KlimawandelAls einer der Topverursacher müsste Luxemburg jährlich 324 Millionen Euro zahlen

Klimawandel / Als einer der Topverursacher müsste Luxemburg jährlich 324 Millionen Euro zahlen
Passend zur aktuellen Klimakonferenz erinnert „Action solidarité tiers monde“ (ASTM) an die Debatte um Entschädigungen für Klimaschäden. Verursacher sollen entsprechend ihrer Verantwortung und Kapazität zahlen. Für Luxemburg würde das teuer.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Auf einem Tisch im Wasser der Alzette sitzend zu pokern, um auf die Schäden des Klimawandels aufmerksam zu machen, ist originell. Um für das Thema zu sensibilisieren, ist den Mitarbeitern von „Action solidarité tiers monde“ (ASTM) keine Aktion zu ungewöhnlich. Die Schäden lassen sich berechnen. Für Luxemburg hieße das 324 Millionen Euro jährlich ab 2030, sagt ASTM.

Der Zeitpunkt für die Aktion ist eine Punktlandung. Entschädigungen des Nordens an den Süden sind schon lange ein Thema. Bislang aber bummelten sie als Randnotiz oder gar Anhang in den politischen Bekenntnissen nach Klimakonferenzen. Auf der aktuellen im ägyptischen Scharm el-Scheich haben die „Loss and damages“ es jedoch auf einen Platz unter die Topthemen geschafft.

Die NGO ASTM will die gestrige Pokerrunde als Appell verstanden wissen. „Sie sollen endlich aufhören zu spielen und das Thema ernst nehmen“, sagt Birgit Engel (51), bei ASTM Koordinatorin für das Klimabündnis Lëtzebuerg. Die entwickelten Länder des Nordens verursachen aktuell 37 Prozent der Emissionen, die zum Klimawandel beitragen. Sie stellen aber nur 15 Prozent der Weltbevölkerung.

Zum Vergleich: Kenia, Äthiopien, Somalia und der Südsudan sind zusammen für nur 0,1 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. In Ländern wie Pakistan oder Bangladesch sieht es ähnlich aus und zeigt die Crux: Unterentwickelte, arme Länder leiden am meisten unter den Folgen der Erderwärmung, wie ein Beispiel zeigt. Sechsmal schon hat der damals 72 Jahre alte Fischer Shadu Charan Mondol im Laufe seines Lebens sein Haus neu aufbauen müssen.

Inseln, die verschwinden, und Wälder, die zerstört sind

Er lebte in Shingertoli, im Delta des Ganges in Bangladesh. Die steigenden Fluten des Flusses haben die Deiche immer wieder aufgeweicht und alles zerstört. ASTM hat den inzwischen verstorbenen Mann auf einer Reise in das Land kennengelernt. „Menschenleben kann man nicht berechnen“, sagt ASTM-Koordinatorin Engel. „Aber das Hab und Gut von betroffenen Menschen.“ Bei den jüngsten Überschwemmungen in Pakistan im September 2022 sind rund zwei Millionen Häuser und Geschäfte zerstört worden.

Deren Besitzer haben alles verloren und niemand kommt dafür auf. Sollte es zu Klagen gegen die, die als Verursacher gelten, kommen, wird es teuer. „Es gibt Inseln, die verschwinden, und Wälder, die zerstört sind, und Gegenden, die der Mensch nicht mehr bewohnen kann“, sagt Cédric Reichel (38), ebenfalls Koordinator des Klimabündnis bei ASTM. „Jemand muss dafür aufkommen.“ Das sind in dem Fall die reichen Länder mit den meisten Emissionen. Eurostat hat errechnet, dass Luxemburg pro Kopf der Einwohner die meisten Treibhausgase innerhalb der EU verursacht.

Käme es zu einer Klage, kämen im globalen Maßstab hohe Summen auf das Land zu. Ab 2030 fielen rein rechnerisch durchschnittlich 324 Millionen Euro jährlich an. Das sind 76 Prozent des aktuellen Budgets des Umweltministeriums, hat ASTM ausgerechnet. „Unsere Verantwortung ist hoch, unsere Verschmutzung ist hoch, unsere Ignoranz ist hoch und die Art, einfach so weiterzumachen, ist hartnäckig“, sagt Reichel. „Das wird einen Preis haben, es gibt schon Klimaklagen.“

Wer zahlt? Wer trägt Verantwortung?

