La PalmaLavaflüsse verschlingen Häuser, Polizisten bremsen ganze Karawanen von Vulkantouristen

La Palma / Lavaflüsse verschlingen Häuser, Polizisten bremsen ganze Karawanen von Vulkantouristen
Menschen beobachten den Vulkanausbruch auf der kanarischen Insel La Palma  Foto: dpa/Gerardo Ojeda

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Auf der Kanaren-Insel La Palma mussten 5.000 Bewohner und Touristen evakuiert werden. Auch am Montag, 24 Stunden nach dem Ausbruch, spuckte das Vulkangebirge Cumbre Vieja weiterhin Feuer.

„Der Lavastrom verschlingt alles, was er auf seinem Weg findet“, berichtet Sergio Rodríguez, der Bürgermeister des Ortes El Paso. Seit dem Vulkanausbruch am Sonntagnachmittag im Südwesten der Kanareninsel La Palma wälzen sich mehrere Lava-Zungen vom Kraterrand in etwa 800 Meter Höhe den Berghang hinunter. Sie begraben Häuser, Straßen, zurückgelassene Autos und Plantagen unter sich.

Bis zum Montagnachmittag gab es keine Berichte über Tote oder Verletzte. Die Behörden hatten bereits Stunden vor der Eruption, die sich in den letzten Tagen durch Tausende kleinere Beben ankündigte, mit der Evakuierung des überwiegend ländlichen Gebietes begonnen. Mehr als 5.000 Personen, darunter auch annähernd 1.000 Urlauber, wurden in Sicherheit gebracht. 

Auch am Montag, 24 Stunden nach dem Ausbruch, spuckte das Vulkangebirge Cumbre Vieja (Alter Gipfel) weiterhin Feuer und schleuderte flüssige Lava, Gesteinsbrocken und Asche in die Luft. Bisher konnten die Geologen einen Hauptkrater und bis zu zehn Nebenschlote ausmachen. Über dem Gebirgszug sind mehrere bis zu einhundert Meter hohe Lavafontänen sichtbar. Darüber bildete sich ein riesiger Rauchpilz, der inzwischen eine Höhe von mehr als 1.000 Meter erreichte.

In Los Llanos ist die Lage „dramatisch“

„Der größte Lavastrom ist inzwischen mehr als 50 Meter breit und hat eine Höhe von 15 Metern erreicht“, sagt Bürgermeister Rodríguez. Die flüssige Vulkanmasse, die mit mehr als 1.000 Grad aus den Vulkanöffnungen quillt, sei dickflüssig und wälze sich langsam Richtung Meer. Die Lava-Zungen, die auf ihrem Weg über die Erdoberfläche immer mehr erkalten, bewegen sich mehrere hundert Meter pro Stunde vorwärts. Es wurde erwartet, dass der Lavafluss am späten Montagabend das Meer erreicht.

In den Orten El Paso (8.000 Einwohner) und Los Llanos de Aridane (21.000 Einwohner), deren Ausläufer bereits am Montagmorgen von der Lava-Lawine erreicht wurden, verschwanden bereits weit mehr als hundert Häuser unter der vorrückenden flüssigen Gesteinsmasse. Auf TV-Bildern sieht man, wie die zähflüssige Lava Mauern platt walzt, in Wohnräume eindringt und Weinberge sowie Bananenanpflanzungen unter einer dampfenden grau-schwarzen Masse verschwinden lässt.

Lava fließt in der Nähe des Ortes El Paso
Lava fließt in der Nähe des Ortes El Paso Foto: dpa/Jonathan Rodriguez

„Die Lage ist dramatisch“, sagt eine Rathaussprecherin von Los Llanos. „Es gibt keine Möglichkeit, die Lava aufzuhalten oder umzuleiten.“ Etliche Menschen, die von der Landwirtschaft oder vom Tourismus leben, hätten bereit ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Auch ein Schulgebäude sei inzwischen von der Lava weggerissen worden. Man könne nur hoffen, dass sich der Vulkan möglichst bald wieder beruhige. Doch wann das sein wird, weiß niemand genau.

Der letzte Ausbruch in der Vulkankette Cumbre Vieja ist ziemlich genau 50 Jahre her. Ende Oktober 1971 hatte das Gebirge, das als aktivste Vulkanzone auf allen Kanarischen Inseln gilt, 24 Tage lang Feuer gespuckt. Dann versiegte der Lavastrom, der etwa 30 Kilometer vom neuen Eruptionsort aus der Erde gequollen war. Und der Berg verfiel wieder in einen langen Schlaf. Auch wenn es in seinem Inneren, kilometertief unter der Erdoberfläche, immer noch brodelte.

Die 56 Jahre alte María hat die letzte Vulkankatastrophe noch miterlebt. Sie war damals sechs Jahre alt. Nun steht sie auf der Dachterrasse ihres Hauses in Los Llanos und beobachtet die Lava-Lawine, die in Sichtweite den Berg hinunterkommt. „Ich habe Angst“, sagt sie einem Reporter der Nachrichtenagentur Efe. Das mit den notwendigsten Habseligkeiten vollgepackte Auto steht vor der Tür.

Auch sie muss mit ihrem Mann nun die Flucht ergreifen. Genauso wie es bereits ihre Nachbarn machten. Alles hinter sich zu lassen, ohne zu wissen, ob man das Haus jemals wiedersehen werde, sei grausam. „Einige Menschen schrien bei der Evakuierung. Kinder weinten.“ María will zunächst bei ihrem Sohn unterkommen, der in sicherer Entfernung an der Küste lebt.

Minister spricht von „willkommener Werbung“

Am Montag wurde die Zone rund um die Vulkankrater und um die Lava-Zungen herum weiträumig abgeriegelt. Mehr als 1.000 Polizisten, Feuerwehrleute, Soldaten und freiwillige Helfer errichteten einen Sperrgürtel im Umkreis von zwei Kilometern um die Gefahrenzone. Damit sollen vor allem Schaulustige davon abgehalten werden, sich für ein Erinnerungsfoto dem Vulkan zu sehr zu nähern.

Krisenstab mit Premier Sanchez: Der Vulkan ist am Sonntag erstmals seit 50 Jahren wieder aktiv geworden
Krisenstab mit Premier Sanchez: Der Vulkan ist am Sonntag erstmals seit 50 Jahren wieder aktiv geworden Foto: dpa/Europa Press

Seit dem Ausbruch sind Karawanen von Vulkantouristen unterwegs, um das spektakuläre Naturschauspiel möglichst aus der Nähe abzulichten. Verstopfte Straßen machen den Rettungskräften das Leben schwer. „Bitte bleiben Sie zu Hause“, appellierten die Behörden an die Menschen. Schon bei der letzten Eruption vor 50 Jahren war die Sensationslust zwei Menschen, die den Kraterrand erklimmen wollten, zum Verhängnis geworden. Sie starben an Rauchvergiftung.

Dies hielt Spaniens Tourismusministerin Reyes Maroto am Montag aber kurioserweise nicht davon ab, mitten in der Katastrophe den Vulkanausbruch auf La Palma als Chance zu bezeichnen, um den Inseltourismus anzukurbeln. Das sei eine willkommene „Werbung“, damit Touristen kommen, um dieses Naturschauspiel zu bewundern, sagte sie. Die Insel, in dessen Süden der Vulkan brodelt und wo gerade Hunderte Urlauber evakuiert werden mussten, sei weiterhin für den Tourismus geöffnet.

Observer
21. September 2021 - 13.12

Der CO2 Preis steigt!