Sozialpädagogin im GesprächMobbing in der Schule kann fatale Folgen haben

Sozialpädagogin im Gespräch / Mobbing in der Schule kann fatale Folgen haben
Für Léa Foubert, Sozialpädagogin des „Lënster Lyceé“, ist eine starke Persönlichkeit ein wichtiges Element, um sich gegen Mobbing zu behaupten Foto: Editpress/Tania Feller

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Mobbing in der Schule kann, wenn nichts dagegen unternommen wird, schwerwiegende und teils sogar fatale Folgen für Kinder und Jugendliche haben. Deshalb hat das „Lënster Lycée“ viele Projekte ins Leben gerufen, die sich um das Wohlbefinden der Schüler bemühen. Ein Gespräch mit der Sozialpädagogin des Lyzeums, Léa Foubert.

Seit Anfang des Schuljahres hat Léa Foubert bereits einige Fälle von Mobbing im „Lënster Lycée“ festgestellt. “Das sind schon viele Fälle”, sagt die Sozialpädagogin. Oft gebe es Probleme auf der 7e und auf der 4e, da dort die Klassen neu zusammengewürfelt werden. „In der 7e kommen die Schüler aus verschiedenen Grundschulen zusammen. Und in der 4e müssen sich die Schüler für eine Sektion entscheiden.” Auf beiden Klassenstufen komme es demnach zu neuen Konstellationen und dann hänge vieles von der Gruppendynamik ab, erklärt Foubert. Diese neue Zusammensetzung der Klasse kann die Gruppendynamik beeinflussen – sowohl auf positive wie auch auf negative Weise.

Foubert hat an zahlreichen Fortbildungen zum Thema Mobbing teilgenommen. Mobbing kann zu Selbstverletzungen und in manchen Fällen sogar zu Selbstmord führen. „Wenn niemand einschreitet, dann glauben die Kinder oder Jugendlichen irgendwann die negativen Aussagen der anderen und tun sich etwas an.“ Bekannt wurde beispielsweise der Fall der 13-jährigen Marion aus Frankreich, die über soziale Netzwerke zum Mobbingopfer wurde und sich schließlich in ihrem Kinderzimmer erhängte.

Prävention und Begleitung

Viele Projekte, die das „Lënster Lycée“ organisiert, haben als Ziel, das Wohlbefinden der Schüler während ihrer Schulzeit zu gewährleisten. Dazu gehören auch die Prävention von Mobbing sowie das Einsetzen von diversen Methoden zur Lösung solcher Situationen.

Foubert ist neben sieben weiteren Erziehern und Sozialpädagogen Teil des „Service socio-éducatif“ innerhalb des Lyzeums. Ihre Rolle ist es, die Schüler bei Problemen zu begleiten und außerschulische Aktivitäten anzubieten. Das Team unterstützt die Klassen in diversen Bereichen wie Lernschwierigkeiten, Disziplin, Projekten und auch bei der Vorbereitung auf ihre zukünftige Berufswahl. „Wir sind auch da, wenn es gruppenspezifische Probleme in einer Klasse gibt. Dann arbeiten wir entweder mit der ganzen Klasse oder mit einzelnen Schülern. Das hängt vom Anliegen ab und erfolgt in Absprache mit den Lehrern.“

Jugendliche haben ein großes Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören

Léa Foubert, Sozialpädagogin

„Jugendliche haben ein großes Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören”, sagt Foubert. Deshalb biete das Lyzeum viele außerschulische Aktivitäten an, damit sich Gruppen mit gleichen Interessen bilden können. Dazu gehöre auch das Projekt, „Meng Klass – en Team“ vom „Service national de la jeunesse“ (SNJ). „Wir verbringen zwei Tage mit einer Klasse in Lultzhausen, wo gruppendynamische Aktivitäten angeboten werden“, so Foubert. „Die Jugendlichen lernen sich außerhalb der Schule kennen.“

Respektvolle Gruppendynamik

Erhalten Schüler von ihren neuen Klassenkameraden Unterstützung beim Kajakfahren oder beim Klettern, kann dies das Einleiten einer positiven Dynamik fördern. Das Ziel sei, eine respektvolle Gruppendynamik einzuleiten. „4e-Schüler verbringen ebenfalls einen Tag zusammen, um sich  kennenzulernen. Diese gruppendynamischen Aktivitäten werden vom SNJ im Marienthal angeboten“, sagt Foubert.

Trotz zahlreicher Präventionskampagnen werden immer noch Schüler ausgeschlossen und gemobbt. In solchen Fällen hat Foubert deshalb gleich mehrere Methoden, auf die sie je nach Situation zurückgreifen kann.. Die zwei wichtigsten sind ihrer Meinung nach die Farsta-Methode aus Skandinavien und die „No Blame Approach“-Methode.

Bei Ersterer wird der Täter in die Verantwortung genommen und ihm zugleich die Möglichkeit geboten, straffrei seine Handlungen zu überdenken und soziale Verhaltensweisen aufzubauen. „Bei der ‚No Blame Approach’-Methode will ich, wie der Name es bereits verrät, niemanden blamieren, auch den Täter nicht”, erklärt Foubert. Die Grundidee ist folgende: Lösungsorientierung anstatt Problemfokussierung, keine Frage nach dem Problemzusammenhang, den Ursachen und Schuldigen, Verzicht auf Schuldzuweisungen und Bestrafungen, Vertrauen auf die Ressourcen und Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen, wirksame Lösungen zu entwickeln.