Das stimmt. 2021 verurteilte ein Gericht in Den Haag beispielsweise den multinationalen Konzern Shell dazu, einen Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaziele zu leisten. Shell muss seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um netto 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 reduzieren. Geklagt hatten niederländische Klimaschützer. Auch in der BRD kennt man Klimaklagen, was auf der Webseite von Greenpeace Deutschland nachzulesen ist. Das ist die juristische Seite.

In den Augen von ASTM-Koordinator Reichel gibt es aber noch einen weitreichenderen, viel tiefer gehenden Aspekt. „Ein großer Gamechanger in der Frage von Entschädigungen wäre Vertrauen“, sagt ASTM-Vertreter Reichel. Die allermeisten Projekte, die in Drittländern Anpassungen an den Klimawandel betreffen und für die Geld aus den reichen Ländern fließt, seien geprägt von Kontrolle, urteilt er.

Das gilt auch für Luxemburg, das schon viel tut und als einer der größten Geber gemessen an der Einwohnerzahl des UN-Klimafonds gilt. Seine Kritik ist trotzdem harsch. „Wir müssen aufhören, darüber bestimmen zu wollen, wie sich die Länder gegen die Auswirkungen wappnen können“, sagt er. „Das sind Überbleibsel kolonialen Denkens und ein Muster, das abgeschafft gehört. Aber dies ist für uns alle verdammt schwer.“

Climate Equity Reference Calculator: Methodik

Das Berechnungsmodell geht vom Grundsatz der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und der jeweiligen Fähigkeiten“ aus, wie er im Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen festgelegt ist. Die Berechnung erfolgt mithilfe von zwei Faktoren – dem Faktor „Verantwortung“ und dem Faktor „Kapazität“. Der Rechner bietet verschiedene Optionen in Bezug auf die Hauptkriterien für die Berechnung an. Diese sind das Niveau der globalen Ambitionen zur Reduzierung der Treibhausgase, das Berechnungsjahr zur Bestimmung der historischen Verantwortung des Landes und die Einkommensschwellen in Bezug auf die wirtschaftliche Kapazität. ASTM hat sich für ein mittleres Szenario entschieden, was bedeutet, dass der Index für die Verantwortung und die Kapazität Luxemburgs höher sein könnte als der, zu dem sie gelangen, wenn anspruchsvollere Optionen hinsichtlich der Kriterien angewandt würden. Schließlich wurden Verantwortung und Kapazität gleich gewichtet, da dies die am häufigsten verwendete Aufteilung in den meisten durchgeführten Berechnungen ist (calculator.climateequityreference.org).

Film: Ökozid

Deutschland sitzt auf der Anklagebank. Der Film ist ein fiktives Zukunftsszenario, das im Jahr 2034 spielt. Verhandelt wird am Internationalen Gerichtshof, ob Länder die Pflicht haben, gegen den Klimawandel vorzugehen. Länder des Südens haben gegen die BRD geklagt. Der Film stammt aus dem Jahr 2020, Regie hat Andres Veiel geführt. Mit Ulrich Tukur, Nina Kunzendorf, Edgar Selge u.v.m. Den Film gibt es bei Streaming-Diensten. 

jung.luc.lux
16. November 2022 - 21.06

Des Rechnung stenkt erem greng. Mat dese Souen as hei am Land ze schaffen.

Lucilinburhuc
11. November 2022 - 16.46

@Charely Neischt verstanen? Relativ - nett absolut!

Charely
10. November 2022 - 10.35

Wat e Kabes! Dat kléngt Lëzebuerg ass " ein Topverursacher". Wat sin dann d'U.S.A., Russland, China, Afrika, Indien, an esou weider. Halt dach op mat deenen Dommheeten. :-(

Phil
9. November 2022 - 18.23

Majo sëcher.... a soss keng Péng?