Moldawien / Pro-russische Regierung tritt zum Amtsantritt der ersten weiblichen Staatschefin zurück
Knapp 24 Stunden vor ihrer Vereidigung als Staatspräsidentin hat Maia Sandu ein großes Geschenk bekommen. Der pro-russische Regierungschef Ion Chicu erklärte an einer Pressekonferenz am Mittwoch überraschend seinen Rücktritt.
Eine Machtvertikale zwischen Präsidentenamt und Regierung sei das Beste, begründete der enge Vertraute von Igor Dodon, Sandus sozialistischer Vorgänger. Die beiden Männer haben Moldawien im vergangenen Jahr in die internationale Isolation geführt. Nur noch Russland wurde hofiert, die Nachbarländer Rumänien und Ukraine galten den beiden Putin-Bewunderern wenig. Und damit natürlich auch die EU und die USA.
Doch der Erdrutschsieg der Anti-Korruptions-Aktivistin Maia Sandu von Mitte November hat die politischen Karten in Moldawien neu gemischt. „Wir vertreiben die Diebe und die Mafia!“, hatte Sandu im Wahlkampf versprochen und für eine tiefgreifende Justiz- und Staatsreform geworben. Als großer Bremsklotz blieb jedoch das Parlament mit seiner pro-russischen Regierungsmehrheit bestehend aus Dodons Sozialisten und den Parteigängern des flüchtigen Oligarchen Ilan Shor, dem eine zentrale Rolle im großen Bankenskandal von 2014 vorgeworfen wird. Umgerechnet eine Milliarde Dollar wurden damals aus drei moldawischen Volksbanken vor allem über Geldinstitute in Lettland und Zypern teils nach Russland transferiert.
Nun haben die Sozialisten mit dem Rücktritt der pro-russischen Regierung den Weg für vorgezogene Neuwahlen freigegeben. Diese könnten zu einem Erdrutschsieg von Sandus Anti-Korruptions-Plattform „Aktion und Solidarität“ (PAS) führen, die heute im Parlament gerade einmal 15 von 101 Sitze innehat. Unklar bleiben vermutlich abgegebene Garantien, denn der Machttransfer von Dodon zu Sandu hat natürlich seinen innenpolitischen Preis. Kurz vor dem Rücktritt hatte die sozialistische Regierung Chicu noch die Kompetenzen des Staatspräsidenten beschnitten. So wurde die Aufsicht über den Geheimdienst dem in der Vergangenheit oft zerstrittenen Parlament übertragen. Dagegen demonstrierten in den vergangenen zwei Wochen in der Hauptstadt Chisinau bis zu 50.000 Sandu-Anhänger.
Die Herausforderungen für die 48-jährige ehemalige Weltbankökonomin sind enorm. Moldawien gilt nicht nur als ärmstes Land Europas, es ist auch eines der korruptesten. Die staatlichen Institutionen und die Justiz werden von den Interessen des flüchtigen Oligarchen Vlad Plahotniuc und seiner nominell pro-westlichen „Demokratischen Partei“ (PDM) dominiert. Die Übergänge zwischen PDM und Sozialisten waren dabei immer fließend. Das kleine Drei-Millionen-Einwohner-Land an der strategisch wichtigen Schnittstelle zwischen ehemaliger UdSSR und EU ist tief gespalten zwischen der Millionenstadt Chisinau und ihrem Speckgürtel und der verarmten Provinz, in der die russisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats einen großen Einfluss hat. In der Provinz müssen viele Familien mit knapp über 100 Dollar pro Monat über die Runden kommen. Dies eröffnet auch Stimmenkauf Tür und Tor. Dazu kommen die Einwohner des pro-russischen Separatistengebietes Transnistrien, die bei Wahlen mitstimmen dürfen und regelmäßig sowjet-nostalgische Optionen wie Dodon unterstützen.
Herausforderung Transnistrien
„Wir bauen ein Land, in dem Schlüsselstellen nach Kompetenz vergeben werden, egal welcher Volksgruppe sie angehören“, versprach die rumänisch-sprachige Maia Sandu vor ein paar Tagen auf Russisch. Offiziell leben neben 82 Prozent rumänischsprachigen Moldauern auch 6,6 Prozent Ukrainer, 4,1 Prozent Russen und 4,6 Prozent turksprachige Gagausen. „Wir wollen wieder gute Beziehungen mit allen unsern Nachbarn“, sagte die erste weibliche reguläre Staatspräsidentin in einer ehemaligen Sowjetrepublik außerhalb des Baltikums.
Der Kreml hatte Sandu – nicht wie im Falle Joe Bidens – sofort nach ihrem Wahlsieg gratuliert. Doch der neue Pragmatismus Wladimir Putins währte nicht lange. Kaum hatte Sandu den Rückzug der noch 1.500 russischen Truppen im Separatistengebiet Transnistrien gefordert, schwadronierte Moskau von einer „Gefahr der Destabilisierung“ für die ganze Region. Weder pro-russische noch pro-westliche Staatspräsidenten vermochten seit der Unabhängigkeit Moldawiens von 1991 den eingefrorenen Konflikt um das pro-russische Transnistrien zu lösen. Der schmale, schwer bewaffnete Landstreifen an der Grenze zur Ukraine ist nur eines der Probleme der reichlich idealistischen Maia Sandu. Dringender sind Rechtsstaatlichkeit sowie vor allem die Armut und eine tiefe Corona-bedingte Rezession.
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