Menschenrechte Lieferkettengesetz: Entwurf ist Messlatte für zukünftige Regierung

Menschenrechte  / Lieferkettengesetz: Entwurf ist Messlatte für zukünftige Regierung
Aktivisten für ein nationales Lieferkettengesetz vor der „Chambre“, als das Gesetz am 16. Mai 2023 deponiert wird Foto: Initiative pour un devoir de vigilance

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Es ist ein großer Erfolg für die „Initiative pour un devoir de vigilance“. Oder für die Zivilgesellschaft, weil sich 17 NGOs und Gewerkschaften darin zusammengeschlossen haben. Sie fordert schon lange ein nationales Lieferkettengesetz, das im Land ansässigen Betrieben eine Sorgfaltspflicht in Sachen Menschen- und Umweltrechte entlang ihrer Lieferkette auferlegt. Vor wenigen Tagen haben „déi Lénk“ und die Piraten einen entsprechenden Gesetzentwurf im Parlament deponiert.

Seit fünf Jahren schon dauert der Kampf um ein nationales Lieferkettengesetz. Weder die „Initiative“ noch „déi Lénk“ und die Piraten wollten noch länger warten. Jetzt liegt ein Gesetzentwurf im Parlament. Immer wieder war zuvor einem nationalen Alleingang mit Verweis auf eine europäische Lösung, die es abzuwarten gilt, eine Absage erteilt worden. Bis eine europäische Lösung vorliegt, kann es dauern, obwohl in Brüssel ein Entwurf auf dem Instanzenweg ist.

Bestes Beispiel ist die EU-Verordnung zu den Konfliktmineralien Tantal, Zinn, Wolfram und Gold. Acht Jahre dauert es, bis das EU-Gesetz 2021 kommt, das in der EU ansässige Importeure dazu verpflichtet, diese Mineralien nur noch aus verantwortungsvollen und konfliktfreien Quellen zu beziehen. „Wenn das in diesem Rhythmus bei der EU weitergeht, dann sind wir mindestens in Jahren nach 2030“, sagt „Initiative“-Co-Koordinator Jean-Louis Zeien – ganz davon abgesehen, dass es in Luxemburg zu den Konfliktmineralien immer noch kein Mantelgesetz gibt.

Dass es nun die Piraten und „déi Lénk“ sind, die eine Gesetzesvorlage einreichen, ist kein Zufall. „Wir haben mit allen im Parlament vertretenen Parteien Kontakt aufgenommen und Gespräche geführt, wo es möglich war“, sagt Zeien. Die aktuelle Regierung hat im Koalitionsvertrag von 2018 festgelegt, dass sie die „Möglichkeit der Verabschiedung eines Gesetzes über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen mit Sitz in Luxemburg“ prüft. Das hat sie gemacht. Eine Studie der Uni Luxemburg im Auftrag des Außenministeriums bringt im Mai 2021 die Einsicht, dass eine nationale Gesetzgebung möglich und sinnvoll ist.

Zehn Jahre nach Rana Plaza

„Außerdem schließen sich eine europäische und eine nationale Gesetzgebung nicht aus“, heißt es von der „Initiative“, was die immer wieder vorgebrachten Einwände entkräftet. Der Meinung sind auch die beiden Parteien, die jetzt den Vorstoß gemacht haben. „Wir haben viel zu lange gewartet“, sagt Nathalie Oberweis (40), Abgeordnete für „déi Lénk” im Parlament. „Rana Plaza ist jetzt genau zehn Jahre her und seitdem wird gesagt, das muss aufhören, es ist aber nichts passiert.“

Bei dem Unglück in Bangladesch stürzt am 24. April 2013 eine marode Textilfabrik, in der viele Arbeiter Kleidungsstücke für westliche Modeketten produzieren, zusammen. Rund 1.200 Menschen starben und rund 2.500 wurden verletzt. In die gleiche Richtung argumentieren die Piraten. „Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, zu handeln“, sagt Sven Clement, Abgeordneter für die Piraten im Parlament. Hinzu kommt, dass andere Länder wie Frankreich und Deutschland bereits entsprechende Gesetze haben.

Deren Vorarbeit sowie internationale Standards von UN und OECD sind in den vorliegenden Gesetzentwurf eingeflossen. Eine luxemburgische Anwaltskanzlei, die auf Wirtschaftsrecht und Menschenrechte spezialisiert ist, hat ihn ausgearbeitet. Der Gesetzesvorschlag schließt auch die Finanzindustrie, die sich immer dagegen gewehrt hatte, sowie die „Sociétés de participation financières“ ein, von denen es viele im Land gibt.

Unterstützung vom OGBL

Zuletzt hatte sich OGBL-Präsidentin Nora Back öffentlich für ein nationales Lieferkettengesetz ausgesprochen. Es könne nicht sein, dass durch im Land ansässige Unternehmen irgendwo anders auf der Welt Menschenrechte mit Füßen getreten werden, sagte sie in ihrer Rede zum 1. Mai in der Abtei Neumünster. Betriebe und Finanzinstitutionen müssten auf deren Einhaltung kontrolliert werden, so ihre Worte. Der OGBL ist Teil der „Initiative“.

„Überall in der Welt werden Menschen- und Umweltrechte mit Füßen getreten“, sagt „déi Lénk“-Politikerin Oberweis. „Wir produzieren noch immer nach kolonialen Mustern: der Süden für den Norden.“ Die Kosten tragen die Menschen, auf deren Rücken billig produziert wird, so die Logik. Momentan stehen nicht viele Kontroll- oder Sanktionsmittel zur Verfügung. Das zeigt die Geschichte um zwei verschwundene Menschenrechtsaktivisten in Mexiko, mit denen ein im Land ansässiges Unternehmen in Verbindung gebracht wird.

Außen- und Wirtschaftsministerium schreiben Briefe. Ob es eine Antwort gibt, ist nicht bekannt. Die „Initiative“ ihrerseits wertet den vorliegenden Gesetzentwurf als eine Messlatte für die zukünftige Regierung, um sich des Sitzes im Menschenrechtsrat der UN würdig zu erweisen. „Für mich ist der Entwurf eine Evolution dessen, was wir als Rechtsrahmen heute haben“, sagt Sven Clement von den Piraten. „Er sorgt für Rechtssicherheit für jeden.“ Dass der Entwurf noch vor der Wahl im Oktober verabschiedet wird, bezweifeln allerdings alle Beteiligten. Zu viele andere Gesetzesprojekte liegen auf „Halde“. Aber es ist ein Anfang.