Relevant (1): MüllladerinNach dem Applaus wieder die Frechheiten: Alltag bei der hauptstädtischen Müllabfuhr

Relevant (1): Müllladerin / Nach dem Applaus wieder die Frechheiten: Alltag bei der hauptstädtischen Müllabfuhr
Pia Schroeder ist Müllladerin im „Service d’hygiène de la ville de Luxembourg“ Foto: Editpress/Frank Goebel

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Sich durch Auszeiten oder Heimarbeit vor der Gefahr einer Corona-Infektion schützen, das geht nicht in jedem Beruf. Wir haben uns in der Serie „Relevant“ mit einigen „Helden des Alltags“ unterhalten, die immer auf Posten sein müssen – oft, ohne dass der Öffentlichkeit das richtig bewusst ist. Wie etwa die Müllladerin. Pia Schroeder (25) ist eine der wenigen Frauen in dem Beruf. Es ist eine körperbetonte Arbeit, dazu kommen Frechheiten von gestressten Autofahrern.

Tageblatt: Inwiefern hat die Pandemie Ihren Arbeitsalltag beeinflusst?

Pia Schroeder: Nun, vor allem sind wir jetzt komplett vom Fahrer getrennt, wir haben keinen direkten Kontakt mehr zum ihm. Wir arbeiten jeweils zu zweit und fahren per Auto zum Ausgangspunkt unserer Tour. Ausgenommen diejenigen, mit denen man direkt zusammenarbeitet, sieht man die meisten Arbeitskollegen nicht mehr so viel wie vor der Krise.

Finden Sie die aktuelle Arbeitssituation besser als die vorherige?

Nein, ich wünsche mir schon, dass die alte Situation bald wieder hergestellt ist.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag momentan aus?

Ich arbeite im „Remplacement“, morgens nach meiner Ankunft werde ich von meinem Vorgesetzten für eine Fahrt eingeteilt, und mit meinem Kollegen fahre ich dann zum Ausgangspunkt der Tour.

Hat man auf den Touren Kontakt mit den Menschen?

Ein bisschen. Es gibt Leute, die einem einen guten Tag wünschen, fragen, wie es einem geht, einige bedanken sich auch.

Man kommt also auch manchmal mit den Anwohnern ins Gespräch …

Nicht viel, meistens bleibt es bei kurzen Sätzen wie Hallo, Danke usw. Zu Gesprächen kommt es normalerweise nicht, außer dass manche überrascht sagen: „Wow, e Framënsch!“, weil sie noch nicht oft eine Frau als Müllladerin gesehen haben, da es in der Regel doch noch eher ein Männerberuf ist. Bei uns arbeiten nur ein halbes Dutzend Frauen, doch eine Frau kann das genauso gut machen wie ein Mann.

 Foto: Editpress / Frank Goebel

Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf?

Für mich ist das ganz eindeutig das Arbeiten morgens früh: So hat man nachher noch viel vom Tag. Normalerweise arbeite ich bis 14.00 Uhr.

Das bedeutet, Sie beginnen sehr, sehr früh …

Ja, um sechs Uhr.

Um wie viel Uhr heißt es dann aufstehen?

Da ich aus Differdingen komme, schon um vier Uhr.

Ganz schön hart …

Ach, das ist Gewohnheitssache.

Egal, ob im Sommer oder im Winter?

Im Prinzip schon. Das einzige Unangenehme im Winter sind die kalten Hände. Unsere Arbeitshandschuhe helfen da nicht viel.

Bei solch einem Arbeitstag hat man abends bestimmt keine Einschlafprobleme?

Ganz genau, es ist ja auch eine sehr körperliche Arbeit. Wir ziehen die Mülltonnen bis zum Müllwagen und hängen sie dort an die Ladevorrichtung.

Wie viele Mülltonnen bewegen Sie denn an einem Tag?

Das hängt von der jeweiligen Tour ab, manchmal 700, manchmal 800.

