Kinder- und FamilienhilfeRaus aus den Schattendiskussionen: Der neue Rahmenplan soll als Leitfaden dienen

Kinder- und Familienhilfe / Raus aus den Schattendiskussionen: Der neue Rahmenplan soll als Leitfaden dienen
Charel Schmit, Ombudsman für Kinder und Jugendliche, im Gespräch mit Bildungsminister Claude Meisch und AEF-Direktor Gilles Dhamen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Am Mittwoch hat das Bildungsministerium eine Konferenz zum Rahmenplan für Kinder- und Familienhilfe organisiert. Dieser wurde vor über 200 Akteuren aus diesem Bereich vorgestellt. Er soll unter anderem als Grundlage zur Qualitätssicherung dienen, die Kinder in den Mittelpunkt setzen und Familien in Not stärken. 

In Luxemburg leben 1.280 Kinder und Jugendliche in Wohneinrichtungen und beziehen dabei Hilfe von der Kinder- und Familienhilfe AEF („Aide à l’enfance et à la famille“). Rund 1.000 dieser jungen Menschen wurden auf richterliche Anordnung dorthin platziert. 800 leben in Internaten und betreuten Einrichtungen. 7.600 ambulante Maßnahmen finden regelmäßig in Familien statt.

Kinder, Jugendliche und Familien, die sich in einer Notlage befinden, können sich an die Kinder- und Familienhilfe wenden. Vor einem Jahr hat das Bildungsministerium die Initiative „AEF Social Lab“ ins Leben gerufen. Ein multidisziplinäres Team war an der nun vorgestellten ersten Version des Rahmenplans beteiligt. Zum „AEF Social Lab“ gehören Mitglieder des Bildungsministeriums, des ONE („Office national de l’enfance“), der Ances („Association nationale des communautés éducatives et sociales“) und der Fedas („Fédération des acteurs du secteur social“).

„Ein zentraler Punkt ist die Teilnahme der Kinder und Jugendlichen“, sagt Gilles Dhamen, Direktor der AEF und des ONE. Er bezeichnet den Rahmenplan als Beginn einer ersten strukturellen Einführung der Qualitätssicherung in diesem Sektor. Jetzt habe man noch zwei Jahre Zeit, bis das Jugendschutzgesetz kommt, mit dem der Rahmenplan dann verbindlich werde.

Meisch spricht von „Meilenstein“

Bei der Aufstellung des Rahmenplans wurden Kinder, Jugendliche, begünstigte Familien, ehemalige Betroffene und Leistungsanbieter befragt. Bei den Kindern und Jugendlichen sei es laut AEF teilweise schwierig gewesen, Antworten auf die Fragen zu bekommen. „Grundlage für den rechtlichen Rahmen des Plans sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die UN-Kinderrechtskonvention“, sagt Simone Hansel, Qualitätsleiterin der AEF-Generaldirektion.

Ombudsman Charel Schmit und die AEF-Mitarbeiterinnen 
Ombudsman Charel Schmit und die AEF-Mitarbeiterinnen  Foto: Editpress/Julien Garroy

Bildungsminister Claude Meisch bezeichnet den Rahmenplan gegenüber dem Tageblatt als Meilenstein in der Entwicklung des gesamten Sektors. Es werden Qualitätsstandards festgelegt, die für alle Akteure in diesem Bereich als Leitfaden gelten sollen. Damit werde ein klarer Rahmen geschaffen. Meisch sieht den Plan als eine Art Bedienungsanleitung, wie man diese Ziele erreichen kann und welche Strukturen man sich intern geben soll. Es handele sich nicht um ein fertiges Dokument, sondern um einen partizipativen Prozess, der jetzt gestartet wurde. Als Vorbild nennt der Minister den non-formalen Bildungsrahmenplan. „Wir machen hier etwas für Kinder und Jugendliche, die oft aus schwierigen Situationen kommen, welche sehr komplex sind.“ Deshalb sei die Qualitätssicherung extrem wichtig.

Der Bereich der Kinder- und Familienhilfe sei in den vergangenen 25 Jahren stark gewachsen, sagt Dhamen und fügt hinzu: „Es ist jetzt der richtige Moment, die Qualitätssicherung formell einzufordern, auch wenn es erst mit dem neuen Jugendschutzgesetz verbindlich sein wird.“ Dhamen spricht von einem Puzzlestück. Der Rahmenplan beziehe sich auf die Diversität, Intensität und Finanzierung des Angebots.

Kinderrechtsbasierte Sprache für alle

Durch den Rahmenplan könne man sicherstellen, dass die Professionellen eine gemeinsame, kinderrechtsbasierte Sprache sprechen, sagt der Ombudman für Kinder und Jugendliche, Charel Schmit. Manchmal gebe es Verständigungsprobleme, insbesondere beim Thema Kinderschutz. In den vergangenen Jahren sei man oft in Schattendiskussionen und falschen Fronten hängen geblieben. Stattdessen werde jetzt das Kind in den Mittelpunkt gestellt. „Jene, die nicht kinderrechtsbasiert arbeiten, werden die Konsequenzen zu spüren bekommen, wenn man ihnen ihre Lizenz entzieht“, sagt Schmit.

Ich lese aus der Statistik heraus, dass es in Luxemburg viel zu viele Kinder gibt, die aus den Familien herausgenommen werden. Viel mehr als im Durchschnitt in Europa. Das muss einen Grund haben.

Renate Winter, ehemalige Richterin und frühere Präsidentin des UN-Kinderrechtskomitees

Neben dieser Qualitätskontrolle, -sicherung und -entwicklung sei es sehr wichtig, dass jede Einrichtung, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, ein internes Beschwerdemanagement benötigt. Der „Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher“ sei eine nationale externe Beschwerdestelle. Im Bereich der Kinderrechte in Luxemburg gibt es laut Schmit noch viel Nachholbedarf, unter anderem auf gesetzlicher Ebene.

Charel Schmit (OKaJu), Gilles Dhamen (ONE, AEF), Renate Winter (ehemalige Richterin), Marguerite Krier (Leiterin Kinderrechte), Geert Van Beusekom (Ances) und Gilbert Frisch (Fedas)
Charel Schmit (OKaJu), Gilles Dhamen (ONE, AEF), Renate Winter (ehemalige Richterin), Marguerite Krier (Leiterin Kinderrechte), Geert Van Beusekom (Ances) und Gilbert Frisch (Fedas) Foto: Eric Rings

Die frühere Richterin und ehemalige Präsidentin des Kinderrechtskomitees in Genf Renate Winter wirft in ihrem Vortrag viele Fragen in Bezug auf den Umgang Luxemburgs mit den Kinderrechten auf: „Was sollen wir machen, wenn wir die Kinderrechte in der Praxis beachten wollen? Auf das Kind hören und die Familie stärken, in der das Kind dann kindgerecht leben kann.“ Man soll ein Kind nicht automatisch aus der Familie herausholen. Winter sagt auch: „Ich lese aus der Statistik heraus, dass es in Luxemburg viel zu viele Kinder gibt, die aus den Familien herausgenommen werden. Viel mehr als im Durchschnitt in Europa. Das muss einen Grund haben.“

Für Charel Schmit sind dies wichtige Fragen. Er selber ergänzt: „Ein Kind gehört nicht den Institutionen. Die Institutionen sind da, um den Rechten des Kindes gerecht zu werden und sie zur Entfaltung zu bringen.“