Schnell und bürgernah: So funktioniert das Luxemburger Friedensgericht

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Mit der Französischen Revolution kamen die Friedensgerichte auch nach Luxemburg. Heute gibt es sie in Luxemburg-Stadt, Diekirch und Esch/Alzette. Sie gehören zur untersten Ebene der Gerichtshierarchie und sind für weniger bedeutende Angelegenheiten in Zivil-, Handels- und Arbeitssachen sowie Ordnungswidrigkeiten zuständig. Sie arbeiten schnell und entlasten die anderen Gerichtsbarkeiten.

 Kurioses

Der Friedensrichter könnte eine Sitzung bei sich zu Hause einberufen.

Er darf Sitzungen ansetzen, wann er möchte, ob morgens, abends, am Wochenende oder sogar an einem Feiertag.

Im Zeichen der Bürgernähe durften Friedensrichter in früheren Zeiten innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches reisen und Sitzungen auf dem Dorf abhalten.

Ein prominenter Friedensrichter, zuerst in Luxemburg-Stadt, dann in Vianden, war Edmond de la Fontaine, besser bekannt unter dem Namen Dicks.

Das Friedensgericht ist ein Kind von Napoleons Justizreform in Folge der Französischen Revolution. Es ging darum, eine Gerichtsbarkeit zu schaffen, die nahe beim Volke, auf Augenhöhe, richtet und nicht von oben herab. In einem Dekret vom 4. Juli 1795 heißt es, dass überall im Herrschaftsbereich der Franzosen, also auch in Luxemburg, sogenannte Kantonalrichter, dem französischen Recht entsprechend, eingeführt werden sollen.

Friedensgerichte sind von ihrer Grundidee her eigentlich Schlichtungsgerichte. „En bon père de famille“ sollte versucht werden, die Parteien zu einem Kompromiss zu bewegen und ein richterliches Urteil nur dann zu fällen, wenn es nicht anders geht. Daran hat sich im Prinzip bis heute nichts geändert, so Georges Mühlen, leitender Friedensrichter in Esch:  „Unsere erste Mission ist es eigentlich immer noch, eine außergerichtliche Lösung des Streits zu erwirken.“ In der Praxis nimmt das aber ab, oft auch, weil die Parteien nicht mehr selbst vor Gericht erscheinen, sondern sich durch Anwälte vertreten lassen.

Bürgernah und schnell

Das Escher Friedensgericht besteht seit 1841. Ab 1955 ist es auf dem Brillplatz und seit 2012 im neuen Gebäude am Norbert-Metz-Platz. Der Bau von Architekt Jim Clemes ist lichtdurchflutet. Mit den großen Fenstern soll eine gewisse Transparenz und Nähe zu den Bürgern zum Ausdruck gebracht werden.

Es gibt drei Sitzungssäle, in denen in vier Bereichen geurteilt wird. In Zivil-, Handels- und Arbeitssachen sowie vor dem Polizeigericht bei Ordnungswidrigkeiten. In den Sitzungen werden die drei Landessprachen gesprochen, alles andere muss ins Deutsche, Französische oder Luxemburgische übersetzt werden.

Das Friedensgericht zeichnet sich nicht nur durch seine Bürgernähe aus, sondern vor allem dadurch, dass es schnell geht und dass wenige Kosten entstehen,  zumindest für den, der vorgeladen wird. Das gilt besonders auch auf dem Polizeigericht.

Das Polizeigericht ist eigentlich ein „normales“ Gericht in reduzierter Form. Wesentlicher Unterschied: Es gibt nur einen Richter statt der im Prinzip üblichen drei. Zudem gibt es einen Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie einen Gerichtsschreiber. Auf dem Polizeigericht geht es nicht um Delikte, sondern um Ordnungswidrigkeiten, für die laut Gesetz Geldstrafen von zwischen 25 und 250 Euro vorgesehen sind. Dazu gehört zum Beispiel zu schnelles Fahren, Verkehrsunfälle oder ein handfester Streit. Vom Gesetz her sind aber auch Ausnahmen vorgesehen, die außerhalb dieses Rahmens liegen.

