Sackgasse Camp NouPjanic derzeit auf dem Abstellgleis

Sackgasse Camp Nou / Pjanic derzeit auf dem Abstellgleis
Fast keine Spielzeit: Miralem Pjanic wurde seit Ende Februar nur in den beiden letzten Ligaspielen für wenige Spielminuten eingewechselt Foto: AFP/Lluis Gene

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In einer spannenden Endphase der spanischen Meisterschaft kam es am 35. Spieltag zum Spitzenspiel zwischen dem führenden (und heutigen Meister) Atlético Madrid und dem FC Barcelona, der nach sehr schwierigem Saisonbeginn mit zwei Punkten Rückstand einen weiteren Titelgewinn noch vor den eigenen Füßen hatte. Am Ende zeigte sich im tristen 0:0 die ganze Misere des aktuellen Barça und ebenso jene von Miralem Pjanic.

In dem Schlüsselspiel verletzte sich nach einer halben Stunde Mittelfeldstratege Sergio Busquets. Statt des ähnlichen Spielertypen Miralem Pjanic wechselte Ronald Koeman den jungen Allrounder Ilaix Moriba ein. Ein weiterer Affront gegen den mit 50 Millionen Euro siebtwertvollsten Spieler (bei Saisonbeginn) seines alternden Teams. Dadurch rückte der Schlüsselspieler Frenkie de Jong auf die Sechser-Position, auf der er seine so wichtige Dynamik nach vorne kaum einbringen kann. Nachdem Koeman dem FC Barcelona im Verlauf der chaotischsten Saison der Clubgeschichte Stabilität verlieh und man sich allmählich sogar Chancen auf den Titelgewinn erspielte, vergab sein Team diese wie bereits bei der Niederlage gegen Granada in der Vorwoche kläglich. Von der Presse und den eigenen Anhängern wurde Koeman für mangelnden Mut zum Risiko, einen zu rigiden, vorhersehbaren Matchplan und seine immer gleiche 3-1-4-2-Aufstellung kritisiert.

Der bieder agierende Koeman wirkte dabei quasi als Gegengewicht zum skandalumwitterten (ehemaligen) Präsidium, das Barça Rekordschulden von rund einer Milliarde Euro bescherte und wo der anfängliche Präsident Josep Maria Bartomeu sogar in den sozialen Medien gegen die eigene Mannschaft intrigieren ließ. Nachdem man nach einer enttäuschenden Saison 2019/20 mit dem schmählichen 2:8 gegen Bayern München in der aktuellen Meisterschaft nur gegen den FC Sevilla unter den drei anderen Titelaspiranten gewinnen konnte, letztlich enttäuschender Dritter wurde, im Achtelfinale der Champions League vom PSG zu Hause mit 1:4 gedemütigt wurde und einzig den Ligapokal gewinnen konnte, wird das Schicksal von Ronald Koeman wohl noch in dieser Woche vom neuen (und früheren) Präsidenten Joan Laporta entschieden.

An diesem hängt auch die Zukunft von Miralem Pjanic. Kaum jemand glaubt, dass der erfolgsverwöhnte Mittelfeldspieler eine weitere Saison unter Koeman die Bank drücken will oder wird. Während der ehrgeizige Fußballer bei allen bisherigen Karrierestationen Olympique Lyon, AS Rom und Juventus Turin schnell zu einem Schlüsselspieler avancierte, spielte er bei Barça in nur 30 Einsätzen selten die volle Zeit (insgesamt 1.283 Minuten). Seit Ende Februar wurde er einzig in den beiden letzten Ligaspielen für wenige Spielminuten eingewechselt. Wenige Stunden nach dem letzten Saisonspiel gegen den SD Eibar äußerte sich der bosnisch-luxemburgische Spieler dann auch vieldeutig auf Instagram: „Diese Saison hinterlässt bei mir einen bitteren Nachgeschmack und Fragen, die noch nach Antworten suchen.“

Allerdings präsentiert sich Pjanic im Trikot des FC Barcelona, mit der Hand auf dem Herzen und einem Treueeid: „Ehre das Trikot. Respektiere das Team. Gib alles auf und neben dem Spielfeld. Das ist es, was der FC Barcelona verdient, das ist es, was ich mit meinen Teamkollegen seit dem ersten Tag gemacht habe.“ Bereits Ende März hatte er in einem Interview mit El Mundo Deportivo kämpferisch ausgeführt: „Ich habe nicht bei Barça unterschrieben, um im darauffolgenden Jahr zu gehen. Ich habe unterschrieben, um bei einem Verein Geschichte zu schreiben, der schon seit vielen Jahren auf meinem Weg lag.“ Weshalb auch sein Post mit „Eine Umarmung für alle Culés (Anhänger von Barça, Anm. d. Red.), wir werden uns bald wiedersehen“ endete.

