenen Indextranchen treiben das Volumen der Abgaben automatisch in die Höhe. Auch wenn neue Indextranchen zusätzliche Ausgaben bedeuten, so bleibe Statec, was die Staatsfinanzen angeht, wegen der inflationsbedingt steigenden Steuereinnahmen, „zuversichtlich für die Jahre 2022 und 2023“, so Ferdy Adam.

Etwas weniger gut erscheint die Aussicht, was die CO2-Emissionen anbelangt. So ziehe man beispielsweise derzeit, mit der im Tripartite-Abkommen vorgesehenen Subventionierung des Spritpreises, die Lastwagen wieder an. Die (zeitlich begrenzte) Preissenkung habe dazu geführt, dass die betreffenden Kraftstoffpreise, verglichen mit den Nachbarländern, wieder attraktiv wurden. Statec erwartet, dass die Gesamtemissionen im Jahr 2022 abflachen und dann 2023 wieder um etwa 2,5 Prozent steigen werden.

Lesen Sie auch :

Als Folge der boomenden Luxemburger Wirtschaft sind 2021 wieder, Monat für Monat, mehr als 1.000 zusätzliche Jobs entstanden. Der starke Zuwachs versteckt jedoch große sektorielle Unterschiede.

Gesunde Staatsfinanzen werden immer mehr zur Herausforderung. Das hat mit den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu tun, aber nicht nur. Auch die steigenden Zinssätze, die langsamer drehende Wirtschaft und die Aussichten im Bereich der Sozialversicherungen drücken die Stimmung.