BelarusMit weißen Bändern und Blumen gegen Polizeibrutalität

Belarus / Mit weißen Bändern und Blumen gegen Polizeibrutalität
In Weiß gegen die Sicherheitspolizei: Viele Einwohner von Minsk haben offenbar Hausflure und gar Wohnungen aus Solidarität für die vor der Polizei Flüchtenden geöffnet Foto: AFP/Sergei Gapon

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Mit Menschenketten fordern Demonstranten in Weißrussland eine Neuauszählung der Stimmen der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl. Doch Staatschef Lukaschenko antwortet mit Gewalt.

Die Proteste in Weißrussland haben sich von den Nachtstunden nun auch in den Tag hinein verlegt. In Gomel im Osten des Landes versammelte sich bereits am Nachmittag eine große Menschenmenge. Viele Demonstranten schwenken weiße Bänder und Blumen und demonstrieren damit gegen die völlig unverhältnismäßige Gewalt der Sicherheitskräfte gegen die zumeist friedlichen Demonstranten in der letzten Nacht.

Auch in Grodno ganz im Westen von Weißrussland bildeten Bürger bereits um die Mittagszeit Solidaritätsketten entlang wichtiger Einfahrtstraßen. Zu ähnlichen Solidaritätskundgebungen, die vor allem von weiß gekleideten Frauen getragen wurden, kam es tagsüber in Dutzenden weiteren Städten. Im Zentrum von Minsk bildeten 250 weiß gekleidete Frauen eine Menschenkette gegen Gewalt rund um die wichtige und viel besuchte Kamarouski-Markthalle.

Derweil ging gestern ein kurzes Video eines Polizeieinsatzes im kleinen Dorf Lebedewo auf halber Strecke zwischen Minsk und Vilnius durch das gestern erstmals wieder fast normal funktionierende Internet. Polizisten stürzen sich in dem Film auf ein halbes Dutzend Bürger, die eine Petition beim Dorfsowjet deponieren wollen. Sie werfen die teils jungen Dorfbewohner brutal zu Boden, drücken die Arme auf den Rücken und legen ihnen Handschellen an.

Viele Proteste, hartes Durchgreifen

Es soll sich dabei nicht um den ersten Protest auf dem Dorf gehandelt haben, sondern illustriert auch die verstörende Polizeigewalt gegen jegliche Protestversuche. Derweil hat die Gewalt in der Nacht auf Mittwoch weiter zugenommen. Laut Angaben des Innenministeriums sind dabei erstmals Schusswaffen gegen Demonstranten eingesetzt worden. In der Stadt Brest seien Sicherheitskräfte mit Eisenstangen angegriffen worden, hieß es in Minsk. Warnschüsse in die Luft hätten nicht gefruchtet, man hätte direkt auf die Protestierenden schießen müssen, heißt es in einer Pressemitteilung. Dabei soll ein Demonstrant schwer verletzt worden sein.

Die Großstadt Brest direkt an der polnischen Grenze wurde bereits in den früheren Abendstunden vom Dienstag völlig abgeriegelt. Geschäfte und Cafés mussten schließen; Truppen des Innenministeriums übernahmen laut Augenzeugen die Kontrolle über die Stadt. Auch in der aufmüpfigen Stadt Grodno im Westen des Landes griffen die Sicherheitsorgane besonders hart durch und ließen Proteste erst gar nicht aufkommen. In beiden Städten gibt es eine große polnische Minderheit; die Opposition gegen den Autokraten Lukaschenko war dort schon immer verhältnismäßig stark.

In der Hauptstadt Minsk konzentrierten sich die Proteste erneut auf die Umgebung wichtiger U-Bahnstationen in den Außenquartieren. Autokolonnen versuchten dort, Busse der Sicherheitskräfte zu blockieren, während sich in der Nacht wieder Tausende erboster Bürger versammelten und Lukaschenkos Abdankung forderten. Erneut wurden Barrikaden aus Mülltonnen errichtet, jedoch von Sondertruppen mit schwerem Gerät sofort geschleift. Sondereinheiten machten scheinbar wahllos Jagd auf Demonstranten, verfolgten diese bis in die Innenhöfe der Hochhaussiedlungen und schossen gezielt mit Gummigeschossen auf sie.

Viele Einwohner von Minsk haben offenbar Hausflure und gar Wohnungen aus Solidarität für die vor der Polizei Flüchtenden geöffnet. In der Nacht auf Mittwoch fiel das Internet vollständig aus, was die Organisation der Proteste erheblich erschwerte. Insgesamt gab es so in der Nacht weniger Demonstranten als in den Vortagen. Gestern Morgen legten dafür mindestens vier weitere Staatsfirmen die Arbeit aus Protest gegen die Wahlfälschungen und die Gewalt nieder. Von einer die angeschlagene Wirtschaft bedrohenden Streikwelle kann indes noch nicht die Rede sein.

Bereits mehr als 6.000 Festnahmen

Laut Angaben des Gesundheitsministeriums meldeten sich bis zum frühen Mittwochmorgen 51 Schwerverletzte in den Spitälern. Das Innenministerium gab die Zahl der Festgenommenen mit „über tausend“ in insgesamt 25 Städten an. Damit sind seit Beginn der Nachwahlproteste über 6.000 Bürger festgenommen worden.

Gestern versammelten sich in Minsk beim zentralen Untersuchungsgefängnis an der Akrestina-Straße unweit des Nobelhotels „Minsk“ Hunderte von Familienangehörigen. Sie skandierten „Schande!“ und „Faschisten!“ und forderten Auskünfte über den Verbleib der Vermissten. Laut dem wegen der Internetunterbrüche teils wieder analog sendenden Radio Svoboda sollen sich daraufhin Sniper auf den Dächern des Gefängnisses positioniert haben. Eine Liste mit bis gestern weit über 1.000 namentlich bekannten Verhafteten hat die Menschenrechtsorganisation „Wiasna“ veröffentlicht. Die Untersuchungsbehörden hüllen sich derweil in Schweigen.

Miette
13. August 2020 - 22.30

@HTK Zwei Doofe, ein Gedanke, ich wollte Biermann's Aussage auch in diesem Zusammenhang hier zitieren?

HTK
13. August 2020 - 10.29

Soldaten.Die Söhne des Volkes richten sich gegen Brüder und Schwestern.So ist das mit hirnlosen Befehlsempfängern. "Was kümmert mich das Volk.Ich habe gelernt zu töten und getötet zu werden.Das ist mein Beruf." ( Voltaire ) Soldat,Soldat, ich finde nicht, Soldat,Soldat dein Angesicht, Soldat,Soldat ihr seid alle gleich, Soldat,Soldat,lebendig und als Leich.( Biermann)