Das große FC Barcelona des Tiki-Taka, von sechs Meisterschaften und drei Champions-League-Titeln zwischen 2008 und 2015, nicht zuletzt auch des Lionel Messi, steckt seit einigen Jahren im Umbruch fest und stockt. Letzte Saison wollte sogar jener sechsfache Weltfußballer des Jahres das Team verlassen. Sein guter Freund und zweitbester Torschütze des Clubs, Luis Suárez, wechselte dabei praktisch ablösefrei zum Ligakonkurrenten Atlético. Als befriedigende Rache für das schmähliche Abservieren durch Koeman erzielte jener am vorletzten und letzten Spieltag die entscheidenden Siegtore zur Meisterschaft.

Unter enormem finanziellem Druck freute sich allerdings auch das damalige Präsidium von Bartomeu, einige Stars von der Gehaltsliste zu streichen. Selbst den spektakulären Spielertausch des 23-jährigen Arthur Melo und 30-jährigen Miralem Pjanic mit Juventus Turin erklärten viele mit finanziellen Zwängen. Die 72 Millionen für den Brasilianer wurden sogleich als Einnahme verbucht, während die 60 Millionen für Pjanic über die Laufzeit seines Vertrags von vier Jahren amortisiert werden. Da kein Spielraum für einen weiteren Millionenverlust besteht, benötigt das Clubmanagement für einen eventuellen Wechsel seiner Nummer Acht entweder die aktuellen 45 Millionen Buchwert oder man müsste auf eine Ausleihe oder ein weiteres Tauschgeschäft zurückgreifen.

Derzeit erinnern sich wenige, wie Pjanic in einer neuen Aufstellung mit Doppelsechs und zusammen mit Frenkie de Jong das Mittelfeld beleben sollte. Wegen einer Covid-Erkrankung konnte sich „Mire“ jedoch erst spät im neuen Team einspielen. Während sein Stammplatzkonkurrent Sergio Busquets kaum vom typischen Kurzpassspiel abweicht, lobten etliche Analysten nach den ersten Spielen, wie Pjanic auch immer wieder lange Pässe einstreute. Allerdings kritisierte Koeman wiederholt öffentlich seinen Rhythmus am Ball und die Positionierung im Feld. Auch war seine Passquote etwas schlechter und er beging einige Fehler. Gegen Ferencvaros Budapest führte ein Konzentrationsfehler zu einem Strafstoß und Rot für Abwehrchef Piqué. Und auch ein riskanter Steilpass gegen Juventus brachte das eigene Team in Schwierigkeiten. Was wohl beim auf Sicherheit bedachten Koeman letztlich fürs Aussortieren sorgte.

Dass Pjanic in zwei, drei Interviews ein paar Spiele einforderte, um seinen Wert fürs Team beweisen zu können, sorgte dabei für zusätzlichen Ärger. Der Marktwert des mit weitem Abstand besten Sportlers, der je in Luxemburg das Fußballspielen lernte, stürzte somit auf „nur“ noch 28 Millionen Euro ab. Seine Wertschätzung bei den Topclubs bleibt jedoch unverändert hoch und neben verschiedenen italienischen Clubs schreiben sich die Medien zum Interesse von Bayern München, PSG und Chelsea die Finger wund. Noch aber hängt alles vom Zukunftsprojekt „seines“ FC Barcelona ab. Bereits am 16-Jährigen hatte das Nachwuchsteam Interesse, wie er dem Mundo Deportivo sagte: „Wir (er und sein Vater) wussten nicht zu schätzen, wie wichtig Barça B in diesem Verein ist. Ich habe mich entschieden, meine Karriere in Frankreich zu beginnen, aber ich habe immer verfolgt, was Barça gemacht hat.“

Im Champions-League-Finale 2009 gegen Manchester United ließ Pep Guardiola in seiner ersten Trainersaison sieben Absolventen jener Nachwuchsschmiede La Masia zum historischen Triple auflaufen. Miralem Pjanic stieß hingegen erst spät zu seinem Traumverein und setzt erst einmal auf die Argumentation, mit der man ihn verpflichtete: „Ich bin wegen meines Spiels und meiner Erfahrung als Sieger zu Barça gekommen. Mir wurde gesagt, dass mein Charakter und meine Erfahrung wichtig wären, um einer Generation von jungen Spielern aus La Masia beim Wachsen zu helfen. … Ich bin zu Barça gekommen, um die Champions League zu gewinnen, das ist mein Ziel.“