Das muss am Anfang ziemlich schwierig gewesen sein, oder?

Ja, aber nur die ersten zwei Wochen, danach ging es.

Kein Muskelkater?

Nein, damit hatte ich keine Probleme.

Können Sie sich noch an Ihre erste Fahrt als Mülladerin erinnern?

Ja, ich war etwas aufgeregt, aber es lief alles gut. Ich dachte, es würde schlimmer werden, aber ich habe alles sofort gut hingekriegt, ohne Probleme.

Was hat Sie dazu motiviert, diesen Job zu wählen?

Wie schon gesagt, ich mag die Arbeitszeiten, aber auch weil man die ganze Zeit draußen arbeitet. In einem Büro sitzen, das wäre nichts für mich. „Ech si méi wibbeleg.“

Warum glauben Sie, ist Ihr Job wichtig?

Nun, wenn wir ihn nicht tun würden, würde der Abfall nicht wegkommen, und das wäre wohl kaum wünschenswert.

Meinen Sie, die Leute draußen wissen, wie Ihr Job genau aussieht?

Ich denke schon, aber ich glaube auch, dass die meisten wohl annehmen, dass es eine sehr dreckige Arbeit ist, was aber gar stimmt, da sich der Abfall ja in der Mülltonne befindet und wir diese bloß bewegen. Das einzige Unangenehme ist manchmal der Geruch.

Haben Sie den Eindruck, dass die Menschen Ihre Arbeit genügend anerkennen?

Nicht immer. Während der akuten Corona-Zeit haben sich viele bei uns bedankt, uns Bilder auf die Mülltonnen gemalt oder uns applaudiert, aber seit den Lockerungen sind die Leute wieder aggressiver geworden. Die Dankbarkeitsphase hat nicht sehr lange angedauert. Es herrscht wieder der normale Alltag.

 Foto: Editpress / Frank Goebel

Also in normalen Zeiten respektieren die Leute Sie nicht sehr?

Nein, aber da muss man einfach darüberstehen.

Die Lockerungen haben also negative Auswirkungen für Sie?

So gesehen, ja: Die Autofahrer werden wieder schneller ungeduldiger, hupen und zeigen uns den Finger …

Man macht Ihnen also auch Frechheiten?

Ja, sehr viele.

Glauben Sie, das hat etwas damit zu tun, dass Sie eine Frau sind?

Nein, das ist wohl das Gleiche für Männer.

Härtet man mit der Zeit gegenüber solchen Aggressionen ab?

Ja, ich sage mir einfach: Es macht doch keinen Sinn, darauf zu reagieren.

Ist die Arbeit auch manchmal gefährlich?

Oh ja, manche Autofahrer, und auch Radfahrer, wollen nicht ein paar Minuten warten, wenn unser Fahrzeug die Straße versperrt. Sie werden nervös und rasen vorbei. Ein Radfahrer ist mir mal in den Rücken gerannt. Glücklicherweise trug ich nur einen blauen Fleck davon.

Was ist denn die bisher beste Erinnerung an Ihre Arbeit?

Voriges Jahr vor Weihnachten kam ein Bewohner aus seinem Haus, gab mir Pralinen und bedankte sich dafür, dass wir das ganze Jahr über seine Mülltonne geleert haben. Aber Geschenke sind eher die Ausnahme, manchmal geben die Leute Trinkgeld.

J.C. Kemp
29. September 2021 - 9.06

Was sind wir doch ein primitives Völkchen von Kleingeistern!

Leila
26. September 2021 - 20.33

Eigentlich nicht zu fassen, was es für Denkzwerge gibt! Was wäre, wenn wir mal neapolitanische Zustände hier hätten? Würden diese Armleuchter dann immer noch ihrem respektlosen Benehmen freien Lauf lassen, wenn irgendwann dann mal ein Müllwagen auftaucht? Diese Leute trödeln nicht, sondern verrichten ihre Arbeit bewundernswert schnell, sollen die Pressierten doch einfach früher aufstehen!