Mobbing ohne Ende

„Früher, als wir in die Schule gingen, gab es auch schon Mobbing“, sagt Foubert. Schüler hänselten andere mit Beleidigungen wie „Du Dicker, du Dünner, du Kleiner, du Dummer …“. Nach der Schule sei man nach Hause gegangen oder habe einen Verein besucht und man konnte sich dort wohlfühlen. Heute sei das anders. „Mobbing hört nicht nach der Schule auf, sondern geht weiter, und zwar in den sozialen Netzwerken. Die Schüler erhalten zu Hause oder in ihrem Verein weiterhin Textnachrichten oder sind Facebook- und Instagram-Posts mit Beleidigungen oder Belästigungen ausgesetzt”, warnt die Sozialpädagogin. „Mobbing gab es schon immer, nur konnte ein Schüler früher, wenn er nach Hause kam, seine Ruhe finden. Er konnte eine gewisse Distanz zu diesen negativen Handlungen herstellen. Heute kann er 24 Stunden lang Nachrichten von anderen erhalten.”

Mobbing gab es schon immer, nur konnte ein Schüler früher, wenn er nach Hause kam, seine Ruhe finden. Heute kann er 24 Stunden lang Nachrichten von anderen erhalten.

Léa Foubert, Sozialpädagogin

Die Sozialpädagogin ist der Meinung, dass eine starke Persönlichkeit ein wichtiges Element ist, um sich gegen Mobbing zu behaupten. „Vermittelt ein Schüler Schwäche oder wirkt eingeschüchtert auf andere, dann kann er eher ein Mobbingopfer werden.“ Trete man dagegen stark auf, aber stets im Respekt gegenüber anderen Mitschülern, dann werde ein Nein von den anderen als ein solches verstanden. Auch hier begleitet die Sozialpädagogin die Schüler – durch Projekte, im Rahmen derer sie ihre Persönlichkeit stärken können. Eine Schülerin habe ihr einmal gesagt, dass sie durch Judo gelernt habe, im Alltag Nein zu sagen. Ein Nein, das auch als solches stets akzeptiert wurde.

Mobbing-Bekämpfung

In luxemburgischen Lyzeen gibt es unterschiedliche Aktivitäten im Kampf gegen Mobbing. Neben dem „Service socio-éducatif“ findet man in vielen Schulen einen Sepas („Service psycho-social et d’accompagnement scolaire“), in dem Erzieher, Psychologen und Sozialarbeiter vertreten sind. Diese bieten unter anderem die oben erwähnte Farsta-Methode und die „No Blame Approach“ an. Das Cepas (“Centre psycho-social et d’accompagnement scolaire“) bildet als „Centre de ressources” die Mitarbeiter des Sepas zu spezifischen Themen wie Gewaltprävention und Mobbing aus, erklärt Cepas-Direktorin Nathalie Keipes auf Tageblatt-Nachfrage. Daneben bietet Cepas auch selber spezialisierte Aktivitäten an, beispielsweise die Gruppierung „Stay cool”. Dort kommen junge Menschen aus verschiedenen Schulen zusammen, die selber mit Gewalt konfrontiert sind oder waren. Anhand von Rollenspielen wird das Thema Gewalt aufgearbeitet, damit die jungen Menschen lernen, in einer solchen Situation richtig zu reagieren. Ein weiteres Projekt nennt sich „Stop Mobbing” und ist seit diesem Schuljahr an das CDSE („Centre pour le développement socio-émotionne“l) angebunden. Daneben verfügt das CDSE über ein Coaching-Team, das in die Schulen geht, um dem Lehrpersonal Hilfestellung zu leisten, sagt CDSE-Direktorin Diane Duhr. Für Mobbing-Prävention greift der CDSE auf ein Team zurück, das das Lehrpersonal zum Thema Achtsamkeit fortbildet. Wenn es dann eine konkrete Anfrage zu einem solchen Fall gibt, dann wird das Personal von „Stop Mobbing” in die jeweilige Schule geschickt. Dieses Team hat zwischen 30 und 40 Interventionen pro Jahr. Laut Duhr seien die Anfragen zuletzt massiv angestiegen.

Mobbing-Prävention

Mobbing-Prävention wird zurzeit auf Anfrage und auf Initiative der verschiedenen Schulen angeboten, sagt Cepas-Direktorin Nathalie Keipes auf Tageblatt-Nachfrage. Wichtig sei, dass das Thema von der gesamten Schule als Priorität angesehen wird und auf verschiedenen Ebenen versucht wird, für das Thema zu sensibilisieren. Dazu gibt es etwa auch die Peer-Mediation, die angeboten wird. Dort lernen die Schüler, selber Mediator in verschiedenen Konfliktsituationen zwischen anderen Schülern zu sein. Laut Keipes gibt es viele verschiedene Ebenen, auf denen eine Einrichtung aktiv sein muss, damit die Prävention wirksam wird. „Es ist immer die Entscheidung der Direktion einer Schule, was angeboten wird.“ An der Durchsetzung seien dann die „Services socio-éducatifs“ bzw. die SePAS und auch die Lehrer beteiligt. Letztere seien dafür verantwortlich, was in ihrer Klasse passiert. Deshalb ist es laut Keipes wichtig, dass die Direktionen den Rahmen setzen, indem sie festlegen, welche Präventionen in ihrer Schule durchgeführt werden sollen. Das Vorgehen nennt man “whole school approach”.

Léa Foubert ist Sozialpädagogin im „Service socio-éducatif“ am „Lënster Lycée“
Léa Foubert ist Sozialpädagogin im „Service socio-éducatif“ am „Lënster Lycée“  Foto: Editpress/Tania Feller