Kein Pardon bei Alkohol

Die Staatsanwaltschaft hat zum Beispiel die Möglichkeit abzuwägen und einen Fall von minderer Schwere via Ratskammer ans Polizeigericht zu verweisen. Fahrlässige Körperverletzung, eigentlich ein Delikt,  kann unter Umständen ein solcher Fall sein, wenn mildernde Umstände anerkannt wurden. Dabei geht es auch um eine Entlastung der Bezirksgerichte, was, so Georges Mühlen,  erklärt, dass solche Fälle eher zu- statt abnehmen. Bei Alkohol allerdings gibt’s kein Pardon. Bis zu einem gewissen Grad ist es eine Ordnungswidrigkeit, darüber hinaus ein Delikt, das vor die Strafkammer kommt.

Auf dem Friedensgericht werden ebenfalls Zivil- und Handelssachen behandelt. Allerdings nur bis zu einem Streitwert von unter 10.000 Euro. Da geht es dann zum Beispiel um unbezahlte Rechnungen, Arbeiten, die schlecht ausgeführt wurden, wo vielleicht ein Schaden entstanden ist, Verkehrsunfälle mit Materialschaden, wo sich Versicherungen oder die betroffenen Parteien nicht einigen können. Der Streit unter Nachbarn gehört auch dazu. Alles, was mit Grünzeug zu tun hat, ist ein Klassiker. Pflanzen, Bäume, die über dem Grundstück des Nachbarn hängen. Oder Besitzverhältnisse an einem Grundstück oder einer Mauer.

Bei Streitigkeiten, die unters Handelsrecht fallen, geht es um Streit zwischen Händlern: zum Beispiel, wenn der Geschäftsmann seinem Großhändler die gelieferte Ware nicht bezahlen kann oder wenn die gelieferte Ware schadhaft ist.

Das Arbeitsgericht ist sozusagen die vierte Abteilung des Friedensgerichtes. Dort werden Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verhandelt. Anders als sonst auf dem Friedensgericht wird der Richter hier assistiert, und zwar von je einem Vertreter des Arbeitsgebers und der Arbeitnehmer. In den Sitzungen geht es beispielsweise um die Rechtmäßigkeit von Entlassungen, um nicht gezahlten Lohn und um ausstehende Urlaubstage

Kompetenzerweiterung

Zurzeit wird darüber diskutiert, die Kompetenzen des Friedensgerichtes zu vergrößern und so weiter zur Entlastung anderer Gerichtsbarkeiten beizutragen.  So soll der Streitwert bei Zivil- und Handelsstreitigkeiten auf 20.000 Euro angehoben werden. Einige meinen sogar, dass man den Wert auch auf bis zu 50.000 Euro anheben könnte. Der Streitwert habe eigentliche keine Inzidenz auf den Schwierigkeitsgrad des Dossiers, so Georges Mühlen, der allerdings Auswirkungen auf die Prozesse befürchtet. Bei viel höheren Summen, vermutet er, würden die Betroffenen verstärkt auf Anwälte zurückgreifen, was die Prozeduren dann insgesamt wieder verlangsamen würde. „Wir würden ein Opfer des eigenen Erfolges“, so Mühlen. Dass Anwälte aber auch heute schon öfter mit von der Partie sind, liegt auch an der Komplexität der Dossiers und der Gesetzgebung. Die Leute trauen sich oft einfach nicht mehr ohne Anwalt vors Gericht.

Eine bedeutende Rolle beim Friedensgericht spielen die Gerichtsschreiber. Patrick Baasch, seit 2013 Chef der Gerichtsschreiber in Esch, sagt, dass es vor allem darum geht, dem Richter in die Hand zu arbeiten, Sitzungen zu organisieren und Dossiers vorzubereiten. Wichtig sind gute Kenntnisse in den drei Landessprachen. 23 Gerichtsschreiber und zehn Richter gibt es in Esch.