Menschenrechte und KlimaWie viel Verantwortung sollen Luxemburgs Unternehmen übernehmen?

Menschenrechte und Klima / Wie viel Verantwortung sollen Luxemburgs Unternehmen übernehmen?
Jean-Louis Zeien, Koordinator der „Initiative pour un devoir de vigilance“, und Antoniya Argirova (Greenpeace) stellen die Ergebnisse der Befragung vor  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Trotz hoher Erwartungen hat es die Regierung in der nun ablaufenden Legislaturperiode nicht geschafft, ein Gesetz, das Unternehmen verpflichtet, Verantwortung im Bereich von Menschenrechten und Klima zu übernehmen, zu erstellen. Die „Initiative pour un devoir de vigilance“ hat nun die Spitzenkandidaten bei der anstehenden Wahl aufgefordert, sich mit klaren und unmissverständlichen Aussagen zum Thema zu äußern.

„Wie soll eine nachhaltige Wirtschaft aussehen? Wer muss Verantwortung übernehmen?“, resümiert Jean-Louis Zeien, Koordinator der Initiative, in der sich 17 Organisationen aus der Zivilgesellschaft zusammengefunden haben, die für ihn wichtigen Fragen. Es geht darum, ob die Unternehmen darauf Acht geben müssen, dass ihre Zulieferer und ihre Vertriebsgesellschaften die Einhaltung der Menschenrechte respektieren, oder ob sie das nicht müssen.

Europaweit wird seit langem über eine diesbezügliche Direktive verhandelt. Ob sie jemals erfolgreich geschrieben und gestimmt werden wird, steht jedoch noch in den Sternen. Wegen der vielen Verzögerungen haben Nachbarländer wie Deutschland und Frankreich zwischenzeitlich eigene Gesetze zum Thema geschrieben. In Luxemburg hingegen wurde lediglich eine Studie erstellt. „Die zeigt, dass eine wirksame nationale Gesetzgebung möglich ist“, so Zeien im Rahmen einer Pressekonferenz. „Doch dazu war die Regierung nicht bereit“, bedauert er. Nur ein Abkommen auf freiwilliger Basis zwischen Außenministerium und Unternehmensverband UEL gibt es. Dieses bezeichnet er wenig schmeichelhaft als „social- und greenwashing“.

Die Organisationen aus der Zivilgesellschaft hoffen nun auf die kommende Legislaturperiode. Den Spitzenkandidaten der sieben Parteien, die bereits im Parlament vertreten sind, haben sie jetzt einen Fragebogen geschickt, bei dem es nicht möglich sei, unklar und missverständlich zu antworten.

Zwei Spitzenkandidaten antworteten nicht

Von den angeschriebenen Spitzenkandidaten haben zwei nicht geantwortet: Fred Keup (ADR), von dem „trotz wiederholter Nachfrage“ gar keine Antwort kam. Nicht selbst zurückgeschrieben hat derweil auch Premierminister Xavier Bettel (DP). Seine Partei ließ den Kämpfern für Menschenrechte jedoch Antworten von Ministerkollege Lex Delles zukommen.

Aus den Ergebnissen der Befragung lassen sich einige wichtige Schlussfolgerungen ziehen, um festzustellen, wer bereit ist, Verantwortung im Bereich Menschenrechte und Unternehmen zu übernehmen, sagt er weiter. Nur bei zwei der sieben Fragen gab jeder, der geantwortet hatte, seine Zustimmung. Es waren die Fragen dazu, ob Gerichte die notwendigen Informationen bei den Firmen anfragen können, und ob man für eine Einbindung der kompletten Lieferketten in eine Regelung sei.

Keine Zustimmung gaben sowohl Luc Frieden als auch Lex Delles auf die Frage, ob man in Luxemburg ein eigenes nationales Gesetz erarbeiten soll, falls die EU-Verhandlungen für eine europaweite Regelung scheitern. Dies sei ein Szenario, das Zeien als „leider nicht ganz unwahrscheinlich“ bezeichnet. Gleichzeitig fügt er auch hinzu: Mit dieser Antwort „kann man sich auch vorstellen, wer in dieser Legislaturperiode das Erarbeiten eines eigenen Gesetzes ausgebremst hat“.

Auch bei der Frage, wer im Falle von Gerichtsprozessen für eine Umkehrung der Beweislast zugunsten der Opfer von Menschenrechtsverletzungen sei, haben sich Frieden und Delles dagegen ausgesprochen.

Frieden für Einbeziehung vom Finanzplatz

Etwas überrascht waren die Autoren des Fragebogens, dass Luc Frieden sich, wie auch Paulette Lenert, Sam Tanson, Marc Baum und Sven Clement, für eine Mit-Einbeziehung des Finanzsektors in ein derartiges Regelwerk ausgesprochen hat. Nur Lex Delles hat sich dagegen ausgesprochen – die ADR hat, wie bereits erwähnt, nicht auf den Fragebogen geantwortet.

Mittel bis langfristig wünscht sich die „Initiative pour un devoir de vigilance“ einen „echten nachhaltigen Finanzplatz“. Daher wünsche man sich diese Einbindung des Finanzplatzes in die Regelungen, so Zeien. Es sei nicht hinnehmbar, dass noch weiterhin „Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt von hier aus finanziert werden“.

Auch auf die Frage, ob jede Firma, die mehr als 250 Mitarbeiter zählt – und einen Umsatz von über 40 Millionen Euro macht –, mit einbezogen werden soll, antworteten alle, abgesehen von Lex Delles, mit einem „Ja“. Letzterer wollte keine Aussage dazu machen, so Zeien. Bei der Frage, ob auch Klimaziele in die Regelung mit einbezogen werden sollten, haben auch alle „Spëtzekandidaten“, die an der Umfrage teilnahmen, außer Lex Delles (DP), mit „Ja“ geantwortet. Er begründete seine Enthaltung mit dem Argument, dass es noch Diskussionen auf EU-Ebene gebe, und er dem nicht vorgreifen wolle.

„Die Politik ist gefordert“

Es sei somit klar ersichtlich, welche Koalition von Spitzenkandidaten „die stärkste für die Menschenrechte“ wäre, so Zeien. Das sind, ihm zufolge: Paulette Lenert (LSAP), Sam Tanson („déi gréng“), Marc Baum („déi Lénk“) und Sven Clement (Piraten). Sie haben alle sieben Fragen mit „Ja“ beantwortet. Luc Frieden (CSV) dagegen hat fünfmal mit „Ja“ und zweimal mit „Nein“ geantwortet. Lex Delles hingegen war dreimal dagegen, enthielt sich zweimal, und antwortete nur zweimal mit einem „Ja“.

„Wir sind der Meinung, dass der Blick auf und der Respekt gegenüber den Menschenrechten in den Lieferketten für moderne Unternehmen einfach mit dazu zählt“, so Zeien. In Sonntagsreden werde immer dafür gesprochen – wenn es dann aber um ein verpflichtendes Gesetz gehe, nicht mehr. „Die Politik ist gefordert.“ Die Achtung der Menschenrechte und das Engagement für eine nachhaltige Entwicklung müssten zu einem festen Bestandteil der DNA der Luxemburger Unternehmen werden. „Wir warten schon seit mehr als zehn Jahren auf ein Gesetz.“ Nun hoffe man, dass bei Koalitionsverhandlungen „die Opfer nicht vergessen werden“.


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Flor
25. September 2023 - 10.47

@Romain/ So war es schon immer. Nur in den letzten 10 Jahren hat es nicht schlecht zugenommen.

Romain
23. September 2023 - 10.56

Wenn Betriebe keine Verantwortung übernehmen brauchen dann haben diese Narrenfreiheit und der Bürger ist der Veraschte